Hamburg. Nirgendwo in Deutschland haben mehr Menschen Essstörungen wie Magersucht und Bulimie. Warum es bei Männern eine hohe Dunkelziffer gibt.

Trauriger Rekord: Hamburg ist die Hochburg der Essstörungen. Nirgendwo in Deutschland gab es so viele Fälle von Bulimie, Anorexie (Magersucht) oder Essattacken wie in Hamburg. Das geht aus dem Morbiditäts- und Sozialatlas des BARMER Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) hervor. Im Jahr 2021 wurde bei 636 von 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern eine Essstörung diagnostiziert. Bundesweit lag der Schnitt mit 430 je 100.000 Einwohnern deutlich niedriger.

Experten warnen vor einer hohen Dunkelziffer. „Gerade bei Essstörungen wie Bulimie oder Magersucht müssen wir zusätzlich von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. Insbesondere Männer haben eine höhere Hemmschwelle, sich eine als ‚weiblich‘ angesehene Krankheit einzugestehen und Hilfe zu suchen“, sagt Dr. Susanne Klein, Landesgeschäftsführerin der BARMER in Hamburg. Das trage dazu bei, dass Ärzte Essstörungen bei Männern seltener diagnostizierten.

Hamburg ist die Hauptstadt der Essstörungen wie Magersucht und Bullimie – Experten alarmiert

Mit 1.080 Fällen je 100.000 Einwohnerinnen waren Frauen gut fünfmal so häufig betroffen wie Männer mit 205 Fällen. So die Statistik. Am höchsten ist der Stand bei jungen Frauen im Alter von 18 bis 29 Jahren sowie bei Männern von zwölf bis 17 und 40 bis 59 Jahren.

Laut der Experten seien Magersucht, Bulimie, aber auch Essanfälle sind psychosomatische Erkrankungen mit einem Suchtcharakter. Und sie treten meistens nicht alleine auf: Von allen Menschen, die an Essstörungen leiden, hat mehr als die Hälfte zudem Depressionen. Dies zeige, dass seelische Probleme zu körperlichen Auswirkungen führen können. Besonders fatal: Essstörungen sind den Betroffenen oft nicht anzusehen.

Im Extremfall können Essstörungen sogar tödlich sein: Nimmt der Körper durch Nahrung zu wenig Energie, Nährstoffe und Vitamine auf, kann dies schwere Folgen haben, beispielsweise verminderte Knochendichte, Haarausfall, niedrigen Blutdruck, Ausfall der Regelblutung oder Potenzprobleme. Häufiges Erbrechen kann zu Zahnschäden, einem gestörten Elektrolyt- und Wasserhaushalt sowie gestörter Nierenfunktion führen. „Die Folgen von Essstörungen sind oft schwerwiegende Krankheitsverläufe, die sogar lebensbedrohlich sein können“, so Klein.

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Die Gründe für Essstörungen sind vielfältig. Um ihnen vorzubeugen, sollten Eltern eine förderliche Esskultur vorleben und Vorbilder sein. „Werden beispielsweise Speisen in der Familie gemeinsam zubereitet und gegessen und wird dabei auch Rücksicht auf die Vorlieben des Einzelnen genommen, stärkt das die Identitätsentwicklung und das Selbstbewusstsein von Heranwachsenden“, sagt Klein.

„Für ein selbstbestimmtes Essverhalten im Erwachsenenalter spielen Vorbildwirkung und das Vermitteln von Wissen eine entscheidende Rolle. Genauso wichtig ist es aber, auch negative Veränderungen im Essverhalten rechtzeitig zu erkennen und zu handeln“, so Klein. Würden starke Gewichtsveränderungen bei Betroffenen bemerkt, sollte über Hilfsangebote informiert werden.