Hamburg. Aktuell gibt es nur sehr wenige städtische Anlagen, die E-Autos in kurzer Zeit „volltanken“ können. Das soll sich aber bald ändern.

Wer wissen will, wie es um die Elektromobilität in Hamburg bestellt ist, sollte mal etwas in einschlägigen Internetforen blättern. Dort lassen Nutzer andere an ihren Erfahrungen mit E-Autos und der für ihren Betrieb nötigen Infrastruktur teilhaben. Die Wortmeldungen fallen für die Hansestadt im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands zwar durchaus positiv aus. Mitunter sind aber auch recht ernüchternde Kommentare zu lesen, die klassische „Laternenparker“ kaum dazu bewegen dürften, in nächster Zeit vom Verbrenner aufs Elektroauto umzusteigen.

E-Autos in Hamburg: Erste Ladesäulen kamen 2009 in Betrieb

Angefangen mit frei zugänglichen Ladeplätzen hat die Stadt im Jahr 2009. Drei Jahre später gab es schon 50 Anlagen im öffentlichen Straßenraum, heute zählt man 784 städtische Ladesäulen mit in der Regel jeweils zwei Ladepunkten. Ziel des Senats ist, das städtische Angebot bis zum Jahr 2025 auf mindestens 1000 Säulen mit 2000 Ladepunkten auszubauen. Weitere öffentlich zugängliche Ladepunkte privater Anbieter sollen parallel hinzukommen, die Ausschreibungen dazu laufen bereits.

Hamburg: Nur 14 schnelle E-Lader funktionieren derzeit

Was auf dem Papier zunächst gut klingt, erweist sich für viele Nutzer in Hamburg nicht immer als ausreichend. Ein Grund: Die maximale Ladeleistung der meisten städtischen Säulen beträgt nur 22 kW. Es gibt derzeit 729 solcher Wechselstromanlagen (AC) mit Typ-2-Stecker. Tatsächlich beziehen viele moderne E-Autos an solchen – oft in der Parkdauer auf drei Stunden begrenzten – Ladepunkten sogar nur 11 kW oder weniger, da ihr Onboard-System für Wechselstrom mit Blick auf heimische Wallboxen gar nicht größer ausgelegt ist. Der Grund: Diese Modelle könnten via CCS-Stecker abseits der heimischen Garage viel höhere Ladeströme aufnehmen. Doch dafür sind leistungsfähige Schnellladesäulen mit Gleichstrom (DC) notwendig – und davon gibt es in städtischer Regie erst 14, die wirklich funktionieren.

Hamburg hat riesige Probleme mit Ladesäulen von Tritium

Als der australische Hersteller Tritium vor fast einem Jahrzehnt die Ausschreibung von Stromnetz Hamburg gewonnen hatte, um 52 Schnelllader mit 50 kW Gleichstrom in der Hansestadt zu installieren, waren die Verantwortlichen davon überzeugt, einen guten Deal gemacht zu haben. Doch dauerte es nicht lange, bis erste Nutzer Probleme meldeten. Viel gebessert hat sich im Laufe der Jahre mit der Tritium-Lösung nicht, im Gegenteil. So notierte ein E-Auto-Fahrer im Jahr 2023, wie es um die DC-Ladesäule in seiner Eimsbütteler Nachbarschaft bestellt war: „Hatte ich Glück und es floss Energie in die Batterie, blinkte das Bedienfeld wild und bunt. Mich erinnerte das an die Glücksspielautomaten mit den drei Scheiben in den Eckkneipen. Hatte man Pech, musste man die telefonische Hotline des Betreibers kontaktieren. Entweder kam ich nicht durch, landete auf einem Anrufbeantworter – oder die Mitarbeiter zeigten maximales Desinteresse an meinem Problem.“

Heute weiß man, dass die städtische Stromnetz Hamburg GmbH zumindest bei den 50-kW-Ladern von Tritium aufs völlig falsche Pferd gesetzt hatte. Es gibt aktuell zwar noch 39 davon im gesamten Stadtgebiet, doch sind alle inzwischen außer Betrieb. Ansonsten waren im ersten Quartal des Jahres 116 Ladesäulen für verschiedene Zeiträume defekt. Dabei habe es sich aber „üblicherweise um kleine und sehr kurzfristige Ausfälle“ gehandelt, zum Beispiel durch ausgelöste Schutzeinrichtungen. Das geht aus einer aktuellen Senatsantwort auf eine schriftliche Anfrage der CDU-Fraktion hervor, die dem Abendblatt vorliegt.

„Elektroschrott“: 39 Ladesäulen nicht mehr zu retten

Hauptursache bei den Problemen mit den Tritium-Anlagen seien konstruktionsbedingte Kabelbrände innerhalb der Geräte. „Eine nachhaltige und tragfähige Lösung der technischen Probleme konnte vonseiten des Herstellers bis heute nicht angeboten werden“, heißt es vom Senat dazu. Richard Seelmaecker, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, fordert deshalb: „Wenn sich diese Lader nur noch als Elektroschrott entpuppen, müssen sie endlich auf den aktuellen technischen Stand gebracht werden.“

Neue Ladesäulen in Hamburg sollen auf 150 kW kommen

So soll es nun kommen. Stromnetz Hamburg wird sich um den Ersatz allerdings nicht mehr kümmern. Hintergrund ist die Strombinnenmarktrichtlinie der Europäischen Union, die es Netzbetreibern ab 2024 untersagt, eigene Ladesäulen zu besitzen. Deshalb hat Hamburg nun ein anderes, ebenfalls städtisches Unternehmen damit beauftragt: die Hamburger Energiewerke Mobil GmbH (HEnW Mobil). Ihr erklärtes Ziel ist, die Pannen-Ladesäulen baldmöglichst „durch leistungsstarke und zuverlässige HPC-Ladesäulen mit bis zu 150 kW Ladeleistung zu ersetzen“. Allerdings ist auch das inzwischen keine Technik-Revolution mehr, private Betreiber bieten in Hamburg heute schon das Doppelte an, zumindest auf dem Papier. Wie viel Strom dann wirklich fließt, hängt vom Fahrzeug, der Belegung der umliegenden Ladepunkte sowie dem jeweiligen Akkustand ab.

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„Wir sehen in der Elektrifizierung des Verkehrssektors einen Megatrend, der sich durchsetzen wird. Und sind davon überzeugt, dass der weitere Hochlauf der Elektromobilität gelingen wird“, sagt Christian Heine, Sprecher der Geschäftsführung der Hamburger Energiewerke. HEnW Mobil will noch in diesem Jahr 200 neue Ladepunkte in Hamburg installieren.

ADAC Hansa sieht Hamburg bei Infrastruktur zurückfallen

Für Christian Hieff, Sprecher des ADAC Hansa, wird der Ausbau höchste Zeit: „Obwohl wir Ende 2023 über knapp 2600 öffentlich zugängliche Ladepunkte verfügten und das eine Steigerung zum Vorjahr von 29 Prozent bedeutet, ist Hamburg im Vergleich der Bundesländer zurückgefallen. Hier teilen sich circa 20,2 E-Fahrzeuge einen Ladepunkt. Damit liegt man zwar knapp unter dem Bundesdurchschnitt von 21, doch im Länderranking bedeutet dies nur Platz zwölf.“

Das Resümee des Experten: „Hamburg galt lange als Vorreiter beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. Dieser Vorsprung wurde zum Teil verspielt.“ Denn gerade im großstädtischen Raum seien E-Auto-Fahrer auf eine gute öffentliche Infrastruktur angewiesen, da die meisten Bewohner nicht die Möglichkeit hätten, ihren Wagen günstig und bequem an der heimischen Wallbox aufzuladen. Sie müssten darauf hoffen, dass sie in unmittelbarer Nähe ihres Wohnortes tatsächlich eine freie und funktionierende Ladesäule finden, so Hieff weiter. Dabei würden auch viele Carsharing-Fahrzeuge um diese Plätze konkurrieren, sodass es in der Praxis oft zu Problemen komme, wenn man eine freie Ladesäule suche.

E-Autos in Hamburg: Ölkonzerne setzen jetzt auf Starkstrom

Dass es sich lohnt, in Hamburg in den weiteren Ausbau der E-Mobilität zu investieren, haben auch Ölkonzerne längst erkannt. So betreibt zum Beispiel Shell in der Hansestadt schon 50 Schnellladepunkte an 16 Orten, und das mit mindestens 150 kW. Die meisten der neuen Ladesäulen haben 300 bis 360 kW. Das Laden dort kostet 64 Cent pro Kilowattstunde (kWh), wenn die Shell Recharge App genutzt wird, ansonsten sind es 79 Cent bei der sogenannten „Ad-hoc-Ladung“, also der Zahlung per Kredit- oder EC-Karte. Ähnlich ist es bei Aral. In Hamburg und Umland (20 Kilometer Umkreis) gibt es derzeit 151 Aral-Ladepunkte und 51 Aral-Ladesäulen mit bis zu 300 kW. Bezahlt wird auch hier per Kreditkarte, über einen Webshop mit QR-Code, über RFID-Ladekarten oder über die Apps Aral pulse bzw. die Mein Aral. Zum Vergleich: Bei den städtischen Ladesäulen der HEnW zahlt man zurzeit 1,99 Euro pro Ladevorgang sowie 50 Cent pro kWh an AC-Ladepunkten und 65 Cent an DC-Ladern.

Hier wie dort werden auch Ladekarten von Drittanbietern akzeptiert, über den jeweiligen Preis pro kWh entscheiden dann diese. An Ladestationen von Aral pulse und Shell finden Kunden den CCS-Stecker, der als neuer Standard gilt, an sehr vielen außerdem den CHAdeMO-Stecker.

„Wir haben jüngst einen Meilenstein mit über 2,5 Millionen Ladesessions erreicht und uns einen exzellenten Ruf erarbeitet. E-Autofahrende schätzen die Qualität unseres Angebots und auch die Zuverlässigkeit unserer Anlagen. Aral pulse wurde im Connect Ladenetztest 2023 zum besten Schnellladenetzanbieter in Deutschland gekürt. Insgesamt sind wir mit der Entwicklung dieses noch sehr jungen Geschäfts sehr zufrieden“, sagt Alexander Junge, bei Aral Vorstandsmitglied und verantwortlich für den Bereich Elektromobilität.

Für Heike Sudmann, Fachsprecherin für Stadtentwicklungs- und Verkehrspolitik von der Fraktion Die Linke, ist in diesem Zusammenhang auch die nachlassende Nutzung der städtischen Ladesäulen auffällig. Diese habe im Jahr 2022 noch bei bis zu 70 Prozent gelegen, pendele sich nun aber zwischen 34 und 42 Prozent ein. „Die geringe Nutzung und der langsame Ausbau der Ladeinfrastruktur passen nicht zu den Zielen des Senats im Klimaplan“, sagt sie, plädiert aber gleichzeitig auch für einen stärkeren Ausbau des ÖPNV.