Hamburg. Vor Amtsgericht Hamburg begann der Prozess mit aufsehenerregenden Details über den Drogenhandel hinter Gittern. Zeuge mit schusssicherer Weste.
- Drogenschmuggel wie im Krimi in Hamburger JVA
- Mutmaßlicher Schmuggler spricht über Praktiken
- Angeklagter wurde bereits wegen Drogenschmuggel verurteilt
Was nach einer Szene aus einer Krimiserie oder einem Spielfilm klingt, ist in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel offenbar Realität. Monatelang gelang es einem Häftling, Drogen erfolgreich in das Hamburger Gefängnis (Santa Fu) zu schmuggeln. Erst im Januar 2023 offenbarte der Mann das geheime Treiben. Am Donnerstag (6. Juni) standen vor dem Amtsgericht Hamburg nun zwei Männer vor Gericht. Ihnen wird eine gemeinschaftlich begangene Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen.
So soll der Gefangene C., der derzeit eine Haftstrafe in Fuhlsbüttel verbüßt, einen Mitinsassen, B., beauftragt haben, Bargeld, E-Zigaretten und das Rauschmittel Tilidin in die JVA Fuhlsbüttel (Santa Fu) zu schleusen. Wie die Staatsanwältin in der Anklageschrift erläutert, habe B. sich die Ware rektal eingeführt, so in die Anstalt geschmuggelt und dann an C. übergeben, der diese „gewinnbringend“ weiterverkauft haben soll. Am ersten Verhandlungstag äußerten sich die Beschuldigten nicht zu den Vorwürfen.
JVA Fuhslbüttel: Prozess um Drogenschmuggel – angeklagte Männer schweigen
Einer davon ist Santa Fu-Häftling C. Am Sitzungssaal im Strafjustizgebäude erscheint der 41-Jährige in Begleitung eines Justizbeamten. Er trägt eine schwarze Kapuzenjacke, darunter noch eine schwarze Cap, die er tief in die Stirn zieht. Ein dunkles Tuch verdeckt Nase und Mund, nur die Augen sind frei. Zu Beginn der öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hamburg legt C. nach Aufforderung des vorsitzenden Richters die Kopf- und Gesichtsbedeckung ab.
C. möchte an diesem ersten Prozesstag keine Angaben machen. Er bestreitet die Vorwürfe, wie er von seinem Anwalt verlauten lässt. Währenddessen ruhen seine Hände zusammengefaltet auf dem Tisch, der Blick richtet sich nach unten. Auch der zweite Angeklagte, der 37-jährige S., lässt von seinem Anwalt eine Erklärung vorlesen. So heißt es: „Der mir zu Last gelegte Tatvorwurf ist nicht zutreffend.“
Santa Fu: Mutmaßlicher Schmuggler B. hatte zunächst keine Sorge, erwischt zu werden
Laut Anklage soll C. im Oktober 2022 S. beauftragt haben, E-Zigaretten, Bargeld und etwa 90 bis 100 Milliliter flüssiges Tilidin, ein synthetisches Opioid, zu besorgen und in die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel zu schmuggeln. Zur Umsetzung soll C. den Kontakt zwischen S. und dem Mitgefangenen B. hergestellt haben, der gelegentlich die JVA für begleitete Ausgänge verlassen durfte.
So wie am 11. Oktober: B. fuhr zwischen acht und neun Uhr in Begleitung eines Justizbeamten zum Berliner Tor. Auf dem Weg dorthin habe er nach eigener Aussage von einer unbekannten Nummer per WhatsApp mitgeteilt bekommen, dass die bestellte Ware auf der Toilette des Berufsinformationszentrums deponiert worden sei. Ob das nicht risikoreich sei, fragt der Richter B., der am Donnerstag im Strafjustizgebäude als einziger Zeuge geladen ist. „Die Gefahr bestand natürlich, dass der Justizbeamte die Toilette vorher kontrolliert, hat er aber nicht“, sagt der 26-Jährige.
Weniger als fünf Minuten habe es nach Aussage B.s gedauert, sich sowohl E-Zigaretten und Tilidin rektal einzuführen. Die 50 Euro habe er in seinem Geldbeutel verstaut, diese seien seine Bezahlung für den Schmuggel gewesen. Die von C. mutmaßlich beauftragte Ware habe B. mittels Kondom und Gleitmittel in einer rund 100 Milliliter großen Mundspülungsflasche eingeführt. Das Tilidin habe B. dann anschließend in einem Topf in der Küche der JVA versteckt, einen Teil des Mittels will B. selbst konsumiert haben.
Prozess in Hamburg: Mitinsasse des Angeklagten hat auch Drogen in Ü-Eiern geschmuggelt
B., der am Donnerstag mit schusssicherer Weste auf dem Zeugenstuhl sitzt und von mehreren Personenschützern begleitet wird, war 2019 zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Zwischen Mai und Juni 2022 habe der 26-jährige nach eigener Aussage mit dem Schmuggel von Drogen für unterschiedliche Insassen in Fuhlsbüttel begonnen. Zu diesem Zeitpunkt habe er auch C. kennengelernt. So habe er auch in Überraschungseiern Dinge in die JVA geschleust – die Ware war an unterschiedlichen Toiletten deponiert, wie im McDonald‘s am Hauptbahnhof und der Europa Passage am Jungfernstieg.
- Jugendliche nach Ecstasy-Konsum: Statt Partystimmung kam der Tod
- Razzia: Häftling liefert „Drogenbaron“ von Santa Fu aus
- Santa Fu: Häftling sticht anderem Schere in den Hals
Warum C. ihn zum Schmuggel beauftragt haben soll? Der 41-Jährige benötige das Mittel gegen Rückenschmerzen, so lautet die Zeugenaussage von B., der nichts von dem mutmaßlichen Weiterverkauf in der JVA wusste. B. habe zunächst „kein gutes Gefühl“ gehabt, habe es im Auftrag des 41-Jährigen dennoch zweimal getan. Rund ein halbes Jahr später, im Januar 2023, machte der 26-Jährige dann Angaben zu seinem Schmuggel. Zunächst habe er C. in seinen Aussagen nicht belastet – aus Angst wie er vor Gericht aussagt. Auf Nachfrage der Staatsanwältin zu dieser Angst, begründet er: „Ich habe ihn als Choleriker kennengelernt, weiß, zu was er fähig ist und zu welcher Gruppe er gehört.“
Die Verhandlung wird am 14. Juni fortgesetzt.