Hamburg. Kommission soll Hamburger Verfassungs-, Rechts- und Staatsstrukturen auf ihre Wehrhaftigkeit prüfen. Warum SPD und Grüne dagegen sind.
Im Rahmen der Debatte, ob angesichts des Erstarkens des Rechtsextremismus das Bundesverfassungsgericht besser vor möglichen Entmachtungsversuchen geschützt werden muss, fordert die Hamburger Linken-Fraktion nun, dass auch die Hansestadt sicherstellen müsse, genügend gewappnet zu sein. Der rot-grüne Senat solle eine „Kommission zur Prüfung demokratischer Resilienz“ einrichten, heißt es in einem Bürgerschaftsantrag der Abgeordneten um die Linken-Fraktionschefinnen Cansu Özdemir und Sabine Boeddinghaus.
„Es wäre fatal, wenn demokratische Strukturen, die einst zur Sicherung einer demokratischen Ordnung geschaffen worden sind, nun selbst zur Achillesferse der Demokratie würden“, sagt die Linken-Fraktion. Die von ihr geforderte Kommission soll die „hamburgischen Verfassungs-, Rechts- und Staatstrukturen auf systemische Lücken ihrer Wehrfähigkeit im Hinblick auf mögliche autoritäre Delegitimierungs- und Destabilisierungsversuche“ sichten und „Vorschläge zur Stärkung und Absicherung der demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen“ erarbeiten. Ihren Antrag bringt die Linken-Fraktion am heutigen Mittwoch in die Bürgerschaft ein.
Bürgerschaft Hamburg: Warum SPD und Grünen den Linken-Antrag ablehnen
Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen teilten vor der Debatte auf Abendblatt-Anfrage mit, sie lehnten den Antrag der Linken-Fraktion ab. „Denn Rot-Grün ist bereits einen Schritt weiter“, sagte Urs Tabbert, justizpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. „Wir beobachten die Lage und das Verhalten der AfD sehr genau. Der Blick nach Polen oder Ungarn zeigt, dass demokratisch gewählte Regierungen, die eine autoritäre Regierungsform anstreben, zunächst die Gerichtsbarkeit und den Rundfunk unter ihre Kontrolle bringen wollen. Wir stehen deshalb im engen Austausch mit dem Senat sowie anderen SPD-Fraktionen in den Landtagen und dem Bundestag.“
Tabbert: „Wir haben schon heute alle Möglichkeiten, und auch wichtige Hinweise liegen bereits auf dem Tisch – etwa durch die Arbeit des mit dem Theodor-Heuss-Preis prämierten Thüringen-Projekts des Verfassungsblogs. Es gilt jetzt, noch bestehende Einfallstore zu schließen.“ Dafür brauche es eine „Bündelung der demokratischen Kräfte“, aber „keine Kommission, über deren Zusammensetzung sich die Links-Fraktion ausschweigt“, so der SPD-Abgeordnete.
Bürgerschaft Hamburg: Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum wehrhaften RechtSstaat eingesetzt
Lena Zagst, Sprecherin für Verfassung der Grünen-Fraktion Hamburg, äußerte sich ähnlich. „Vor dem Hintergrund des dramatischen Rechtsrucks ist es wichtig, dass wir auf verschiedenen Ebenen den Rechtsstaat stärken und vor Extremisten schützen. Allerdings ist das Instrument einer eigenen Kommission, wie von der Linken gefordert, dafür nicht notwendig.“ Viel wichtiger seien langfristige Initiativen und Maßnahmen sowie eine enge Koordination mit anderen Bundesländern, so die Grünen-Abgeordnete. „Der Hamburger Senat ist bundesweit wichtiger Impulsgeber und Antreiber bei diesem Thema. Justizsenatorin Anna Gallina setzt sich seit Langem auf Bundesebene für den Schutz des Rechtsstaats ein.“
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Unter Hamburger Federführung sei im vergangenen Jahr die Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Justizminister zum wehrhaften RechtSstaat eingesetzt worden. Und Anna Gallina habe die Obleute aller demokratischer Fraktionen im Justizausschuss zu einem gemeinsamen Dialog Ende Mai eingeladen, „bei dem der wehrhafte Rechtsstaat im Fokus stehen“ werde, sagte Zagst.