Hamburg. Polizei ermittelt gegen berüchtigte Gruppen vom Jungfernstieg. Beschuldigter war erst 14 Jahre alt. Neue Details zum Hauptverdächtigen.
Nach der Identifizierung eines 15-Jährigen, der im Januar dieses Jahres am Ballindamm eine Transfrau (19) beleidigt und attackiert hatte, prüfen Ermittler der Soko „Alster“, ob der Jugendliche zu einer der berüchtigten Gruppierungen gehört, die im Bereich Jungfernstieg durch Straftaten auffielen. Der Jugendliche, der zum Tatzeitpunkt noch 14 Jahre alt war, passt vom Profil her hinein: Wie die meisten der in dem Bereich auffällig gewordenen Jugendlichen und Heranwachsenden hat er einen Migrationshintergrund, ist polizeibekannt und lebt in einer Wohnunterkunft.
Es sind Gruppen wie die 315er und eine weitere Gruppierung namens 1920er, wegen der die Polizei im vergangenen Jahr die Soko „Alster“ gründete. Was bislang über die Banden bekannt ist, zeigt die Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der CDU, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt. „Die bislang der Gruppe zuzuordnenden Mitglieder haben die afghanische, syrische und kolumbianische Staatsangehörigkeit. Im Übrigen liegen den Strafverfolgungsbehörden keine gesicherten Erkenntnisse zu der Anzahl und den Personen der Gruppenmitglieder vor“, heißt es dort zu den 315ern.
Polizei Hamburg: Gruppe hatte die 19-Jährige verfolgt und zu Boden getreten
So ist bislang unklar, ob der mittlerweile 15-jährige Tatverdächtige vom Ballindamm dazugehört. Der aus Syrien stammende Jugendliche hatte nach Erkenntnissen der Polizei am 17. Januar die 19 Jahre alte Transfrau zunächst mit sieben weiteren Jugendlichen beleidigt. Die Gruppe war ihrem Opfer gefolgt. Der damals 14-Jährige gilt dabei als Haupttäter. Er soll dem Opfer in den Rücken gesprungen sein. Als die Transfrau zu Boden stürzte, trat er auf sie ein.
Der Jugendliche hatte bereits mehrfach mit der Polizei zu tun. Er ist wegen Drogendelikten, Diebstahls und Körperverletzungsdelikten bekannt. Als Intensivtäter wird er bislang nicht geführt. Am 16. April hatten Polizisten die Wohnung, in der der Jugendliche mit seiner Mutter lebt, durchsucht. Der 15-Jährige blieb auf freiem Fuß.
„Rädelsführer“ der 315er aus Hamburg hat noch eine Aufenthaltserlaubnis bis August
Mehr ist dagegen mittlerweile über einen 18-jährigen Amir N. bekannt, der als Rädelsführer innerhalb der 315er-Gruppierung gilt und vor knapp zwei Wochen verhaftet wurde. Der Afghane, der aktuell in der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand einsitzt, war am 22. September 2015 nach Deutschland gekommen, wie der Senat auf die Anfrage von CDU-Oppositionschef Dennis Thering mitteilt. Seit Mitte Oktober 2016 genießt er Flüchtlingsstatus. In Hamburg wird er erst seit Oktober 2022 registriert. Er hat sich vorher aber bereits in der Hansestadt aufgehalten. Denn schon seit dem 17. Mai 2022 wird er wegen der vielen ihm zugerechneten Straftaten bei der Polizei als Intensivtäter geführt. Seine aktuelle Aufenthaltserlaubnis endet am 4. August. Ob er den Flüchtlingsstatus behält, entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz Bamf.
Hier hakt Dennis Thering ein: „Es stellt sich die Frage, weshalb sich der Festgenommene noch immer in Deutschland aufhält, wenn er bereits seit fast zwei Jahren als Intensivtäter ausgeschrieben ist“, so der Fraktionschef der CDU in der Bürgerschaft. Er hält es angesichts des Hintergrunds des Problemklientels für geboten, dass nicht nur strafrechtliche, sondern auch ausländerrechtliche Möglichkeiten „konsequent“ ausgeschöpft werden sollten.
Mitglieder der Jugendbande leben über Hamburg verstreut
Neben Amir N. hatte die Polizei bei weiteren Mitgliedern der Gruppierung 315er Unterkünfte in den Stadtteilen Billstedt, Eidelstedt, Finkenwerder, Stellingen, Tonndorf, Rahlstedt und Wandsbek durchsucht. In einem Fall wurde ein Durchsuchungsbeschluss in Berlin vollstreckt. Die Durchsuchungsorte untermauern, was die Polizei über die Gruppen herausgefunden hat: Die Mitglieder stammen nicht nur aus dem Bezirk Mitte, sondern leben verstreut über die Stadt vornehmlich in Wohnunterkünften. Den Jungfernstieg erreichen sie in der Regel mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
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Der Tatvorwurf zeigt, dass sich die Gruppierung längst vom Status einer problematischen Jugendgruppe in Richtung „organisierte Bandenkriminalität“ entwickelt hat und ins Drogengeschäft eingestiegen ist. Laut Zeugenaussagen soll die Gruppierung minderjährige „Läufer“ mit Betäubungsmitteln ausstatten, damit sie diese für sie verkaufen. Die Ermittlungen durch das Rauschgiftdezernat zu diesem Punkt dauern an. Amir N. wird von der Staatsanwaltschaft schwerer Raub, gefährliche Körperverletzung, Nötigung und Bedrohung sowie gewerbsmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln vorgeworfen.
Am Jungfernstieg selbst ist es aktuell ruhig. Das liegt vor allem an der aktuell kühlen Witterung. Mit steigenden Temperaturen, davon geht man bei der Polizei aus, werden die Gruppierungen wieder in dem Bereich präsenter sein.