Hamburg. Hamburger bekam Bilder berühmter Politiker vom Modezar persönlich geschenkt. Nach 35 Jahren entdeckt er sie wieder. Wo man sie sehen kann.
- Der Hamburger Helmut Böger besitzt mehrere Skizzen aus der Feder von Karl Lagerfeld
- Darunter auch Zeichnungen von Politikern
- Wie Böger zu den Entwürfen des berühmten Modeschöpfers gekommen ist
Er hatte sie einfach vergessen. Vergessen, dass er die Bilder bei seinem Umzug Ende der 1980er-Jahre in dieser unscheinbaren, grauen Mappe verstaut hatte. Vergessen, dass er diese sechs Skizzen von einem berühmten Modedesigner geschenkt bekommen hatte und irgendwann aufhängen wollte.
Fast 35 Jahre lang stand die Mappe vergessen in einem Bücherregal, bis Helmut Böger (74) sie vor wenigen Wochen wiederentdeckte – und darin sechs unveröffentlichte Zeichnungen von Politikern aus der Feder von Karl Lagerfeld fand. Eine Rarität! Wie ein Hamburger, der sich nie für Mode interessierte, an die Bilder kam.
Karl Lagerfeld: Ausstellung mit unveröffentlichten Skizzen von deutschen Politikern
Als Helmut Böger die Geschichte erzählt, sitzt er in seinem Reihenhaus im Arbeitszimmer – auf einem Bett mit Eisengestell. Bis vor Kurzem war der Raum ein Kinderzimmer, jetzt ist es sein Büro. Mit Regalen bis unter die Decke, voll mit Büchern, Bildern, Pfeiffen, Skulpturen, Erinnerungsstücken. Ein Holzschnitt von Afrika, eine Büste von Marilyn Monroe, ein Teller mit der Aufschrift „Haben sie heute schon ihren Kanzler gelobt?“ Die Mappe steht auf dem Boden, an einen Regalpfosten gelehnt. Sie ist inzwischen leer.
Helmut Böger hat die Bilder der Buchhandlung Felix Jud übergeben. „Damit jeder sie sehen kann, nicht nur ich“, sagt der 74-Jährige. Ab 30. Mai sind die sechs Skizzen anlässlich der Einweihung der Karl-Lagerfeld-Promenade und im Rahmen einer Gedächtnisausstellung in der Buchhandlung Felix Jud (Neuer Wall 13) zu sehen.
Karl Lagerfeld malte Willy Brandt als Mephisto – und Helmut Kohl in schlanker Statur
Auf den Skizzen sind Helmut Schmidt, Willy Brandt, Herbert Wehner, Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher und Franz Josef Strauß zu sehen – allesamt in edlen Anzügen, in eleganter Pose. So, wie sich Karl Lagerfeld die namhaften deutschen Politiker der damaligen Zeit vielleicht gewünscht hätte. Er zeichnete Helmut Kohl in schlanker Statur und Willy Brandt als Mephisto.
„Da er selbst zu der Zeit in Frankreich lebte, verglich er die deutschen Politiker mit den französischen und äußerte sich sehr kritisch gegenüber der mangelnden Eleganz unserer Staatsvertreter“, erinnert sich Böger, der Lagerfeld Anfang der 1980er-Jahre in dessen Atelier in Paris besuchte.
Böger war damals Chefreporter der „Bunten“ und hatte von Hubert Burda den Auftrag bekommen, von Lagerfeld bekannte Politiker in eleganter Pose zeichnen zu lassen – „also so, wie man sie bisher nicht kannte“, sagt Böger. Er selbst habe sich nie für Mode interessiert, gibt er zu.
Hamburger Journalist reist zu Lagerfeld – und kauft sich vorher eine Hermès-Krawatte
„Als Journalist hatte ich viele Politiker interviewt, sogar den Bundeskanzler. Daher war Karl Lagerfeld nichts Besonderes für mich“, erinnert sich Böger. „Ich war mehr so eine Art Bote, der mit den Fotos von Schmidt, Brandt, Kohl, Wehner, Genscher und Strauß zu Lagerfeld nach Paris reiste und von dort mit den von ihm gefertigten Skizzen zurück nach Deutschland.“
Der Hamburger Journalist erinnert sich, wie Lagerfeld ihm die Fotos aus der Hand nahm und sofort zu zeichnen begann – und dabei ununterbrochen vor sich hin redete. Über Mode, Stil und Eleganz. „Ich weiß noch, dass ich froh war, mir vorab extra eine Hermès-Krawatte gekauft zu haben“, erzählt Böger und lacht.
Karl Lagerfeld war für Helmut Böger nur ein „Modefuzzi“
In der Erinnerung verschwimmt die Begegnung mit dem „Modefuzzi“, wie er ihn damals nannte, in einem Kaleidoskop aus Bildern. Das helle Atelier, ein schräges Pult mit großer Lampen. Das Kratzen von einem Stift auf Papier. Ein Eau de Toilette, das ihm Lagerfeld zum Abschied schenkte – und das in seiner Erinnerung schrecklich roch. „Für mich war das damals nur ein netter Ausflug, mehr nicht.“ Er habe ja nicht ahnen können, welche Bedeutung Lagerfeld einmal haben würde. Wie kostbar die Bilder einmal sein könnten.
In Bögers Arbeitszimmer reihen sich heute Aktenordner an Aktenordner, gefüllt mit Artikeln, die er geschrieben hat, die ihm wichtig waren. Der Artikel über Lagerfeld fehlt. „Um ehrlich zu sein“, setzt Böger an und macht eine Pause. „Um ehrlich zu sein, weiß ich noch nicht mal, ob der Artikel je erschienen ist. Es hat mich damals einfach nicht interessiert.“
Modedesigner malte deutsche Politiker so elegant, wie er sie sich gewünscht hatte
Aus diesem Grund habe er auch nie darüber nachgedacht, die Unikate zu behalten, sondern wollte sie an Lagerfeld zurückschicken. Doch das habe dieser abgelehnt und sie Böger geschenkt. „Ich hab damals noch in Bonn gearbeitet und viel über Politiker geschrieben. Daher hab ich vier von den Bildern gerahmt und im Büro aufgehängt“, sagt Böger und zählt auf: „Den Schmidt und den Brandt und den Kohl und den Strauß. War immer ein guter Aufhänger für Gespräche, wenn ein Politiker zum Interview da war“, erzählt der langjährige Reporter.
Als er von der „Bunten“ zur „Bild am Sonntag“ wechselte und sein Büro in Bonn räumte, nahm er die Lagerfeld-Bilder aus den Rahmen und verstaute sie für den sicheren Transport in einer Kunstmappe. Er wollte sie irgendwann später wieder aufhängen. Doch dann geriet die Mappe mit den Skizzen in Vergessenheit.
Unbekannte Lagerfeld-Skizzen in Hamburg in Gedächtnisausstellung gezeigt
Wie ein vergessener Schatz. So habe er sich gefühlt, als er die Bilder nach fast 35 Jahren wiederentdeckt habe. „Hab sie gleich meiner Frau gezeigt, die sich noch genau daran erinnern konnte“, sagt Böger, dem sofort klar war, dass er die Bilder der Öffentlichkeit zugänglich machen muss.
Als er davon hörte, dass anlässlich des fünften Todestages von Lagerfeld auf Initiative des Abendblatts und der Buch- und Kunsthandlung Felix Jud am Alsterfleet ein 155 Meter langer Abschnitt in „Karl-Lagerfeld-Promenade“ umbenannt werden soll, nahm er Kontakt zu dem Buchladen auf, den Lagerfeld selbst liebevoll sein „intellektuelles Delikatessengeschäft“ nannte. Einmal, so heißt es, soll der Modeschöpfer von einem Schaufenster so begeistert gewesen sein, dass er rief: „Ich kaufe alles!“
In Hamburg: Karl-Lagerfeld-Promenade wird fünf Jahre nach seinem Tod eingeweiht
Für Robert Eberhardt, Geschäftsführer von Felix Jud, ist es nichts Ungewöhnliches, dass ihm Bilder von Lagerfeld angeboten werden. „Bei vielen handelt es sich aber um Fälschungen, daher lehnen wir die meisten Sachen ab“, so der Geschäftsführer der Traditionsbuchhandlung. Bei den Exemplaren von Helmut Böger sei das aber anders gewesen.
„Daher waren wir begeistert, dass wir diese im Rahmen unserer Gedächtnisausstellung zeigen dürfen“, so Eberhardt. Etwa 60 Exponate werden vom 30. Mai bis 13. Juli gezeigt – darunter viele Bilder, Fotos und Bücher, aber auch ein Jackett und Handschuhe des Modeschöpfers.
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Die Ausstellung wird am Donnerstag gegen 14 Uhr eröffnet. Am selben Tag, um 11.30 Uhr, wird auch die Karl-Lagerfeld-Promenade eingeweiht, mit der Hamburg den berühmten Modedesigner ehrt. Der rund 150 Meter langer Abschnitt des Fuß- und Wanderwegs am Alsterfleet in der Hamburger Neustadt wird von Kultursenator Carsten Brosda, Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer sowie Vivian Hecker vom Hamburger Abendblatt und Robert Eberhardt von der Buchhandlung Felix Jud eingeweiht, die die Benennung initiiert haben.
Die seit langer Zeit vergriffenen Hamburger Abendblatt Collector‘s Edition „Karl Lagerfeld“ ist neu aufgelegt und erweitert worden und für 10 Euro/Treue-Preis 8 Euro in unserer Geschäftsstelle am Großen Burstah 18–32 oder online shop.abendblatt.de erhältlich.