Hamburg. Hamburgs Linke für mehr dezentrale Angebote. Ausschuss diskutiert heute über teilgeschlossenes Heim in Groß Borstel – ist das die Lösung?
Nachdem es im Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK) vor Kurzem zu brutalen Szenen gekommen ist, weil zwei Mädchen dort nachts randalierten und eine Mutter angriffen, sie und ihren neun Jahre alten Sohn bedrohten und nach draußen verfolgten, nimmt nun auch die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft den Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) der Stadt ins Visier, in dem die Mädchen untergebracht sind. Es brauche dezentrale Jugendhilfe statt Großeinrichtungen, fordert sie.
Etliche schriftliche Senatsanfragen der Linksfraktion hätten deutlich gezeigt: Hamburgs Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) sei eine überfüllte Masseneinrichtung: Es komme regelmäßig zu Gewaltvorfällen, Fachkräfte seien überlastet und beklagen selbst eine fehlende fachgerechte Betreuung, heißt es am Dienstag von der Linksfraktion. „Die Vorfälle im Kinderkrankenhaus sind weitere Symptome des maroden Jugendhilfesystems“, sagt Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus. Sie wünsche sich vom Senat ein grundsätzliches Umdenken.
Nach Gewalt in Kinderklinik: kleine Wohngruppen statt Großeinrichtungen gefordert
„Der Vorfall im Kinderkrankenhaus muss dringend ein Nachdenken auslösen: Was hätten wir anders machen müssen, damit kein Kind zu solcher Gewalt greift?“ Für sie sei klar: Alle Kinder sollten in einer vertrauten Umgebung mit stabilen Beziehungen leben und den Raum für individuelle Entwicklung bekommen. „Wir brauchen eine dezentrale und gut ausfinanzierte Kinder- und Jugendhilfe, keine geschlossenen Unterkünfte und Großeinrichtungen“, so Boeddinghaus. Auch die pädagogische Fachwelt sei sich einig, dass Großeinrichtungen nicht das Kindeswohl befördern, so die Linkenpolitikerin.
Im Familienausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft wird am heutigen Dienstag über die Errichtung der teilgeschlossenen Einrichtung ‚Casa Luna‘ für Kinder mit psychiatrischen Bedarfen beraten. Seit Jahren gibt es teils heftige emotionale Diskussionen über die Planungen für eine neue Einrichtung am Klotzenmoorstieg in Groß Borstel. In das dort angedachte Kinderheim Casa Luna sollen laut Sozialbehörde „Kinder mit besonderem pädagogischen und psychiatrischen Betreuungsbedarf“ einziehen. Es soll 2027 fertiggestellt werden und 16 schwerstbelasteten Kindern mit psychischen Störungen und Erkrankungen ein Zuhause auf Zeit geben.
Jugendhilfe: teilgeschlossene Einrichtung in Groß Borstel umstritten
Das geplante therapeutische Angebot in einer „heilenden Architektur“ ist breit. Kritik kommt von Anwohnern, aber in einem Punkt auch von Pädagogen: In einem Trakt im Obergeschoss sollen einige der Kinder geschlossen untergebracht, also zeitweise eingeschlossen werden können. Die Sozialbehörde hat in der Vergangenheit betont: Es handelt sich nicht um eine geschlossene Einrichtung.
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Ein Betreuungsschlüssel von drei Fachleuten pro Kind solle dazu beitragen, dass auch Kinder, die einen entsprechenden familiengerichtlichen Beschluss nach Paragraf 1631b (Bürgerliches Gesetzbuch) erhalten haben, ohne Einschluss untergebracht werden können. Dabei geht es vor allem um Kinder, die eine Gefährdung für sich selbst und andere sind. Für diese kleine Gruppe besonders schwer belasteter Kinder gebe es weder in Hamburg noch bundesweit ausreichende Angebote, sodass diese zwischen Einrichtungen der Psychiatrie und Jugendhilfe wechseln, in anderen Bundesländern untergebracht werden müssen oder über längere Zeit überhaupt keine passende Einrichtung für sie gefunden werden kann.
Linken-Fraktionschefin Boeddinghaus wendet sich gegen die Pläne: Sie spricht von „einer weiteren Unterbringung, die Kinder von deren Lebenswelt separiert“.