Hamburg. Beharrliches Nachstellen kommt immer wieder vor, zum Teil über Jahre. Was die Betroffenen durchleiden – und was Experten empfehlen.

Es ist für die betroffenen Opfer ungeheuer belastend: Stalking. Manche finden überhaupt keine Ruhe mehr, weil jemand sie permanent belagert, verfolgt, anruft, ihnen auflauert. Ein selbstbestimmtes Leben, ein Leben in Frieden, ist für solche Opfer praktisch nicht mehr möglich.

„Es gibt Opfer, die über Jahre gestalkt werden“, sagt Rechtsmediziner Klaus Püschel in „Dem Tod auf der Spur“, dem Crime-Podcast des Hamburger Abendblattes mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher. „Manche Stalker machen ihren Opfern das Leben regelrecht zur Hölle. Dann spielen sich tatsächlich menschliche Tragödien ab.“

Stalking in Hamburg: Eine Frau wurde niedergeschossen, die andere ermordet

Bei einem der Fälle, die Püschel und Mittelacher intensiv beleuchten, ist am Ende ein Mensch sehr schwer verletzt worden. „Man kann sagen, dass es fast an ein Wunder grenzt, dass es keine Toten gab“, sagt Mittelacher. „In einem anderen Fall wurde eine junge Frau durch einen Stalker sogar umgebracht. Anschließend beging der Mann Suizid.“

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Zunächst das Schicksal einer 18-Jährigen und deren Mutter: Die junge Frau wurde von einem Mann über lange Zeit verfolgt. Am Ende war der Stalker so voller Hass, dass er Kugeln auf die Angehörigen seiner Angebeteten abfeuerte.

Der Fall begann im Jahr 2020. Ein damals 23-Jähriger sieht im Hamburger Süden auf der Straße eine junge Frau. Er findet sie attraktiv, möchte sie näher kennenlernen. Doch sie signalisiert ihm, dass sie kein Interesse an ihm hat.

Stalking in Hamburg: Täter lauerte Frau auf – Opfer konnte nicht entkommen

Aber das hat Mehmet R. (Name geändert) nicht von weiteren Annäherungsversuchen abgehalten. Über Monate hat der 23-Jährige doch der Schülerin weiter nachgestellt, sie um ihre Telefonnummer gebeten, ihr aufgelauert. Sie konnte ihm gar nicht mehr entkommen.

Dem Angeklagten (l.) wurde nach einem Fall von Stalking versuchter Mord vorgeworfen.
Dem Angeklagten (l.) wurde nach einem Fall von Stalking versuchter Mord vorgeworfen. © picture alliance/dpa/dpa/Pool | Christian Charisius

Der spätere Täter hat seine dunklen Absichten zwar relativ deutlich formuliert. Er hat in sozialen Netzwerken bekannt gemacht, dass er Rachegedanken hat. Er schrieb unter anderem, dass sie „ihr Leben gelähmt und ohne ihre Familie verbringen“ werde. Einige Tage später notierte er, dass er sich „gerade nur schwer aufhalten“ könne, nicht der ganzen Familie „in den Kopf zu schießen“.

Aber seine Warnungen haben das spätere Opfer nie erreicht. Der Täter hat sich in der Internetadresse geirrt. Seine Drohungen gingen an eine andere, vollkommen unbeteiligte Frau. Die, die eigentlich gemeint war, konnte nicht ahnen, in welcher Gefahr sie und ihre Angehörigen schwebten.

Stalking: Angeklagter behauptet, er habe der Frau lediglich „Angst machen“ wollen

Schließlich kam es im März 2021 zu einem Angriff auf die Familie der 18-Jährigen. Der Stalker schoss auf Mutter und Bruder der jungen Frau. Die Mutter wurde schwer im Gesicht verletzt. Der Schütze musste sich dann später unter anderem wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten. „Der angeklagte Mann hat im Prozess eingeräumt, die Schüsse auf die 53-Jährige abgefeuert zu haben“, berichtet Mittelacher. „Doch er habe sie nicht töten, sondern bewusst an ihr vorbeischießen wollen, hat der Angeklagte beteuert. Er habe der Frau lediglich ,Angst machen‘ wollen.“

Klaus Püschel und Bettina Mittelacher haben seit mehr als vier Jahren einen gemeinsamen Crime-Podcast.
Klaus Püschel und Bettina Mittelacher haben seit mehr als vier Jahren einen gemeinsamen Crime-Podcast. © Roland Magunia/Funke Foto Services | Roland Magunia

„Ob man das so glauben kann?“, fragt Püschel. „Wenn man wirklich nur drohen und Angst machen will – was natürlich schon schlimm genug ist – könnte man ja beispielsweise in die Luft schießen. Hier aber war es wirklich knapp. Das Opfer hat schwerste Verletzungen erlitten. Schon im Prozess war ja davon die Rede, dass die Frau acht Tage im Koma lag und weitere Wochen in der Klinik verbringen musste. Ihr Kiefer war zertrümmert. Solche Verletzungen sind sehr schwer zu behandeln. Im Übrigen: Schussverletzungen, die den Kopf des Opfers treffen, sind fast immer potenziell lebensbedrohlich.“

„Ich habe eine Pfütze voll Blut gesehen“, sagte die gestalkte Frau

Trotzdem hat es die schwer verletzte, stark blutende Frau geschafft, sich in das Treppenhaus und dann in die Wohnung zu retten. Ihr 13 Jahre alter Sohn hat ihr dabei geholfen. Die Szenerie, die die gestalkte 18-Jährige dann zu Hause erlebt hat, hat die junge Frau als Zeugin vor Gericht geschildert. Für einen Moment habe sie gefürchtet, ihre Mutter sei tot. „Ich habe eine Pfütze voll Blut gesehen. Überall war Blut“, erzählte die junge Frau. Und auch die schwer verletzte Mutter glaubte, sie habe nur noch wenige Augenblicke zu leben. „Ich habe nur zu Gott gebetet“, erinnerte sich die Frau. Sie sei sich „fast sicher gewesen, ich würde sterben“.

Das Urteil gegen den Schützen lautete schließlich auf elfeinhalb Jahre Freiheitsstrafe. Die Vorsitzende Richterin sprach in der Urteilsbegründung von einer „furchtbaren Tat“. Mehmet R. habe „um das Unrecht seines Verbrechens gewusst“. Es sei allenfalls „dem Glück und Zufall zu verdanken“, dass die Mutter der 18-Jährigen nicht verstorben und ihr Bruder „zumindest körperlich unversehrt geblieben ist“.

Die Opfer seien vollkommen überrumpelt gewesen und hätten sich nicht wehren können, betonte die Richterin. Damit habe Mehmet R. heimtückisch gehandelt.

Stalking-Fall in Hamburg: Eine Frau wurde erschossen, der Täter nahm sich danach das Leben

Bei einem zweiten Fall von Stalking wurde im April 2022 eine junge Frau getötet – und der Täter nahm sich anschließend das Leben. „Dieser Fall galt ja zunächst als sehr rätselhaft“, erinnert sich Mittelacher. „Erst nach und nach wurde bekannt, dass die junge Frau, die in einem Mehrfamilienhaus in Hamburg erschossen wurde, Opfer eines Stalkers war.“

Bei dem 22 Jahre alten mutmaßlichen Täter handelte es sich um einen jungen Mann, der vom Bodensee aus nach Hamburg gereist war, um erst die 22-Jährige und dann sich selbst zu töten. Die Mutter der jungen Frau hat später in den Medien geschildert, dass ihre Tochter Opfer eines Stalkers gewesen sei. Der gleichaltrige junge Mann soll sie über Monate belästigt haben.

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Allerdings lag bei der Polizei keine Anzeige vor. Offenbar hat die junge Frau nicht ahnen können, wie sehr die Situation sich zuspitzen könnte, dass sie wirklich in Gefahr sein könnte. Offensichtlich hat der 22-Jährige die junge Frau dann im Treppenhaus vor deren Wohnung abgefangen und niedergeschossen.

„Eine ganz schlimme Geschichte“, meint Püschel. „Wirklich sehr traurig, dass ein junges Leben so ausgelöscht wurde. Die Frage ist, ob die Tat zu verhindern gewesen wäre?“

Experten empfehlen, wie Opfer sich am besten verhalten sollen

„Das kann man natürlich nicht sicher sagen“, überlegt Mittelacher. „Aber es gibt Ratschläge von Experten, wie Opfer sich am besten verhalten und auch rechtliche Schritte einleiten können.“ So hat zum Beispiel die Opferschutzorganisation Weißer Ring Selbsthilfe-Tipps für Stalking-Opfer zusammengestellt.

Darin heißt es unter anderem, dass man nach einem Vorfall unbedingt zur Polizei gehen und ein Protokoll aufnehmen lassen solle. Gegen Stalking kann auch zivilrechtlich vorgegangen werden, zum Beispiel mit einem Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz beim Familiengericht. Stalking ist seit einigen Jahren außerdem ein Straftatbestand, auch wenn es da nicht „Stalking“, sondern „Nachstellung“ heißt. Möglich ist dann eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe.

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