Hamburg. Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) fordert eine monatliche Erfassung der Delikte und der Motivationslage durch die Schulbehörde.
Ob es aufgrund des Nahost-Krieges infolge des Hamas-Massakers am 7. Oktober vermehrt zu gewalttätigen Übergriffen und Auseinandersetzungen auf Hamburger Schulhöfen gekommen ist, kann die Schulbehörde nicht beantworten. „Die erfragten Daten werden von der für Bildung zuständigen Behörde nur schuljahresbezogen erfasst. Eine unterjährige Auswertung der Gewaltmeldungen aus den Hamburger Schulen durch die für Bildung zuständige Behörde erfolgt nicht“, heißt es in der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Anna von Treuenfels-Frowein, die sich nach der Zahl der Gewalttaten an Schulen seit dem 1. Januar 2023 erkundigt hatte.
Immerhin: Laut Senat sind bei der Abteilung Staatsschutz des Landeskrimialamts (LKA 7) bis zum Stichtag 13. November keine Gewalttaten an Schulen erfasst worden, „die in einem direkten Zusammenhang zu den Vorgängen in Nahost“ stehen. Dass es allerdings vermutlich zu einem erneuten Anstieg der registrierten Gewalttaten insgesamt an Schulen bereits vor dem 7. Oktober gekommen ist, legt der Vergleich mit der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nahe.
„Im ersten bis dritten Quartal 2023 wurden insgesamt 300 Gewalttaten in der PKS in der Tatörtlichkeit ,Schule‘ erfasst“, schreibt der Senat in der Antwort auf die FDP-Anfrage und teilt außerdem die aktuellsten Zahlen der Schulbehörde mit: „Im Schuljahr 2022/23 gab es insgesamt 201 Gewaltmeldungen aus 123 Schulen.“ Das bezieht sich auf das gesonderte Meldeverfahren, nach dem die Schulen über Gewaltvorfälle an die Schulbehörde berichten müssen.
Schule Hamburg: Statistik erfasst nicht, ob eine Tat während der Schulzeit oder danach verübt wurde
Eine gewisse Unsicherheit bei der Bewertung des Anstiegs liegt in dem Begriff „Tatörtlichkeit Schule“ der PKS. „Die Tatörtlichkeit ,Schule‘ lässt nicht erkennen, ob eine Tat im schulischen Zusammenhang bzw. von Schülerinnen und Schülern oder schulfremden Personen außerhalb der Schulzeit verübt wurde“, heißt es in der Senatsantwort. Es würden auch Taten erfasst, „die ohne schulischen Kontext auf dem Gelände der Schule geschehen“.
Ausweislich der Kriminalstatistik ist die Zahl der gefährlichen und schweren Körperverletzungen an Hamburger Schulen gegenüber der Vor-Coronazeit um 37 Prozent angestiegen. Wurden 2019 noch 227 dieser Delikte auf Schulhöfen und in Klassenzimmern registriert, waren es für das Jahr 2022 bereits 311 Taten. Auch hier ist der Vergleich nur bedingt möglich. Die 300 Gewalttaten an Schulen im Laufe der ersten neun Monate dieses Jahres umfassen mehr Deliktarten als nur Körperverletzungen: Zur Gewaltkriminalität zählen unter anderem auch Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Raub, räuberische Erpressung und Geiselnahmen.
In den ersten drei Quartalen 2023 registrierte die Polizei 300 Gewalttaten an Schulen
Der FDP-Abgeordneten Treuenfels-Frowein fordert eine präzisere und aktuellere Auswertung der Gewalttaten. „Die Polizei hat in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 300 Gewalttaten an Schulen registriert, die Schulbehörde im ganzen Schuljahr 2022/23 gerade 201. Das und der seit dem brutalen Hamas-Überfall auf Israel vor allem unter Jugendlichen grassierende Antisemitismus machen es dringend nötig, zeitnah mehr über Gewaltvorfälle an Schulen zu erfahren. Die Schulbehörde aber macht keine Anstalten, dazu Details zu erfassen“, sagt Treuenfels-Frowein.
„Hamburgs Schulen brauchen eine möglichst monatliche Erfassung der Gewalt auf Schulhöfen und in Klassenzimmern. Auch eine differenzierte Feststellung der Motivationslage von Gewalttaten ist überfällig“, so die Liberale. Nur wenn das genauere Wissen über die Hintergründe vorlägen, könnten gezielte Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Treuenfels-Frowein regt außerdem an, externe Experten hinzuziehen.
Landesinstitut für Lehrberbildung verzeichnet eine Zunahme der Beratungsanfragen
Der Krieg in Nahost und seine Hintergründe sind nicht nur ein Thema für den Unterricht, sondern auch für das Zusammenleben in der Schule. Das zeigt die gestiegene Zahl von Beratungsanfragen zum pädagogischen Umgang mit der Lage in Nahost beim Landesinstitut für Lehrerbildung (LI) seit dem 7. Oktober. Gab es in den ersten drei Wochen jeweils eine bzw. zwei Anfragen, so waren es in den Wochen danach fünf und zuletzt sieben Beratungsanfragen. Das LI hat die pädagogischen Hinweise zu diesem Thema um ein Paket mit Angeboten an Fortbildungsveranstaltungen ergänzt.