Norderstedt. Das erste Gefährt gewann Ulrich Kiesow in einem Preisausschreiben. Seither ist der E-Roller nicht mehr aus seinem Leben wegzudenken.
In seinem Leben war Ulrich Kiesow (75) schon zwölf Jahre lang bei der Bundeswehr als Waffenmeister und Oberfeldwebel, ist ausgelernter Schriftsetzer und hat eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer beendet. Auch Ehemann und Vater wurde er, und vor einigen Jahren hat Kiesow noch eine neue Leidenschaft entwickelt: Er ist passionierter E-Scooter-Fahrer. Als der Rentner mit Anfang 70 seinen ersten E-Roller bei einem Discounter-Preisausschreiben gewann, reagiert sein Umfeld eher verhalten. „Die haben immer gesagt: Bist du nicht ganz dicht?“, erzählt der Senior aus Norderstedt amüsiert. Doch Kiesow ließ sich nicht beirren: Als der erste, gewonnene Scooter kaputtging, kaufte er sich einen neuen.
Eine brenzlige Situation oder einen Unfall hatte Kiesow auf seinem E-Scooter noch nicht. Er fahre immer auf der richtigen Seite des Radweges und nicht auf Straße. Auch nach ein paar Drinks oder zu zweit war Kiesow noch nie im Straßenverkehr auf seinem Roller unterwegs. „Alle Sicherheitsmaßnahmen, die man treffen sollte, treffe ich auch.“ Dass viele Menschen sich im Umgang mit mietbaren E-Scootern nicht korrekt verhalten, findet der 75-Jährige frustrierend. Wieso die Scooter deswegen in Gelsenkirchen bereits verboten wurden, kann er gut nachvollziehen.
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„Die Scooter in die Elbe, irgendeinen See oder von einer Brücke zu schmeißen, das gehört sich nicht: nicht für Jugendliche, nicht für Alte“, erklärt Kiesow. Die Verantwortung, solch ein Fehlverhalten zu ahnden, sieht er bei den Sharing-Anbietern wie Tier, Lime und Bolt selbst. Obwohl er ein vollständiges Verbot der Sharing-Scooter nicht für sinnvoll hält, muss sich seiner Meinung nach das Verhalten der E-Scooter-Mieter ändern: „Sie haben ja nur die Chance, dass das nicht verboten wird, wenn sie sich an die Regeln halten.“
Die Begeisterung für E-Roller teilt der Rentner mit seinem Sohn. Der 25-Jährige interessiert sich selbst sehr für Technik und hält auch seinen Vater auf dem neusten Stand, berichtet Kiesow. „Aber das meiste schaffe ich alleine“, betont der 75-Jährige. „Alles, was es hier an Leuchten und Steckdosen gibt, ist mit Alexa verbunden.“ Sogar die Glühbirne über dem Esstisch in dem Reihenhaus in Norderstedt wird nach einem Hinweis an die virtuelle Amazon-Assistenz eingeschaltet.
Schon in den späten 1990er-Jahren sei er einer der Ersten gewesen, der einen Computer mit Windows 3.1 hatte, berichtet der Rentner. Gemeinsam mit seinem Neffen habe er sich damals viel mit Technik beschäftigt. „Wir haben uns dann ergänzt. Was ich nicht wusste, wusste er, und umgekehrt.“ Auch heute hätten die beiden noch Kontakt, „damit man eben nicht einrostet“. Jeden Tag verbringt der 75-Jährige außerdem Zeit am Computer, um in Sachen Technik und Internet am Ball zu bleiben.
Mit dem eigenen E-Scooter zum Job im Baumarkt
Mehrmals die Woche fährt der 75-Jährige nun mit dem eigenen E-Scooter zu seinem Job im nahe gelegenen Baumarkt oder macht Erledigungen in Norderstedt. „Im Regen natürlich nicht, dann hab ich noch ein Auto“, erzählt Kiesow. Auch, dass er damit etwas Gutes für die Umwelt tut, gefällt ihm. Den E-Scooter hat er seit zwei Jahren und kann damit sogar Geschwindigkeiten von bis zu 20 Kilometer pro Stunde erreichen. „Richtig rasant“, findet der Rentner.
Zur Sicherheit trägt er bei seinen Fahrten immer einen Helm. „Ich hab aber keine Schoner“, erklärt der 75-Jährige und weist auf Knie und Ellenbogen. Im Straßenverkehr stören ihn an erster Stelle nicht die Autos, sondern Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer, die auf der falschen Seite des Radweges unterwegs sind. „Wenn ich dann noch mal hinterherrufe, dann bekommt man noch eine dumme Antwort.“
Senior unternimmt Ausflüge mit E-Scooter statt Fahrradtouren
Da sein E-Scooter eine Reichweite von rund 20 Kilometern hat, macht Kiesow auch gelegentlich Ausflüge in die Natur mit seinem Roller. „Das ist herrlich“, findet der 75-Jährige. Manchmal fährt er in Richtung Neumünster eine kleine E-Scooter-Tour, meistens nutzt er seinen Roller aber im Alltag. Zweimal die Woche fährt er damit zu seinem Baumarkt-Job und ist sogar schneller da, als wenn er sein Auto nehmen würde.
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Vor allem Stau und Verkehr würden ihn auf seinem Scooter nicht aufhalten. Mit dem E-Roller könne er quasi direkt bis an die Säge fahren, an der er schon seit Jahren Holz für die Baumarktkunden zuschneidet. Dass E-Scooter nur etwas für junge Leute sind, findet der 75 Jahre alte Rentner nicht. „Wenn man gesundheitlich noch in Ordnung ist, kann man auch im Alter damit fahren“, sagt Kiesow. „Wenn ich irgendwelche Maleschen mit den Füßen und Beinen habe und kann nicht mehr stehen, dann wird es gefährlich.“