Hamburg. Zahlreiche Hamburger Häuser dabei: Intendant Joachim Lux organisiert Themenabend. Es geht um die gemeinsame Dialogfähigkeit.
Theater sind Orte, die etwas zu tun haben mit gesellschaftlichen Bekenntnissen. Kaum taucht ein politisches Problemfeld auf, wird von Theatermachern erwartet, dass sie sich dazu verhalten. Und in den Intendanzen und Dramaturgien verhält man sich gerne dazu, was insofern widersprüchlich ist, weil die Arbeitsprozesse im Theater eher langsame sind. Aber man will eben politisch relevant sein, weswegen man freudig Petitionen unterschreibt und sich positioniert. Zumindest meistens.
Thalia Theater möchte das „Schweigen durchbrechen“
Dass sich nämlich die deutsche Theaterwelt schwertat, eine Position zu den Angriffen der Hamas auf Israel vor einem Monat zu finden, fiel auf, gerade angesichts der Tatsache, dass die Häuser vom Deutschen Theater Berlin über die Münchner Kammerspiele bis zum Hamburger Schauspielhaus zum Beispiel beim russischen Überfall auf die Ukraine oder bei der Klimakatastrophe schnell mit Statements dabei waren. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ jedenfalls warf der Szene vor, sich wegzuducken, vielleicht aus Sympathie, vielleicht aus falscher Rücksicht auf die palästinensische Seite. Gerade mal an einem Theater, am Stuttgarter Schauspielhaus, wehe eine israelische Flagge, das sei zu wenig.
Ein Vorwurf, den Thalia-Intendant Joachim Lux so nicht gelten lassen will. „Für unser Haus kann man das so nicht sagen“, meint er. „Wir haben nach wenigen Tagen ein sehr klares Statement auf unsere Website gestellt, so wie auch beim Ukraine-Krieg. Dass wir allerdings unsere Häuser mit Nationalflaggen schmücken sollen – diese Erwartung haben wir noch nie erfüllt.“ Die Sache des Theaters sei nun mal das Künstlerische. Und einen diskursiven Kontakt zwischen zwei eigentlich sprachlosen Parteien würde Lux zwar gerne anstoßen, nur hat er das Gefühl, dass dafür die Zeit noch nicht reif sei.
Thalia Theater will künstlerisch auf den Konflikt reagieren
Entsprechend will das Thalia künstlerisch auf den Konflikt reagieren. Und zwar mit einem kurzfristig anberaumten Abend namens „Schweigen durchbrechen“, kommenden Sonnabend, als gemeinsame Aktion mit Hamburg Ballett, Staatsoper, Schauspielhaus, Elbphilharmonie, Ensemble Resonanz, Kampnagel und anderen, innerhalb weniger Tage organisiert – Lux blüht auf, wenn er sich in so eine Ausnahmesituation bringt.
„Das ist wahnsinnig kurzfristig“, bestätigt der Theaterchef. „Ein Theater ist im Normalbetrieb ein Tanker, der sein eigenes Tempo hat. Aber das Tolle am Thalia ist: Wenn es drauf ankommt, dann verwandeln wir uns in ein Schnellboot, drehen uns einmal um uns selbst und fahren in eine andere Richtung.“ Für solche kurzfristigen Kurswechsel nennt er Präzedenzfälle: den „Gottesdienst der Künste“ zu Beginn des Corona-Lockdowns im November 2020 oder das Konzert der Dakh Daughters, um gegen Russlands Angriff auf die Ukraine zu protestieren.
Und jetzt? Was ist geplant, um sich bezüglich des Krieges um Gaza-Stadt zu verhalten? Naturgemäß sind noch viele Punkte offen. Aber Lux redet ohnehin lieber über den Geist der Veranstaltung als über das konkrete Programm: „Was wir erlebt haben, ist ein absoluter Zivilisationsbruch, ein Massaker!“, führt er aus. „Das führt zu Verwerfungen, weltweit, auf allen Ebenen, bis hinein in den eigenen Bekannten- und Freundeskreis.“ Der Intendant erzählt, dass er selbst Freundschaften habe, die gerade einer starken Belastungsprobe ausgesetzt seien angesichts der Komplexität des Geschehens. „Man wirft mit großen Begriffen um sich, und am Ende ist man mit seinem Leid, seiner Bedrückung, seinem Schmerz alleine.“
Joachim Lux glaubt daran, dass es möglich ist, wieder in den Dialog zu kommen
Politisch könne man das Thema stundenlang hin- und herbewegen, Lux aber glaubt daran, dass es möglich ist, die Dialogfähigkeit wiederherzustellen. Und, wer weiß, vielleicht hat er recht – für Dialoge ist das Theater ja tatsächlich der passende Ort. „Es geht darum, Menschen und Künstler zusammenzubringen, die vielleicht ganz unterschiedlich über den Krieg denken. Aber in Zeiten der Kunst gehen sie trotzdem zusammen auf die Bühne.“
- Theater Hamburg: Sonnenanbeterin Elfriede Jelinek strahlt am Thalia eher mühsam
- Elbphilharmonie: „Jüdisches Glück“ und dieser Mut, der nie aufgibt
- Laeiszhalle: Bewegendes Konzert für Israel in Hamburg
Seine Funktion als Theaterchef ist hier weniger eine inhaltliche als eine beratende – er organisiert die Zusammenkunft von Künstlern unterschiedlicher Häuser. Präzise Programmpunkte will und kann er dagegen zwei Tage vor dem Termin noch keine nennen, nach und nach werden die Beteiligten bekannt geben, was sie beitragen können. Ganz kurzfristig.
„Schweigen durchbrechen. Wir in Hamburg bleiben zusammen“ Sonnabend, 11. November, 20 Uhr, Thalia Theater, Alstertor, Tickets zu 15 Euro unter www.thalia-theater.de