Hamburg. Wolfgang Kubicki wundert sich über Reaktion auf das Sylt-Video. Warum er die Rechtsordnung vor allem durch Islamisten bedroht sieht.
Es ist erst wenige Tage her, da traf eine Empörungswelle die Insel Sylt. Auslöser war das Video einer feiernden Meute im Pony, die ein fremdenfeindliches Lied sang. Der Bundespräsident zeigte sich beunruhigt, Kanzler Olaf Scholz fand den Inhalt „widerwärtig und ekelhaft“. Die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas leitete aus dem Clip die Frage ab, wie die Demokratie weiter geschützt werden könne. Wolfgang Kubicki, Rechtsanwalt und FDP-Vize, hält im Gespräch mit dem Abendblatt dagegen.
Hamburger Abendblatt: Es ist eine Woche her, da lief Sylt auf allen Kanälen. Die Republik reagierte geradezu elektrisiert auf die rechtsradikalen Idioten im Pony. Sie auch?
Wolfgang Kubicki: Ich weiß nicht, ob es Rechtsradikale waren, Idioten waren es zweifellos. So dumm und ärgerlich diese fremdenfeindlichen Gesänge auch sind, konnte ich die Reaktion in Politik und Medien schwer nachvollziehen. Offenbar haben da manche ihre Vorurteile über Reiche, Sylt und Nazis ausgelebt. Ich bin seit 1972 auf der Insel und kann sagen: Das hat Sylt nicht verdient. Wir müssen aber die Kirche im Dorf lassen: Deutschland steht nicht vor einer Übernahme durch die Nazis.
Die Sylter Gröler wurden innerhalb von Stunden von der Netzgemeinde identifiziert, mit Namen und Arbeitgeber geoutet. Mehrere verloren ihre Jobs, die Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften hat einer der Hass-Sängerinnen ein zweimonatiges Hausverbot erteilt, eine Exmatrikulation wird geprüft. Was sagt der Jurist?
Das ist relativ klar: Mit der Exmatrikulation wird’s nichts werden. Es war einer der großen Erfolge der Einführung des Rechtsstaates, den Pranger abzuschaffen. Es erfüllt mich mit Sorge, dass manche, die sonst stets nach Datenschutz rufen, ihn jetzt mit Hingabe wieder einführen.
Der ZDF-Moderator Böhmermann fragte im Netz: „Wer und wo sind diese Leute?“
Zu Herrn Böhmermann möchte ich mich lieber nicht äußern. Nur so viel: Solche Leute tun der Gesellschaft und ihrem Zusammenhalt sicherlich keinen Gefallen.
Sollten die drei wichtigsten Vertreter der Republik – der Bundespräsident, die Bundestagspräsidentin und der Bundeskanzler – sich, wie geschehen, zu besoffenen Rich Kids äußern?
Sagen wir so: Das hat mich doch sehr gewundert. Aber im vermeintlichen Kampf gegen rechts wird alles unternommen. Das gilt nicht nur für die Politik, sondern auch für manche Medien, die immer aktivistischer werden. Die Menschen haben ein untrügliches Gespür für Verhältnismäßigkeiten. Die größere Gefahr geht von Leuten aus, die nach einem Kalifat rufen. Das bewegt auch mich viel mehr. Es hat sich eine echte Bedrohungslage aufgebaut, die keine Grenzen mehr kennt.
Sie meinen den Mord an dem Polizisten in Mannheim?
Ja. Mannheim ist ungleich schlimmer als Sylt – aber das scheinen nicht alle zu erkennen. Diesem Islamisten ging es darum, den Polizisten bewusst und aus Hass zu töten. Solche Untaten erschüttern das Vertrauen der Menschen in unsere Rechtsordnung massiv.
Das ist ein erschütternder Einzelfall …
Das sehen die Menschen anders: Im Regionalzug in Brokstedt hat ein Palästinenser 2023 zwei junge Menschen ermordet. Nach der Terrorwelle vom 7. Oktober haben Palästinenser den Mord an 1200 Menschen in Berlin gefeiert. Und in Hamburg gab es schon mehrere Demonstrationen für die Einführung eines Kalifats. Wir müssen eingestehen: In vielen Bereichen ist die Integration gescheitert.
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Was bedeutet das für die Politik?
Die Menschen erwarten klare Taten. Die Innenministerin Nancy Faeser muss endlich wahrnehmen, dass die größte Bedrohung vom Islamismus ausgeht. Wenn wir französische Verhältnisse in Deutschland verhindern wollen, müssen wir islamistische Vereine verbieten. Und wir müssen prüfen, ob Islamisten abgeschoben werden können. Man kann das Recht auf Asyl verwirken – das gibt die Europäische Menschenrechtskonvention wie die Genfer Flüchtlingskonvention her.