Hamburg. AfD will Olga Petersen ausschließen. Nun ist sie mit ihren Kindern untergetaucht. Was wird aus ihren Mandaten? Das schrieb sie dem Abendblatt.

Würde sich so eine Vokabel dieser Tage nicht verbieten, könnte man sagen: Olga Petersen führt gerade einen Zweifrontenkrieg. Auf der einen Seite gegen ihre (Noch-)Partei, die AfD. Die hat sie kürzlich aus ihrer Bürgerschaftsfraktion geworfen und will sie auch aus der Partei ausschließen, weil die 41-jährige Russlanddeutsche ihr zu rechts und zu putinfreundlich ist. Und auf der anderen Seite gegen die Hamburger Behörden, die offenbar einen kritischen Blick auf Petersens Kinder geworfen haben. Nun ist die mittlerweile fraktionslose Bürgerschaftsabgeordnete mit ihren zwei Söhnen und zwei Töchtern abgetaucht – dabei hat sie sich gerade neu in die Bezirksversammlung Harburg wählen lassen.

Ja, sie habe ihre Kinder ins Ausland gebracht, bestätigte sie jetzt eine Abendblatt-Anfrage über WhatsApp. „Unseren Aufenthaltsort darf ich aber aus Sicherheitsgründen nicht verraten.“ Berichte der russischen Nachrichtenagentur Tass, sie sei aus Deutschland nach Russland geflohen, da man ihr drei ihrer Kinder habe wegnehmen wollen, kommentierte Petersen nicht.

Schule Hamburg: Das Jugendamt wurde eingeschaltet

Hintergrund der möglichen Ausreise der im sibirischen Omsk geborenen Vierfachmutter: Bereits im Frühjahr soll die Schule eines der Kinder sich nach Abendblatt-Informationen an das Jugendamt gewandt haben, da der Junge einen problematischen Eindruck gemacht habe. Möglicherweise sei dies in der Zeit gewesen, als Petersen als private „Wahlbeobachterin“ nach Russland gereist sei (und die Putin-Wahl später als fair gelobt hatte), hieß es. Es soll dann auch mehrere Gespräche mit der Mutter über ihren Sohn gegeben haben. Der Junge soll zudem in der Schule erzählt haben, er müsse jetzt Russisch lernen, weil sie nach Russland fahren wollten. Zwar ist die Lage wohl nicht als so dramatisch bewertet worden, dass eine Inobhutnahme der Kinder im Raum stand. Gleichwohl scheint es einen offiziellen Vorgang dazu zu geben.

Ende Mai schrieb Petersen dann nach Abendblatt-Informationen Mails an die Schulen ihrer Kinder und meldete diese vom Unterricht ab. Das aber ist aufgrund der Schulpflicht nur möglich, wenn man gleichzeitig nachweist, dass die Kinder nun andernorts eine Schule besuchen. Da Petersen diesen Nachweis nicht erbrachte, leitete die Schule ein Absentismusverfahren ein und informierte auch die Polizei.

Schule Hamburg: Petersen meldete Kinder per Mail ab, Polizei wurde eingeschaltet

Zum konkreten Einzelfall gibt die Schulbehörde zwar keine Auskunft. Ihr Sprecher Peter Albrecht erläutert aber die generelle Regelung: „Da die Schulen die Einhaltung der Schulpflicht sicherstellen müssen, führt eine insbesondere mehrtägige Abwesenheit mehrerer Kinder einer Familie zu der Einleitung eines formellen Absentismusverfahrens bei der Rechtsabteilung der Schulbehörde und gleichzeitig einer Meldung bei der Polizei, die den Aufenthalt der Kinder festzustellen versucht.“ Eine Abmeldung seitens der Sorgeberechtigten zum Beispiel per Mail und ohne Nachweis einer aufnehmenden Schule an einem anderen Ort sei nicht ausreichend, so Albrecht. „Zieht eine Familie ins Ausland, wird das nur dann nicht als Schulpflichtverletzung gewertet, wenn die Sorgeberechtigten auch formell ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, sich also beim Einwohnermeldeamt ummelden.“

Das aber dürfte Olga Petersen nicht getan haben. Denn sobald sie ihren Wohnsitz offiziell ins Ausland verlegen und sich aus Hamburg abmelden würde, bekäme sie ein weiteres Problem: Sie verlöre nicht nur ihr Mandat in der Bürgerschaft, sondern auch das in der Bezirksversammlung Harburg. Wie einige andere AfD-Politiker sitzt Petersen nämlich in beiden und kassiert auch entsprechend Bezüge für beide Mandate.

Wahlen Hamburg: Petersen errang neues Mandat in der Bezirksversammlung Harburg

Und bei der jüngsten Wahl zu den Bezirksversammlungen hat sie in Harburg durch viele Personenstimmen erneut einen Sitz ergattert. Zwar laufen in Harburg noch Nachzählungen, aber es gilt als ausgesprochen unwahrscheinlich, dass Petersen dadurch ihr neues Mandat wieder verliert. Auf die Abendblatt-Frage, ob sie denn gedenke, ihr Mandat in Harburg anzunehmen, verwies Petersen darauf, dass die Ergebnisse bisher ja nur vorläufig seien.

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Nach der geltenden Rechtslage müssen Abgeordnete von Bürgerschaft und Bezirksversammlungen in Hamburg gemeldet sein. Jeder Wahlberechtigte kann bei der Bürgerschaftspräsidentin beantragen, dies zu überprüfen. Bisher hat es aber nicht den Anschein, als wolle Petersen selbst ins Ausland ziehen und sich aus Hamburg abmelden. Sie habe sich für die Bürgerschaftssitzung am Mittwoch dieser Woche ordnungsgemäß entschuldigt, hieß es aus dem Rathaus. Und sie habe sogar gerade neue schriftliche Kleine Anfragen eingereicht.

Bürgerschaft Hamburg: Petersen will offenbar weitermachen

Auf die Abendblatt-Frage, wie sie ihre (politische) Zukunft plane, schrieb Petersen jetzt: „Ich regel gerade die Sicherheit und Zukunft meiner Kinder. So bald das alles geregelt ist, bin ich auch wieder voll einsatzfähig.“ Auch zum Konflikt mit der Schule ihres Sohnes äußerte sich Petersen in einer WhatsApp-Nachricht an das Abendblatt. Es habe „tatsächlich Schwierigkeiten mit der Schule meines jüngsten Kindes“ gegeben, so Petersen. „Ich war besorgt über ihre Kritik an meiner Parteizugehörigkeit sowie darüber, dass bereits in der Grundschule ideologische Erziehung praktiziert und die Gendersprache verwendet wurde. Mein Sohn erzählte mir beispielsweise, dass nun alle Menschen ohne Geschlecht nicht mehr diskriminiert würden. Als ich nachfragte, wer genau damit gemeint sei, konnte er keine klare Erklärung liefern. Solche Situationen haben in der Vergangenheit zu Konflikten geführt.“ Die Schule habe jedoch nie mit ihr über Kindeswohlgefährdung gesprochen.

Was das Russischlernen angeht, so sei es ihr ursprünglicher Plan gewesen, ihren Kindern ihre Geburtsstadt Omsk zu zeigen. „Leider wurde dieser Plan durch die Pandemie und die nach dem 24. Februar gestrichenen Flüge durchkreuzt“, schreibt Petersen. „Um vor Ort mit Verwandten kommunizieren zu können, war es wichtig, dass die Kinder ihre Russischkenntnisse verbessern.“ Der 24. Februar 2022 war der Tag, an dem Russland die Ukraine überfiel.