Hamburg. Kita-Mitarbeiter blockierte mit anderen den Verkehr vor Uni-Hauptgebäude. Angeklagter befragt vor Gericht selbst Polizisten als Zeugen.

Verantwortung. Das ist ein Wort, das Lars S. von der Letzten Generation immer wieder benutzt. Er habe sich an den Aktionen der Umweltaktivisten beteiligt, um „Verantwortung zu übernehmen“. Seit vielen Jahren empfinde er das Bedürfnis, sich gegen den fortschreitenden Klimawandel einzusetzen. Er wolle „wirklich etwas verändern“, sagt Lars S. Deshalb habe er sich an einer Protestaktion am 4. Januar 2023 vor dem Hauptgebäude der Universität Hamburg beteiligt.

Und deshalb ist der 41-Jährige jetzt Angeklagter im Prozess vor dem Amtsgericht. Bei der Aktion hatten mehrere Menschen auf der Edmund-Siemers-Allee den Verkehr blockiert. Unter denen, die sich dabei auf der Straße festgeklebt hatten, soll Lars S. gewesen sein. Die Teilnehmer der Aktion hätten die fünfspurige Straße in beide Richtungen so sehr blockiert, dass keine Fahrzeuge mehr passieren konnten, heißt es in der Anklage, die dem Flensburger Nötigung sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorwirft.

Dem Angeklagten Lars S. wird Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. 
Dem Angeklagten Lars S. wird Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen.  © Bettina Mittelacher | Bettina Mittelacher

Mit dem Festkleben der Hände hätten die Demonstranten „ein unüberwindbares Hindernis geschaffen“. Gut eine Stunde nach Beginn der Versammlung hatte die Polizei die Straße so weit von den Demonstranten befreit, dass der Verkehr wieder aufgenommen werden konnte. Gegen den 41-Jährigen war ein Strafbefehl über 50 Tagessätze zu 30 Euro ergangen, gegen den der Mann jedoch Einspruch eingelegt hat. Deshalb kommt es jetzt zum Prozess.

Prozess Hamburg: Angeklagter soll sich auf Straße festgeklebt haben

Lars S., der von mehreren Bekannten in das Gericht begleitet wird, hat sich auf diesen Termin gut vorbereitet. Der Kita-Mitarbeiter verliest einen mehrseitigen eng beschriebenen Text, mit dem er seine Motivation erklärt, sich an Protestaktionen der Letzten Generation zu beteiligen.

Schon als Kind habe er gelernt, dass das Handeln einzelner Personen immer Auswirkungen auf andere habe. Etliche Erfahrungen hätten ihn immer weiter geprägt – insbesondere, als er vor einigen Jahren Vater wurde. Seitdem sei sein Wunsch, Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein in sein Leben zu integrieren und dafür einzustehen, noch größer geworden.

Letzte Generation: „Wir rasen in eine Katastrophe hinein“

Immer häufiger gebe es Hitzewellen oder Überschwemmungen. 2023 sei ein Rekordjahr der Naturkatastrophen gewesen. Durch die Aktionen der Letzten Generation würden die Menschen „erinnert und ermahnt, dass wir in eine Katastrophe hineinrasen“, sagt Lars S.

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Das „Zeitfenster“, in dem für alle eine gesicherte Zukunft erreicht werden könne, „schließt sich. Die Zerstörung unserer Welt geht weiter.“ Sein Gewissen erfordere es, dagegen anzugehen. Ziel der Letzten Generation sei es, „den Klimanotstand aus der Verdrängung zu holen. Wir sind gewissermaßen der Feueralarm.“

Zeugin: An den Aktivisten war kein Vorbeikommen

Mit demselben Eifer, mit dem er sich erklärt hat, befragt der Angeklagte später auch die Zeugen. Etwa, als eine Polizeibeamtin schildert, dass es wegen mehrerer auf der Fahrbahn festgeklebter Personen für die Fahrzeuge „kein Vorbeikommen“ gegeben habe. „Es gab einen Rückstau.“ Jeder einzelne der Protestierenden sei von der Polizei angesprochen worden, habe sich dann entweder freiwillig von der Straße begeben oder sei weggetragen worden, so die Polizistin.

In welchen Abständen die Aktivisten gesessen hätten, welche Mittel die Beamten anwendeten, um die Protestler von der Straße zu holen, ob sie sich gefährdet gefühlt habe – alles interessiert den Angeklagten. Ein weiterer Beamter erinnert sich an Transparente mit „klimabezogenen Slogans“. Wenn festgeklebte Menschen von der Straße gelöst werden müssten, dauere das jeweils fünf bis zehn Minuten. Lars S. habe nicht freiwillig gehen wollen. Das bestätigt auch der Angeklagte: „Ich bin nicht aufgestanden.“ Der Prozess wird fortgesetzt.