Hamburg. In keiner deutschen Metropole ist die Quote der Betroffenen so hoch. Die Wohlfahrtsverbände fordern von der Stadt einen eigenen Aktionsplan.
In sechs Jahren sollen Obdach- und Wohnungslosigkeit überwunden sein – so das Ziel der EU und ihrer Mitgliedsstaaten. Der Entwurf eines Nationalen Aktionsplans des Bundeskabinetts geht den Hamburger Wohlfahrtsverbänden nicht weit genug. „Der politische Wille ist zwar formuliert, es fehlen aber konkrete Maßnahmen, mit denen das Ziel erreicht werden kann“, heißt es von der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (AGFW). Hamburg brauche einen eigenen Plan.
„Die entscheidenden Schritte zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit müssen in den Kommunen gegangen werden“, sagt Sandra Berkling, stellvertretende Geschäftsführerin der AGFW. In den Kommunen werde gebaut, dort fände die Vermittlung in Wohnraum statt. „Um die Zielmarke 2030 zu erreichen, muss Hamburg deshalb einen eigenen Maßnahmenplan vorlegen“, sagt Sandra Berkling.
Hamburger Wohlfahrtsverbände: Sozialer Wohnungsbau von anteilig 50 Prozent
Der Senat müsse „konkrete Zwischenziele und Maßnahmen definieren sowie ein Monitoringsystem entwickeln“. Einer der Schlüsselfaktoren zur Erreichung des Ziels bis 2030 sei die Bereitstellung von erschwinglichem Wohnraum. Der Anteil des sozialen Wohnungsbaus soll auf 50 Prozent erhöht werden, fordert die AGFW. Dieser soll vor allem bedürftigen Menschen zugutekommen. Über ein Monitoringsystem sollen bestimmte Kennzahlen, wie zum Beispiel der Rückgang der Wohnungslosigkeit im Verhältnis zur jährlichen Zielzahl, beobachtet werden.
Auch sozialpolitische Maßnahmen seien wichtig. Dazu zähle der Ausbau sozialer Beratungsstellen, die Stärkung der Straßensozialarbeit sowie die Zugänglichkeit von sozialen Sicherungen für nicht deutsche Wohnungslose, heißt es von der AGFW. „Die Aufgabe, grundlegende Weichenstellungen zur Überwindung von Obdach- und Wohnungslosigkeit vorzunehmen, ist eine große Herausforderung, der sich Politik und Zivilgesellschaft gemeinsam stellen sollten.“
Wohnungslosigkeit in Hamburg: Höchste Quote unter den Großstädten
Hamburg sei die Hauptstadt der Wohnungslosen, heißt es von der AGFW. Das geht aus aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor. 32.285 untergebrachte wohnungslose Menschen lebten Ende Januar 2023 in Hamburg. Mit 1706 Wohnungslosen pro 100.000 Einwohner weist die Hansestadt die höchste Quote unter den Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern auf. „Die Wohnungslosenquote in Hamburg ist aktuell etwa so hoch wie 1950, kurz nach den Zerstörungen des Krieges. Es ist höchste Zeit zu handeln“, sagt Sandra Berkling.
Zu unterscheiden sind öffentlich-rechtlich untergebrachte Wohnungslose von auf der Straße lebenden Obdachlosen. Zwischen 2009 und 2018 habe sich die Anzahl der Obdachlosen auf Hamburgs Straßen laut einer Befragung um 86 Prozent auf 1910 Personen fast verdoppelt.
Seit 2011: Neubau von jährlich 10.000 Wohnungen Ziel des Senats
Einige Maßnahmen habe der Hamburger Senat in den letzten Jahren bereits umgesetzt. Seit 2005 wurde das System zur Prävention von Wohnungsverlusten mit Fachstellen gestärkt. 2011 hat Hamburg eine viel beachtete Wohnungsoffensive auf den Weg gebracht. Ziel ist der Neubau von 10.000 Wohnungen jährlich.
„In den Jahren 2011 bis einschließlich 2022 wurden Genehmigungen für 126.818 Wohnungen von den Bezirken erteilt“, heißt es vom Senat. Außerdem wurde das Winternotprogramm ausgeweitet und weiterentwickelt. Trotzdem ist die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen gestiegen.
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Das Ziel, bis 2030 die Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu überwinden, geht auf eine Resolution des EU-Parlaments aus dem Jahr 2020 zurück. SPD, Grüne und FDP haben sich 2021 im Koalitionsvertrag auf dieses Ziel geeinigt.
In dem Entwurf eines Nationalen Aktionsplans des Bundeskabinetts werden unter anderem folgende Leitlinien formuliert: Die Beteiligten arbeiten zusammen, damit jede wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Person bis 2030 ein passendes Wohnangebot erhält. Mithilfe von Präventionsmaßnahmen werde „Wohnungslosigkeit, wann immer möglich, vermieden“. Sollte es nicht vermieden werden, greife der Rechtsanspruch auf ordnungsrechtliche Unterbringung.