Hamburg. Der Mann, der seinen Vater anzündete und auf Polizisten feuerte, wurde erschossen. Das SEK tötete in 52 Jahren vier Männer bei Einsätzen.
Mit gezielten Schüssen haben SEK-Beamte in der Nacht zum Freitag in Hamburg-Rahlstedt den 51 Jahre alten Dirk K. erschossen. Der Mann hatte, so die Erkenntnisse der Polizei, zuvor seinen Vater (81) angezündet und auf anrückende Polizisten geschossen – mehrfach. Auch die Beamten der Spezialeinheit eröffneten erst das Feuer, als Dirk K. in ihre Richtung schoss. Die Mordkommission hat den Fall übernommen und ermittelt wegen eines versuchten Tötungsdeliktes in dem Fall. Auch die Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE) ist, wie in so einem Fall üblich, eingeschaltet, um den Schusswaffeneinsatz der Beamten zu überprüfen.
Gegen 23:30 Uhr waren Notrufe bei der Polizei eingegangen, nach denen an der Wolliner Straße in einem Mehrfamilienhaus aus einer Wohnung Hilfeschreie zu hören seien und es brenne. Als die ersten Peterwagen der Wache Poppenbüttel eintrafen, trafen sie auf den Mieter der Wohnung. Der 81-Jährige konnte noch selbst berichten, dass sein Sohn ihn im Bett mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und angesteckt habe. Dann sahen die Polizisten den Sohn. Der 51-Jährige hatte eine Waffe in der Hand und feuerte. Auch die Polizisten schossen. Dann zogen sie sich zurück.
Polizei Hamburg: SEK-Beamte schossen zurück, als auf sie gefeuert wurde
Der 81-Jährige kam ins Krankenhaus. Er wurde notoperiert und ist mit Stand vom Freitag außer Lebensgefahr. Sein Sohn hatte sich in der Wohnung, die von Polizisten umstellt war, verschanzt. Das SEK rückte an.. Als die schwer bewaffneten Beamten sich der Wohnung näherten, feuerte Dirk K. vom Balkon aus. Die SEK-Männer schossen zurück. Dirk K. sank getroffen zusammen. Er war tödlich getroffen worden.
Die Polizei stellte eine Waffe sicher. Sie wird untersucht. Unklar war zunächst, ob es eine scharfe oder eine Schreckschusswaffe ist. Die an dem Einsatz beteiligten Beamten mussten im Dienst bleiben. Noch bis in den Morgen wurden sie von DIE-Beamten befragt. Auch der Polizeiseelsorger rückte an, um die an dem Schusswechsel beteiligten Polizisten zu betreuen.
Erschossener dürfte sich in einem „psychischen Ausnahmezustand“ befunden haben
Bis zum Freitagabend war das Motiv für die Tat völlig unklar. Zwar geht man bei der Polizei davon aus, dass Dirk K. in einem psychischen Ausnahmezustand „ausgerastet“ war. Das Motiv oder der Auslöser ist unklar. Der Mann war aber bei der Polizei in der Vergangenheit nicht auffällig gewesen. Ob er bereits als psychisch krank erkannt und in Behandlung war, wurde zunächst nicht bekannt.
Der 51-Jährige ist der vierte Mann, den Beamte der Spezialeinheit in ihrer 52-jährigen Geschichte erschossen. Die Einheit war als Mobiles Einsatzkommando (MEK) 1972 gegründet worden als Reaktion auf das Debakel bei den Olympischen Spielen in München. Dort hatten Polizisten versucht, die israelischen Sportler zu befreien, die von Terroristen der Gruppierung „Schwarzer September“ als Geiseln genommen worden waren. Auf dem Militärflughafen Fürstenfeldbruck starben bei dem Einsatz neun der noch lebenden Geiseln und ein Polizist.
SEK Hamburg: Auf dem Steindamm starb ein Polizistenmörder und Geiselnehmer
Bereits im zweiten Jahr nach der Gründung, am 18. April 1974, erschoss ein MEK-Mann auf dem Steindamm Emilio Humberto M. (28), der zuvor die dortige Commerzbank überfallen, einen Polizisten erschossen und Geiseln genommen hatte. Er wurde von einer Kugel aus einem Revolver in den Kopf getroffen, als er mit einer Geisel, der er ein Messer an den Hals hielt, aus der Bank kam.
Der Bankräuber hatte zunächst die Mütze des von ihm getöteten Polizisten auf dem Kopf gehabt. Als er sie hochwarf, nutzte das MEK die Situation aus. Es fiel der tödliche Schuss.
Im Generalkonsulat in Steilshoop wurde ein Mann mit Handgranate erschossen
Am 19. Oktober 1993 kam es im polnischen Konsulat an der Gründgensstraße in Steilshoop zu einem für einen Handgranatenmann tödlichen Einsatz. Robert K. (27) war unter einem Vorwand in das Konsulat gekommen. Der offenbar psychisch gestörte Mann wollte sich mit dem Generalkonsul über ein Gerichtsverfahren in Polen unterhalten, in dem er sich zu Unrecht verurteilt sah.
Die Polizei umstellte das Gebäude. In einem günstigen Moment, als der 27-Jährige die Handgranate beiseitegelegt hatte, wollte das MEK zugreifen. Doch der Einsatz ging schief. Der dafür eingesetzte Hund, der den Mann zu Boden bringen sollte, schlitzte sich bei dem Sprung durch eine zersplitterte Glasscheibe die Vorderläufe auf. Der Mann griff zur Handgranate, wollte den Sicherungsstift ziehen und sie auf die Beamten schleudern. Die schossen und trafen Robert K. mehrfach. Der Mann kam noch ins Krankenhaus, wo er aber seinen Verletzungen erlag.
SEK: In Eimsbüttel traf eine tödliche Kugel einen gesuchten Dealer
Im Juli 1999 kam es am Heußweg in Eimsbüttel zu einem für einen Dealer tödlichen Einsatz der Hamburger Spezialeinheit. Die Beamten hatten mit einer Ramme die Tür eingeschlagen und waren handstreichartig in die Wohnung eingedrungen, in der sich der gesuchte Udo H. (41) und ein Pärchen aufhielten. Der Dealer zog eine Waffe und schoss. MEK-Beamte schossen zurück. Der 41-Jährige wurde in den Bauch getroffen und so schwer verletzt, dass er im Krankenhaus starb: Seine Waffe entpuppte sich als Gaspistole.
- SEK: Das sind die spektakulärsten Fälle der Spezialeinheit
- GSG 9 und SEK simulieren in Hamburg Terroranschlag
- Polizei schafft neuen Panzerwagen für den Terror-Fall an
Das SEK kommt in Hamburg immer dann zum Einsatz, wenn man davon ausgeht, dass ein Täter bewaffnet oder besonders gefährlich ist. Darüber hinaus sind die Beamten an herausragenden Einsätzen beteiligt. Bei der Jagd nach dem Kaufhauserpresser „Dagobert“ waren sie ebenso eingesetzt wie bei der Befreiung des als Geisel genommenen Hotelier-Sohns Bodo Jansen, bei der Festnahme von Kiez-Killer „Mucki“ Pinzner und beim Einsatz rund um die Terroranschläge des 11. September und die noch in Hamburg befindlichen Teile der Terrorgruppe um Mohammed Atta.
Nach 9/11 wurde das SEK immer weiter auch technisch professionalisiert, um auch Terrorlagen bewältigen zu können. Dazu gehört beispielsweise die Anschaffung eine gepanzerten Spezialfahrzeugs. Im Alltag ist immer eine Gruppe des SEK in Einsatzbereitschaft, um schnell einzugreifen. Jetzt während der Fußball-EM ist das SEK in voller Stärke im Einsatz. Als ein Problem während der EM wurden in den Planungen auch sogenannte „Nebenlagen“ gesehen, auf die man trotz des großen Personaleinsatzes rund um die Fußballspiele reagieren muss. Damit waren genau solche Situationen wie jetzt in Rahlstedt gemeint.