Hamburg. Der Dirigent verteidigt die Gesprächsrunden in seiner Hamburger Wohnung und erinnert an Helmut Schmidt und Henry Kissinger.

Der Gründer des Schleswig-Holstein Musik-Festivals (SHMF), Prof. Justus Frantz, hat mit Unverständnis auf den Vorwurf reagiert, er habe eine bedenkliche Nähe zu Russland. Frantz sagte dem Abendblatt am Donnerstag, die Anwürfe des derzeitigen SHMF-Intendanten Christian Kuhnt seien substanzlos.

„Ich habe eine große Achtung vor dem Intendanten. Aber vielleicht ist er zu jung, um zu wissen, dass das Festival gestartet wurde von Menschen, die einen großen Friedenswillen hatten. Das SHMF bedeutete für uns Musik mit ethischem Untergrund“, so Frantz. „Ich habe keine Nähe zu Wladimir Putin.“

Steht Justus Frantz Russland nah? Der Dirigent über Wladimir Putin, das SHMF und Alice Weidel

Damit reagierte Frantz auf die Vorhaltungen, er habe auch nach dem Angriff der russischen Truppen auf die Ukraine in Russland Orchester dirigiert und damit Präsident Putins Politik durch das Aufrechterhalten seiner Arbeit und Kontakte gutgeheißen.

Frantz sagte: „Wenn ich in Russland auftrete, wirkt das auch der Verhärtung der Fronten entgegen. Als ich zuletzt die ,Zauberflöte‘ dirigierte, sagten mir Zuhörer später: Unsere Regierung hat uns verlassen, unsere westlichen Freunde auch.“ Er sei bereits 1985 mit Leonard Bernstein in die Sowjetunion gefahren, um dazu beizutragen, „dass die politischen Spannungen irgendwie abgebaut werden können“.

Justus Frantz: Valery Gergiev einer meiner besten Freunde

Frantz erklärte auch seine Haltung zu Valery Gergiev, den früheren Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker, der von Putins Regierung zum Leiter des Moskauer Bolschoi-Theaters berufen wurde, nachdem der bisherige Leiter in Ungnade gefallen war. „Valery Gergiev ist einer meiner besten Freunde. Ihm wurde eine Nähe zu Putin unterstellt. Das sehe ich überhaupt nicht. Er ist jemand, der höchste künstlerische Ansprüche hat und das in den Vordergrund seines Schaffens stellt.“ Frantz sprach sich dafür aus, auch während der militärischen Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine „alle Kanäle“ offen zu halten, um „diesen schrecklichen Krieg“ zu beenden.

Gleichzeitig verteidigte der 79-jährige Pianist und Dirigent die exklusiven Gesprächsrunden in seiner Hamburger Wohnung. Dort waren auch die Linken-Abtrünnige Sahra Wagenknecht und AfD-Bundessprecherin Alice Weidel sowie prominente Vertreter aus dem rechten politischen Spektrum zu Gast, die vor allem die Politik des Westens als mitverantwortlich für den Krieg in der Ukraine sehen. Der Schweizer Publizist Roger Köppel, der auch beim russischen Propagandasender RT aufgetreten war, zählte ebenso zu den Gästen wie der umstrittene Kulturmanager Hans-Joachim Frey.

Hamburger Gesprächsrunden mit Sahra Wagenknecht und Alice Weidel

Dieses Gesprächsformat nutzt Frantz, um „die Leute aufzubrechen“ und Spannungen abzubauen, wie er sagte. „Wenn man erst Musik macht, dann sind offenere Gespräche möglich.“ Dass der Zeitpunkt für diese Runden ungeschickt sein könnte, sieht Frantz nicht so. Die AfD steht wegen ihrer rechtsextremistischen Haltung und antisemitischer Tendenzen im Fokus von Verfassungshütern. Frantz sagte: „Mein persönlicher Eindruck ist der, dass Alice Weidel nicht extremistisch ist. Ich reagiere auf nichts allergischer als auf faschistische Tendenzen. Und die sehe ich bei ihr nicht.“

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Frantz, der in seinem Haus in Hamburg über die vergangenen Jahrzehnte zahlreiche Politiker empfing, appellierte an seine Kritiker und die deutsche Politik: „Was das Verständnis für Russland betrifft, sollten wir uns fragen, welche Fehler wir gemacht haben. Angesichts der Nato-Erweiterung, das haben schon Helmut Schmidt und Henry Kissinger gesagt, gibt es in Moskau zum Teil psychopathische Ängste.“