Hamburg. Studie zeigt: Autofahrer sehen Hamburg besonders kritisch, auch Radler sind unzufrieden. Wie die Stadt im Vergleich abschneidet.

Autofahrer beklagen sich über Dauerstau, Fußgänger über Rüpelradler, und alle sind genervt von E-Scootern. Galt diese Gefühlslage bislang als eher subjektiv, wird sie nun von der neuen ADAC-Studie „Mobil in der Stadt“ wissenschaftlich gestützt. In der Untersuchung, die die Zufriedenheit aller Verkehrsteilnehmer misst, landet Hamburg nur auf einem 10. Rang. Gewinner der Studie ist Dresden vor Leipzig, Bronze geht an München. Befragt wurden insgesamt 9105 Menschen in den 15 größten Städten der Bundesrepublik.

Besonders auffällig: Die Stimmung auf den Straßen hat sich signifikant verschlechtert – über alle Verkehrsträger hinweg. Die Studie, die zugleich Autofahrer, Radler, ÖPNV-Nutzer und Fußgänger zu ihrer Mobilität befragte, war 2017 zum ersten Mal durchgeführt worden. Jetzt hat der Automobil-Club die Umfrage unter Einpendlern wie Großstadtbewohnern wiederholt: Binnen sechs Jahren sank der Zufriedenheitsindex in Hamburg von 15 auf sechs. Dieser Index misst die Differenz zwischen positiven und negativen Aussagen, die in 66 Einzelpunkten abgefragt wurden.

ADAC-Studie zeigt: Staus sorgen für Verärgerung bei Autofahrern in Hamburg

Besonders unzufrieden sind die hiesigen Autofahrer: Mit einem Indexwert von minus 21 belegt Hamburg den drittletzten Platz der Metropolen, nur Köln und Stuttgart schneiden noch schlechter ab. Im Vergleich zu 2017, als der Wert bei minus 12 lag, verschlechterte sich die Stimmung aus mehreren Gründen. Die Hauptursache ist die Stauanfälligkeit, in der Sprache der Meinungsforscher die „Zuverlässigkeit der geplanten Zielerreichung“. Kommt Primus Dresden dabei auf einen Wert von plus 11, liegt dieser Wert in Hamburg bei minus 19.

Harsche Kritik äußern die Autofahrer am Verhalten der Radfahrer (minus 39) und E-Scooter-Fahrer (minus 49). Nur das Parkraumangebot in der Innenstadt (minus 50) sowie die Höhe der Parkgebühren (minus 62) werden noch negativer bewertet. Lauter wird auch die Kritik am Baustellenmanagement, dessen Indexwert von minus 31 auf minus 51 fällt. Immerhin: Lob bekommen die Carsharing-Angebote (+15) und die Beschilderung (+27).

„Mit Platz zehn landet Hamburg wieder im hinteren Drittel des Städterankings – wahrlich kein Ruhmesblatt“, sagt Christian Hieff vom ADAC Hansa. „Bei der Neuverteilung des Verkehrsraums müssen Autofahrer immer öfter ein Stück vom Kuchen zugunsten des Rad- und Fußverkehrs abgeben. Parkplätze werden abgebaut. Daher korrespondiert die Verschlechterung der Stimmung auch mit offiziell getroffenen Maßnahmen.“

Große Unzufriedenheit über Fahrradwege in Hamburg

Der Frust der Autofahrer hat kaum mit der wachsenden Lust aufs Radfahren zu tun. Denn Radler maulen trotz der deutlichen Verbesserungen der Radinfrastruktur: Notierte der Zufriedenheitswert 2013 bei plus 8 verschlechterte er sich nun auf minus 1. Damit bewerten die Hamburger ihre selbst ernannte Fahrradmetropole nur auf einem zehnten Platz im Städtevergleich. Während die bestplatzierten Dresdner den Zustand ihrer Fahrradwege etwa mit plus 18 bewerten, überwiegt in der Partnerstadt Hamburg die Unzufriedenheit mit minus 20.

Überraschend: Obwohl der Senat in den vergangenen Jahren viel in den Radwegeausbau investiert hat, schneidet Hamburg in der Kategorie „Durchgängigkeit des Radwegenetzes“ mit minus 15 noch viel schlechter ab als 2017 (plus 7). Weniger Kritik hingegen gibt es am Verhalten der Autofahrer, die sich von minus 17 auf minus 9 verbesserten. Auffällig ist auch hier der Unmut über die E-Scooter-Fahrer mit einem Indexwert von minus 37. Da die Roller erst seit 2019 großflächig in der Stadt zu entleihen sind, dürften sie einer der Gründe sein, warum die Hamburger mit ihrem Verkehr hadern.

ADAC-Studie: Allgemeine Stimmungslage schlägt sich auch in Hamburg nieder

Es gibt Kritik, die sich kaum erschließt: Der ÖPNV wird mit plus 23 viel schlechter bewertet als sechs Jahre zuvor (30). Obwohl in den vergangenen Jahren viele Bahnstationen barrierefrei ausgebaut wurden, sank sogar in der Kategorie „Barrierefreiheit“ der Indexwert um elf Punkte auf zwölf. Dies führen die Demoskopen auf wachsende Ansprüche zurück. Für die Verschlechterung der Stimmung ist hingegen die mangelnde Pünktlichkeit verantwortlich. In der Kategorie „Zuverlässigkeit“ rutschte der Wert von 40 auf 17 ab.

Die Verschlechterungen in Hamburg decken sich mit der bundesweiten Einschätzung. „Die Gründe für die allgemeine Unzufriedenheit sind nicht nur in der aktuellen Verkehrspolitik zu suchen“, stellt dann auch Christian Hieff vom ADAC Hansa klar. Er verweist auf die Verbesserung des Radwegenetzes, der sich belegen lässt. Der wachsende Frust der Radfahrer sei zum Teil durch eine erhöhte Erwartungshaltung und ein wachsendes Problembewusstsein zu erklären.

Auch Corona könnte die Ergebnisse beeinflusst haben. „Aufgrund der Pandemie sind die Menschen von der Großstadthektik entwöhnt worden. Die nun wieder im gewohnten Maßen vollen S-Bahnen und Autobahnen werden daher umso stressiger wahrgenommen“, so Hieff. Spurlos gehe auch die schlechte Stimmung im Land nicht an der Befragung vorbei, mutmaßt er: „Es ist eine wachsende allgemeine Unzufriedenheit in der Bevölkerung festzustellen, die sich in einer negativeren Beurteilung ausdrückt.“ Die sinkenden Zufriedenheitswerte könnten Anzeichen einer abnehmenden Frusttoleranz sein.

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Auch die Fußgänger, eigentlich die zufriedensten Verkehrsteilnehmer, bewerten die Lage der Nation im September 2023 deutlich kritischer als 2017. Lag ihr Indexwert einst bei 33, ist er nun auf 21 gefallen. Kritisiert wurde in Hamburg die „Breite der Gehwege“, die Fahrradfahrer (minus 30) und – wenig verwunderlich – das Verhalten der E-Scooter (minus 46).

„Gerade in Hamburg ist der Frust über die E-Scooter und ihre Fahrer besonders groß“, sagt Hieff. Nicht nur die rücksichtslose Fahrweise von E-Scooter-Fahrern wird beanstandet, sondern auch das achtlose Abstellen der Roller. „Hier ist die Politik aufgefordert, stärker regulatorisch einzugreifen und durch vermehrte Kontrollen die Situation zu entschärfen.“

CDU sieht eine Ohrfeige für den Senat

Der CDU-Fraktionschef Dennis Thering deutet die Umfrage als „Ohrfeige für SPD und Grüne“. Hamburger wie Pendler seien mit der Verkehrspolitik des Senats äußerst unzufrieden. „Das ist besorgniserregend“, kommentierte der designierte Spitzenkandidat: „Die Umfrage zeigt, dass Autofahrer am unzufriedensten sind. Sie ärgern sich über hohe Parkgebühren, Baustellen und wenige Parkplätze in der Innenstadt.“ Die CDU wolle die Mobilität in Hamburg deutlich verbessern und alle Verkehrsteilnehmer dabei berücksichtigen. „Nur so kann Hamburg eine Stadt werden, in der sich alle mobil, sicher und zufrieden fortbewegen können.“

Ganz ähnlich äußerte sich auch die FDP-Landesvorsitzende Sonja Jacobsen zur ADAC-Umfrage:: „Eine Ohrfeige für den Senat ist es, dass nicht einmal die Fahrradfahrer mit der Verkehrspolitik zufrieden sind.“