Hamburg. SPD und Grüne wollen zudem städtische Fahrzeugflotte CO2-frei machen. CDU nennt Gesetz eine „Zumutung“. Finale Abstimmung im Dezember.
Der Vorstoß von SPD und Grünen kam kurzfristig: Auch alle bestehenden öffentlichen Hamburger Gebäude sollen künftig Solardächer bekommen, soweit dies technisch möglich ist – diese Erweiterung des neuen Klimaschutzstärkungsgesetzes brachten die Regierungsfraktionen am Mittwoch per Zusatzantrag zur Bürgerschaftssitzung ein. Bisher beschränkt sich eine Pflicht für Solarmodule auf Neubauten der Stadt; Hamburg hinkt im Bundesvergleich wie berichtet mit seinen Dienstgebäuden hinterher.
Der rot-grüne Senat soll allerdings erst bis 2026 einen Bericht über die Eignung von Dach- und Fassadenflächen der bestehenden städtischen Gebäude für erneuerbare Energien vorlegen, heißt es in dem Antrag. Der Senat wird zudem dazu aufgefordert, eine hamburgweite Solarstrategie zu erarbeiten, die „ambitionierte Ausbauziele bis 2030 definiert“.
Für mehr Klimaschutz in Hamburg: Rot-Grün will CO2-freie städtische Fahrzeugflotte
Erheblich schneller umsetzen wollen SPD und Grüne eine weitere Ergänzung des Klimaschutzstärkungsgesetzes: Hamburg soll für die öffentliche Fahrzeugflotte „weitestgehend CO2-freie Fahrzeuge“ beschaffen, um der „Vorbildfunktion der Stadt gerecht zu werden“ – dies soll schon von 2024 für neue städtische Pkw und von 2025 an für neue städtische Lkw gelten. Die zusätzlichen Maßnahmen seien das Ergebnis der Gespräche mit Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft in Ausschüssen der Bürgerschaft, hieß es.
Mit dem Klimaschutzstärkungsgesetz und der Fortschreibung des Hamburger Klimaplans soll festgelegt werden, wie die Hansestadt ihren CO2-Ausstoss bis 2030 um 70 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 senken und bis 2045 CO2-neutral werden soll. Um dies zu erreichen, soll etwa schon vom kommenden Jahr an auch für private Bestandsgebäude eine Photovoltaikpflicht gelten: Wer sein Dach grundlegend saniert, muss mindestens 30 Prozent der Fläche mit Solarpaneelen versehen. Reparaturmaßnahmen von sturm- oder unwetterbedingten Elementarschäden sollen die Pflicht jedoch nicht auslösen, so der Senat.
Solar- und Gründachpflicht: Was der Hamburger Senat plant
Von 2027 an soll sowohl für Neu- als auch Bestandsbauten eine Solargründachpflicht bestehen. Der Anteil der Dachfläche, die dann für Photovoltaik und Grün genutzt werden muss, liegt bei 70 Prozent. Für Dächer, die sich technisch nicht eignen, gibt es Ausnahmeregelungen: Bis zu einer Dachneigung von zehn Grad greife die Solargründachpflicht, so die Umweltbehörde. Jede höhere Neigung falle nicht unter die Gründachpflicht, aber unter die Photovoltaikpflicht.
SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf sagte am frühen Mittwochnachmittag in der Aktuellen Stunde, die Koalition setze ihren „erfolgreichen Kurs in der Hamburger Klimapoliktik fort“. Dieser Weg führte dazu, „dass wir die Menschen mitnehmen“. Rot-Grün schaffe „Anreize zum Mitmachen, statt Verbote“, setze auf Beteiligung. Schon bei der Gesetzeserstellung und bei der Überarbeitung des Klimaplans seien die Verbände eingebunden gewesen. „Wir in Hamburg nehmen unsere Verantwortung wahr für künftige, für heutige Generationen, für Hamburg, aber auch weltweit.“
Opposition: Klimaschutz-Maßnahmen gehen zulasten der Bürger
Klimaschutz sei „keine Nebensächlichkeit, sondern pure wirtschaftliche Notwendigkeit“, sagte Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen. „Unsere Unternehmen benötigen günstigen, grünen Strom, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Die Hansestadt stecke „voller Potenziale für die Solarenergie, etwa auf Dächern von Discountern und Gewerbehallen sowie über Parkplätzen und landwirtschaftlichen Flächen“. Rot-Grün wolle mit den Eigentümern „Win-win-Lösungen für alle schaffen“.
Die Opposition hielt dagegen. Das Klimagesetz sei eine „Zumutung für die Menschen und die Wirtschaft in der Stadt“, es bedeute vor allem hohe Sanierungskosten für Hamburgs Bevölkerung und weitere Auflagen für Unternehmen, „während die Stadt und öffentliche Unternehmen den eigenen Ansprüchen seit Jahren nicht gerecht werden“, sagte Stephan Gamm von der CDU-Fraktion. Die CDU forderte am Mittwoch eine Übergangsfrist, wonach die neuen Regeln erst von Juli 2024 gelten sollten, stieß damit aber auf Ablehnung bei den Regierungsfraktionen.
Linken-Fraktion zu Solardach-Pflicht: Mieten dürfen wegen Sanierungen nicht steigen
Die Linken-Fraktion kritisierte, der Senat lasse die Kosten, die im Rahmen der Maßnahmen auf die Hamburger zukommen, offen. „Wichtig ist uns vor allem, dass die Mieterinnen und Mieter am Ende nicht mehr bezahlen müssen“, sagte die Abgeordnete Heike Sudmann. Schon heute lasse die Angst vor der nächsten Mieterhöhung viele Hamburger schlecht schlafen. Die Linken-Fraktion forderte zudem, der Senat solle sich am 1,5 Grad-Ziel orientieren und eine CO₂-Budgetierung für Hamburg festlegen – doch dem wollten SPD und Grüne nicht zustimmen.
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Als „peinlich“ bezeichnete der AfD-Abgeordnete Thomas Reich die Pläne von SPD und Grünen. Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein bezeichnete das Klimaschutzstärkungsgesetzt als „unverhältnismäßig, intransparent und nicht zielführend“. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf wolle die Menschen mitnehmen? „Ihre Maßnahmen sind genau das Gegenteil davon“, sagte sie.
Am Mittwochabend beschloss die Bürgerschaft das Gesetz in erster Lesung und damit nicht abschließend. Rot-Grün habe das Gesetz „hastig und intransparent“ durchbringen wollen, hieß es von der AfD. Einvernehmlich beschlossen die Fraktionen, in zweiter Lesung in der Bürgerschaftssitzung am 6. Dezember über das Gesetz zu entscheiden.