Hamburg. Die ehemalige Kandidatin Neele Bronst litt schon früh an einer Essstörung. Auch ihre Schwangerschaft wurde für sie zur Tortur.

Für viele Frauen ist es das schönste Gefühl der Welt und ein oftmals lang ersehnter Traum: die Schwangerschaft. Immer mehr Mütter begleiten auf Social Media jede kleinste Entwicklung bis zur Geburt ihres Kindes und vor allem eines: das Wachsen ihres Babybauchs. Unter dem Hashtag #babybauch finden sich allein auf Instagram knapp 900.000 Beiträge, in denen werdende Mütter stolz ihren Bauch in die Kamera halten oder sogar tanzen. Was aber, wenn man an einer Essstörung leidet und jedes zusätzliche Gramm die Hölle bedeutet?

Modeln mit Babybauch: Warum Neele Bronst darunter litt

Darüber spricht die 26-jährige Hamburgerin Neele Bronst in der neuen Folge des Abendblatt-Podcasts „Drama, Baby!“ zusammen mit Marco Sinervo, Betreiber der Hamburger Modelagentur MGM. Ihren Bauch während ihrer Schwangerschaft Tag für Tag heranwachsen zu sehen, sei „ganz schlimm“ und fast unerträglich für das ehemalige Model gewesen, sagt Bronst. Schuld daran war aber nicht die Tatsache, dass die Hamburgerin einen Sohn erwartete.

Vielmehr sei es das Gefühl gewesen, dicker und dicker zu werden, ohne etwas dagegen tun zu können. Denn Bronst litt an einer Essstörung.

„Mein damaliger Partner hat dieses Gefühl noch bestärkt. Beim Umziehen hat er mir regelmäßig gesagt, dass er nicht auf dicke Frauen steht.“ Darunter, so Bronst, leidet die 26-jährige noch heute. Auch wenn sich Bronst mittlerweile von ihrem damaligen Partner getrennt hat und ihren Sohn als großes Glück empfinde.

Essstörung hat bereits in der Schule durch Mobbing angefangen

„Wenn du einmal an einer Essstörung erkrankst, wirst du meiner Meinung nach immer ein gestörtes Verhalten aufweisen“, sagt Bronst. In der Schule habe alles angefangen. Dort hätten ein paar Klassenkameraden haltlos begonnen, Bronst, zu mobben.

Dabei hat die Hamburgerin eine ganz normale Figur gehabt, wie sie sagt. Die 26-jährige habe zwar direkt nach ihrer Schulzeit mit einer Psychotherapie begonnen, doch sei es „einfach nicht die richtige Zeit“ gewesen. Im Gegenteil: Als Bronst kurz nach ihrem Schulabschluss mit dem Modeln bei einer Hamburger Agentur beginnt und diese ihr sagt, sie müsse noch etwas abnehmen, habe dies Bronst noch weiter angespornt, weniger zu wiegen. Doch sie schafft es nicht, weniger zu essen. Aus einer Magersucht entwickelt sich schließlich eine Bulimie, bei der Betroffene das Gegessene erbrechen.

„Unter der Bulimie habe ich auch noch während der gesamten ,„Germany’s Next Topmodel-Staffel“ gelitten.“ 2017, kurz nachdem die Hamburgerin mit dem Modeln beginnt, schafft Bronst es nämlich bis auf den 16. Platz in der 12. Staffel der Castingshow mit Heidi Klum.

Bronst litt auch bei „Germany´s next Topmodel“ unter Bulimie

„Ich weiß nicht, ob es den Verantwortlichen der Show nicht aufgefallen ist, aber ich denke, dass man das eigentlich hätte sehen müssen.“ Nach dem Essen sei Bronst regelmäßig auf die Toilette gegangen – eigentlich Indiz genug. Doch niemand sprach die junge Frau auf ihre Essstörung an.

Besonders quälend sei gewesen, dass es jederzeit gut und reichlich zu essen gab. „Das Buffet, was es während der Shootings gab war unglaublich gut. Es gab Salate, aber auch Pizza und Süßigkeiten. Ich glaube, ich habe zuvor noch nie so gut gegessen“, erinnert Bronst sich.

Doch sie nimmt immer weiter ab. Auch weil sie mindestens zwei Stunden pro Tag auf dem Laufband steht und „exzessiv“ Sport treibt, wie sie sagt. Dann fliegt Bronst von heute auf morgen raus – und der Traum vom Supermodel ist begraben. Auch mit ihrer kurz darauf folgenden Schwangerschaft scheint jegliche Tür fürs Modeln endgültig verschlossen.

Und weil die Hamburgerin weiterhin unter ihrer Bulimie leidet, nimmt sie während der Schwangerschaft gerade einmal acht Kilogramm zu. Laut Techniker Krankenkasse ist es bei Normalgewichtigen mit elf bis 16 Kilo im Durchschnitt fast das Doppelte.

Bronst wollte mit vermeintlich makellosen Frauen mithalten

„Ich habe mich danach sehr stark auf Fitness konzentriert.“ Und tatsächlich: Schaut man sich das Instagramprofil von Bronst an, kann man es kaum glauben, dass die 26-Jährige bereits Mutter ist. Selbstbewusst präsentiert sie in Unterwäsche und Bikini ihren Körper. Doch innerlich, so Bronst, sieht es noch ganz anders aus: „Das Ideal von einem Mann ist meiner Erfahrung nach das, was sie auf Instagram sehen. Die denken, eine Frau hat so eine Taille und solche Brüste und so einen Po und eine makellose Haut.“ Die Hamburgerin habe deshalb das Gefühl, mithalten zu müssen.

Womit Bronst nicht alleine ist, wie Modelagenturbetreiber Sinervo sagt. Einige der Models in seiner Agentur waren ebenso wie Bronst Kandidatinnen bei „Germany’s Next Topmodel“ und zeigten seiner Beobachtung zufolge auffälliges Verhalten. „Was alle eint ist, dass sie ein extremes Aufmerksamkeitsbedürfnis haben.“ Dies, so Sinervo, sehe er vor allem durch die dauerhafte Konkurrenz und den hohen Druck während der Show verursacht.

Im Modelbusiness sind Schönheitsoperationen wieder im Trend

„Einige sind auch einfach psychisch an der Show zerbrochen“, sagt Sinervo. Insbesondere das Filmen in Situationen, die absichtlich von den Veranstaltenden herbeigeführt würden, begünstigten die psychisch belastende Situation. In Wahrheit gebe es dieses Idealbild, was Bronst in ihrer Vorstellung hat, als solches nicht, sagt Sinervo. Einige Frauen griffen daher immer wieder auf die Möglichkeit zurück, ihren Körper mit Schönheitsoperationen vermeintlich aufzuwerten.

„Eine Schönheitsoperation ist im Modelbusiness so lange okay, so lange man sie nicht sieht. Der aktuelle Trend, sich die Lippen aufspritzen zu lassen, wirkt eigentlich immer direkt unnatürlich“, verrät Sinervo. Agenturkundinnen und -kunden seien davon meist abgeschreckt.

Ex-GNTM-Kandidatin Bronst würde sich über mehr Diversität freuen

Die Bestrebung der Programmveranstalter und der Modebranche nun eine möglichst diverse Bandbreite an Models zu zeigen, findet Sinervo aber zu gezwungen, wie er sagt. „Ich finde es völlig in Ordnung, die gesamte Range an menschlichen Körperformen zu zeigen. Und ich finde auch, dass korpulente Frauen sehr attraktiv sein können.“ In letzter Zeit äußerten Kundinnen und Kunden jedoch vermehrt, dass sie sich mal wieder ein „klassisches Model“ wünschten.

Auch Bronst kann dem Trend zu mehr Diversität im Modelbusiness einiges abgewinnen. Dass sich seit der letzten Staffel „jede Frau, mit jeder Größe, in jedem Alter, mit jeder Konfektionsgröße“ bei „Germany’s Next Topmodel“ bewerben kann, findet sie aber zu extrem. Der Hamburgerin ist das zu unauthentisch, wie sie sagt. „In der letzten Staffel war gar kein klassisches Model mehr dabei.“ Damit schieße man sicher über das hinaus, was das Model-Problem sei. Um wirklich etwas in der Branche zu ändern, sei mehr notwendig als verschiedene Stereotype zu bedienen.