Hamburg/Berlin. Durchsuchung der Hamburger Polizei an der Blauen Moschee an der Alster lief über Stunden. Warum die Aktion extrem heikel ist.
Der Zugriff kam um 6.10 Uhr, Adresse Schöne Aussicht 36: Schwer bewaffnete Polizisten stürmten die Imam-Ali-Moschee an der Außenalster und das Islamische Zentrum Hamburg (IZH). Sie drangen in Gebetsräume, Büros und die Tiefgarage vor. Auch nach mehr als zehn Stunden war der Einsatz hier und an einigen der gleichzeitig 30 weiteren in Hamburg durchsuchten Häuser noch nicht beendet.
Denn die allein am Donnerstag in Hamburg eingesetzten 300 Beamtinnen und Beamten (bei dazugehörigen Razzien bundesweit insgesamt wohl 800) förderten massenweise Beweismittel zutage.
Islamisches Zentrum Hamburg (IZH): Razzia förderte Erstaunliches zutage
In Hamburg fuhren erst zwei, dann ein dritter Lkw der Polizei vor, um Mobiltelefone, Tablets und Computer zu beschlagnahmen und mit Büchern aus einer bislang unbekannten Bibliothek, Schriftstücken, Flugblättern und Akten in zahllosen Kartons abzutransportieren. Ein Tresor wurde aus dem muslimischen Gotteshaus gehievt.
Reingebracht wurden Geldzählmaschinen, wie man sie aus Banken kennt. Denn offenbar wurden größere Mengen an Bargeld gefunden. Die Polizisten brachten Stemmeisen mit, einen 3-D-Scanner, um das Gebäude von innen digital aufzunehmen, und Gerätschaften, mit denen sie Wände einreißen und mögliche Verstecke aufflexen konnten. Die Razzia wurde unter größten Sicherheitsvorkehrungen vorbereitet. Die Einsatzpläne waren als „geheim“ eingestuft. So wusste in Hamburg nur eine Handvoll Beamte, die alle eine entsprechende Sicherheitsüberprüfung durchlaufen hatten, von dem bevorstehenden Einsatz.
Die Großrazzia gegen das mutmaßlich extrem-islamistische IZH glich einem Abbruch-Unterfangen. Ob und wann die Blaue Moschee wieder genutzt werden kann, dazu wollte sich Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) am Donnerstag auf Abendblatt-Anfrage nicht äußern. Die Federführung hatte ohnehin Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie sprach in Berlin von einer „hohen Wachsamkeit“ gegenüber israelfeindlichen und antisemitischen Strömungen innerhalb Deutschlands und meinte den Terror-Angriff der Hamas auf Israel, die Geiselnahme und die folgende israelische Offensive im Gazastreifen. Sie sprach von einem konsequenten Vorgehen“ gegen mutmaßliche Terror-Unterstützer in Deutschland.
Im IZH sehen Verfassungsschutz und andere Behörden seit Langem einen Statthalter des diktatorischen iranischen Regimes. Teheran unterstützt seit Jahren die Hamas, aber eben auch die Hisbollah, die als militärische oder paramilitärische Organisation vom Libanon aus ihren islamistischen Schrecken verbreitet. Faeser sagte, die Aktionen richteten sich nicht gegen einzelne Religionen oder Staaten, sondern gegen Israel-Feinde und Antisemiten. Sie musste sich extrem diplomatisch äußern, weil am Freitag der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Berlin zu Gast ist. Erdogan gilt als Unterstützer der Palästinenser und war zuletzt mit Israel-feindlichen Äußerungen aufgefallen.
Innensenator Grote: Je schneller das IZH verschwindet, umso besser
Faeser und weitere Innenexperten erklärten, in Hamburg und bei den Razzien in anderen Bundesländern gehe es vor allem darum, Beweismittel zu sichern, um das IZH mit vereinsrechtlichen Begründungen und wegen grundgesetzwidriger Aktivitäten verbieten zu können. Grote sagte: „Das offenbar weit vorangeschrittene Verbotsverfahren, dem die heutigen Durchsuchungen dienten, sind das Ergebnis der jahrelangen und intensiven Arbeit unseres Hamburger Verfassungsschutzes, der stets auf die extremistische Ausrichtung des IZH hingewiesen und den Druck hochgehalten hat. Die Arbeit der Sicherheitsbehörden in Hamburg hat maßgeblich dazu beitragen, dass das IZH zuletzt die Schura verlassen musste und wir den stellvertretenden Leiter ausweisen konnten. Je schneller das IZH nun als Ganzes aus Hamburg verschwindet, umso besser.“
Seit Jahren tobt in Hamburg der Streit um das IZH und seine Rolle für die islamistische Propaganda aus dem Iran. Erst in der vergangenen Woche hatte es erstmals in der Bürgerschaft einen fraktionsübergreifenden Antrag von SPD, Grünen, CDU und der FDP-Abgeordneten Anna von Treuenfels-Frowein gegeben, der Hamas-Terror verurteilte und sich zur Solidarität mit Israel bekannte und gleichzeitig sich für die Schließung IZH aussprach.
Das Islamische Zentrum selbst erklärte am Nachmittag: Man kooperiere „vollständig“ mit den Behörden und vertraue auf den deutschen Rechtsstaat. „Das IZH zeigt sich zuversichtlich, dass die Ergebnisse der Durchsuchung diesen Anfangs-verdacht nicht erhärten können.“ Das IZH wisse, dass es seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Offenbar habe sich auch dadurch der Verdacht gegen das Zentrum nicht erhärtet. Zwei Behauptungen aus den Verfassungsschutzberichten 2018 und 2019 hätten bereits zurückgenommen werden müssen.
Razzia beim IZH: Markige Reaktionen der Hamburger Opposition
Oppositionsführer Dennis Thering (CDU) erklärte, es sei schon zu viel Zeit verloren gegangen, weil die rot-grüne Senatsfraktion sich lange gegen eine Schließung gesperrt habe. „Es ist umso tragischer, dass es erst des bestialischen Terrorangriffs der Hamas auf Israel bedurfte, bis Bewegung in die Sache gekommen ist.“
Treuenfels-Frowein sagte: „Die einschlägigen Erkenntnisse des Verfassungsschutzes gegen den verlängerten Arm der Mullahs und Hamas-Unterstützer in Hamburg liegen seit Jahren vor. Die Schließung des IZH hätte längst angegangen werden müssen.“ Für die AfD erklärte deren Fraktionschef Dirk Nockemann: „Der Islamismus ist die größte Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Durch die blinde Toleranz von Rot-Grün konnte das IZH jahrelang schalten und walten, wie es wollte, und seine Einflusssphäre vergrößern.“ Er sprach von einer „realen Terrorgefahr“ durch Islamisten.
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Zum IZH gehört unter anderem auch die Islamische Akademie in Flughafennähe in Groß Borstel, die ebenfalls durchsucht wurde. Hier werden schiitische Geistliche ausgebildet, es gibt ein Studentenwohnheim und ein Fitnessstudio sowie kostenlose Mahlzeiten. Das Studium ist nach Angaben der Akademie kostenlos und werde von „Wohltätern“ finanziert.
Blaue Moschee mit Spenden von Hamburger Kaufleuten finanziert
Die Blaue Moschee an der Alster wurde nach fünf Jahren Bauzeit 1965 fertiggestellt. Geldgeber waren wohlhabende iranische Kaufleute. Damals schickten die „guten“ Familien Teherans ihre Söhne in die Welt, damit sie studieren. Hamburg war eines der Hauptziele. Viel der jungen Iraner, die sich hier ausbilden ließen, wurden Kaufleute oder Ärzte. Die historische Speicherstadt war über Jahrzehnte der weltweit größte Umschlagplatz für Orientteppiche. Die Geschäfte liefen prächtig. Entsprechend großzügig fielen die Spenden für die Moschee aus, die damals umgerechnet rund 1,2 Millionen Euro kostete.
Das American Jewish Committee Berlin begrüßte die Maßnahmen gegen das IZH und sein Umfeld. „Das Mullah-Regime verbreitet über seine Propaganda-Institutionen und Strukturen in Deutschland seine antisemitische, islamistische, homophobe und misogyne Ideologie und stellt eine reale Gefahr für die jüdische Gemeinschaft sowie Oppositionelle, Kurdinnen und Kurden und andere Minderheiten hierzulande dar“, hieß es in einer Mitteilung.