Hamburg. Shahab Smoqi kam 2020 als Flüchtling, arbeitet als SAP-Berater und beim Naturschutzbund mit. Nun soll er abgeschoben werden.

Es ist jetzt mehr als drei Jahre her, dass Shahab Smoqi als Flüchtling aus dem Irak nach Deutschland kam. Er kam zu Fuß und mit dem Boot über die Türkei, Griechenland und den Balkan. Als er im November 2020 Deutschland erreichte, war er 18. In den seither vergangenen gut drei Jahren hat der irakische Jeside fast perfekt Deutsch gelernt, er hat ein Fernstudium absolviert, arbeitet als SAP-Berater und engagiert sich ehrenamtlich beim Naturschutzbund Nabu. Mit zwei Schwestern und seiner Mutter lebt er in Neugraben. Schneller kann sich ein junger Mensch wohl kaum in eine für ihn neue Gesellschaft integrieren. Und doch: Jetzt droht Shahab Smoqi die Abschiebung.

Im November wurde sein Antrag auf Asyl zum zweiten Mal abgelehnt, wie auch die „taz“ berichtete. Seine Duldung endet im Februar. Zwar galt die Gruppe der Jesiden im Irak lange als gefährdet, da ihre Angehörigen immer wieder verfolgt wurden. Zuletzt tötete der „Islamische Staat“ (IS) wohl Tausende Jesiden im Nordirak und verschleppte und versklavte ebenso viele Frauen und Kinder. Lange Zeit wurden Jesiden aus Deutschland nicht in den Irak abgeschoben. Mittlerweile aber hat sich die Situation offenbar geändert. Das zeigt auch der Fall von Shahab Smoqi.

Flüchtlinge Hamburg: Jesiden wurden im Irak ermordet, verschleppt und versklavt

Dabei könnten Jesiden nicht zurück in den Irak, denn dort seien sie wiederholt Opfer von Völkermorden geworden, sagt der 21-Jährige. Der Irak sei ein Land, das die Jesiden nicht beschütze. Daher wolle er hier bleiben. „Seit meiner Ankunft in Deutschland verfolge ich beharrlich ein Ziel: Wie kann ich einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten und niemals eine Belastung für dieses Land sein?“, sagt Smoqi. „Über die letzten drei Jahre hinweg setze ich dieses Ziel in die Tat um, sei es durch das rasche Erlernen der Sprache für eine schnelle Integration, mein ehrenamtliches Engagement, das erfolgreiche Studium oder die Übernahme einer Arbeitsstelle, die aufgrund von Arbeitsmangel schwer zu besetzen ist.“

Dass einem jungen, gut ausgebildeten und bestens integrierten jungen Mann, dessen Angehörige bereits ein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, nun abgeschoben werden soll, leuchtet auch dem Hamburger Vorsitzenden des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), Malte Siegert, nicht ein. „In Deutschland werden händeringend Fachkräfte gesucht, vor allem im IT-Bereich. Gleichzeitig wollen deutsche Behörden Menschen wie Shahab ausweisen, die mit deutschen Steuergeldern ausgebildet und gefördert wurden, die hervorragend integriert sind, die deutsche Sprache sprechen, als angestellte Fachkräfte hier Steuern zahlen, sich nichts zuschulden kommen lassen und zudem noch ehrenamtlich der Gesellschaft wertvolle Dienste leisten.“

Flüchtlinge: „Gut integrierte, arbeitende Menschen abzuschieben, wäre absurd“

Eine solche Entscheidung wäre aus Sicht Siegerts „einerseits eine völlig absurde und nicht nachvollziehbare Verschwendung von Ressourcen“. Außerdem aber wäre es „andererseits auch ein Offenbarungseid, wenn rein aus Prinzip das Falsche gemacht wird“. Deswegen appelliere der Nabu „an die Stadt Hamburg, Shahab Smoqi sowohl aus humanitären Gründen eine dauerhafte Perspektive zu bieten, als auch angesichts der vielfältigen Leistungen, die er für das Land erbringt, in dem er eine Heimat gefunden hat“. Um dieser Forderung Ausdruck zu verleihen, hat Siegert jetzt an Innensenator Andy Grote (SPD) geschrieben. In dem Brief bittet er Grote, sich dafür einzusetzen, dass Smoqi bleiben darf.

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Annalena Baerbock besucht bei ihrer Reise die nordirakische Stadt Sindschar, dem Hauptsiedlungsgebiet der Jesiden. Der Islamische Staat (IS) gilt als verantwortlich für den Völkermord an den Jesiden nach 2014. © Michael Kappeler/dpa
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Annalena Baerbock legt Blumen am Friedhof von Kocho nieder. © Michael Kappeler/dpa
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Die Innenbehörde äußerte sich auf Abendblatt-Anfrage nicht detailliert zu dem Fall. „Hinsichtlich der Gefährdung von Jesiden im Irak handelt es sich um Gründe, die nach geltendem Recht in einem Asylverfahren oder in einem Asylfolgeverfahren nach der gesetzlichen Aufgabenverteilung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in individuellen Prüfverfahren zu prüfen, zu bewerten und zu entscheiden sind“, heißt es sehr formal aus dem zuständigen Amt für Migration.

Flüchtlinge Hamburg: Noch muss Shahab Smoqi die Hoffnung nicht aufgeben

„Die Entscheidungen des Bundesamtes unterliegen dabei umfassender gerichtlicher Kontrolle und die Ausländerbehörden der Länder sind an die Entscheidungen des Bundesamtes bzw. der Gerichte gesetzlich gebunden und haben keine eigene Prüfungskompetenz für derartige Sachverhalte.“ Mithin: Hamburg erklärt sich offenbar für nicht zuständig. Die Innenbehörde verweist darauf, dass 2021 und 2022 keine und im vergangenen Jahr bis Ende November erst drei Menschen aus Hamburg in den Irak abgeschoben worden seien. Alle seien Straftäter gewesen.

Shahab Smoqi muss die Hoffnung wohl noch nicht aufgeben. Denn zuletzt wurden die Stimmen immer lauter, die einen Abschiebestopp für Jesiden in den Irak forderten. Und einzelne Bundesländer haben ihn auch bereits eigenständig eingeführt.