Hamburg. Tausende setzen sich für Erhalt eines Waldes ein. Aber Tschentscher-Team verweigerte baldige Annahme der Petition. Begründung erstaunt.

Spitzenpolitiker und ihre Mitstreiter haben ununterbrochen unheimlich viele, unheimlich wichtige Dinge zu erledigen, man möchte wirklich nicht mit ihnen tauschen. Während sie immerzu von einer Weltrettungssitzung zur nächsten hetzen, kann es schon vorkommen, dass sie kurz mal vergessen, in wessen Auftrag sie eigentlich unterwegs sind. So jedenfalls könnte man diese kleine Geschichte einer gescheiterten Petitionsübergabe deuten.

Es begab sich nämlich zur Adventszeit, dass der Naturschutzbund Deutschland, kurz Nabu, bei den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt mehr als 16.000 Unterschriften für die Rettung eines Waldes in Wilhelmsburg gesammelt hatte. Der „Wilde Wald“ am Ernst-August-Kanal soll laut Nabu für ein Neubaugebiet gerodet werden. Dabei sei das von „Amphibien, Insekten, Fledermäusen und rund 30 Brutvogelarten“ bewohnte Stück Natur auf der Elbinsel „mittlerweile der einzige Ort, an dem Kitas und Schulen mit Kindern einen Wald erkunden können“.

Naturschutz Hamburg: Leider hat im Rathaus im Januar niemand Zeit für die Petition

Um dem Wunsch so vieler Menschen nach Erhalt des Waldes Ausdruck zu verleihen, bat der Nabu nun für den Januar um einen Termin beim Büro von SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher zur Übergabe der Unterschriften. Auch wenn der Bürgermeister Adressat der Petition sei, wisse man natürlich, dass dieser es wohl selbst nicht werde einrichten können, sie entgegenzunehmen, mailte ein Nabu-Vertreter freundlich-demütig an des Bürgermeisters Büroleiter. Man freue sich, wenn man die Unterschriften einer Stellvertreterin oder einem Stellvertreter aushändigen dürfe.

Die Absage kam prompt. „Der Kollege, der üblicherweise Petitionen, Unterschriftenlisten o. ä. entgegennimmt, befindet sich zu dem Zeitpunkt bis einschließlich 12.2. im Urlaub“, schrieb des Bürgermeisters Büroboss. „Eine weitere Kollegin ist aufgrund einer Fuß-OP bewegungseingeschränkt und nicht in der Lage, den Termin wahrzunehmen.“ Daher könne man die Waldpetition erst Mitte Februar annehmen.

Tschentschers Büroleiter gibt sich „irritiert und belustigt“ über Anliegen des Nabu

Die Antwort auf diese erstaunliche Begründung übernahm Hamburgs Nabu-Chef Malte Siegert höchstselbst. Der Nabu sei von der Mail „etwas irritiert (um nicht zu sagen: leicht belustigt)“, schrieb Siegert. Man könne sich „schwerlich vorstellen, dass es in der Senatskanzlei mit einer nicht unerheblichen Personaldichte keine weiteren Mitarbeitenden geben sollte, die in der Lage wären, vor dem Portal des Rathauses das Ergebnis einer Petition entgegenzunehmen“. Er bitte daher, „sehr herzlich erneut zu prüfen, ob sich nicht doch vielleicht jemand Geeignetes fände“.

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Knappe Antwort von Peter Tschentschers Cheforganisator: „Leider nein (irritiert und belustigt, dass Sie insistieren, aber das ist Ihre Sache).“ Nun, man könnte eine solche Antwort als Herablassung der politischen Elite und ihrer sehr wichtigen Mitarbeiter gegenüber den mehr als 16.000 einfachen Bürgern empfinden, denen ein Wald und die dort lebenden Tiere am Herzen liegen. Aber es ist ja Weihnachten, und da soll man sich nicht unnötig herumstreiten.

Naturschutz: Kompromiss bei Petition, Zukunft des Waldes ungewiss

Also fragte das Abendblatt freundlich bei Senatssprecher Marcel Schweitzer nach, was es denn mit diesen Fußerkrankungen und Belustigungen im Rathaus so auf sich habe – und sofort sorgte der Vorgang offenkundig für allerlei Diskussionen im Team Tschentscher. Und siehe da: Plötzlich fand sich doch noch ein Mitstreiter des Bürgermeisters, der weder krank noch im Urlaub ist. Man werde die Unterschriften wie vom Nabu gewünscht nun im Januar entgegennehmen können, sagte Schweitzer.

So ist der Weihnachtsfrieden also gerettet. Ob das am Ende auch Wilhelmsburgs Wildem Wald hilft? Das entscheidet die Politik dann im nächsten Jahr – irgendwann zwischen Tausenden viel wichtigeren Themen und Terminen.