Hamburg. Zahlen zeigen: Kaum Photovoltaik auf Dächern städtischer Gebäude. Bei Gründächern sieht es noch schlechter aus. Was der Senat plant.
Wenn es um Vorschriften für Bürger zum Klimaschutz geht, ist Hamburg weit vorne. Seit diesem Jahr müssen Neubauten mit Photovoltaikanlagen ausgestattet werden, von 2024 an gilt die Solardachpflicht auch bei Dacherneuerungen – und ab 2027 kommt dann eine kombinierte Solargründachpflicht hinzu. Wenn es allerdings um die eigenen Gebäude geht, dann liegt Hamburg ganz weit hinten.
Nur einen minimalen Bruchteil der eigenen Immobilien haben der Senat und seine öffentlichen Unternehmen bisher in dieser Weise klimagerecht umgestaltet. Das zeigen neue Zahlen, die die CDU abgefragt und ausgewertet hat.
Solar aufs Dach: Hamburg zwingt Bürger und versagt bei sich selbst
Demnach sind gerade einmal 211 von insgesamt 10.610 Gebäuden der Stadt und ihrer Unternehmen mit Photovoltaikanlagen ausgestattet – das sind nicht einmal zwei Prozent. Bei den Gründächern sieht es noch schlechter aus, von diesen gibt es erst lediglich 137 auf städtischen Gebäuden, was nicht einmal 1,3 Prozent entspricht. Die Daten, die die CDU für ihre Analyse genutzt hat, stammen aus der Antwort des Senats auf eine Große Anfrage und aus weiteren Kleinen Anfragen des CDU-Umweltpolitikers Sandro Kappe.
Saga Hamburg: Nur sehr kleiner Bruchteil der Gebäude mit Photovoltaik ausgestattet
Die Hamburger Verwaltung selbst verfügt laut dessen Auswertung insgesamt über 3441 Gebäude. Davon machen die Schulimmobilien des Sondervermögens mit 2858 Gebäuden den größten Teil aus. Die öffentlichen Unternehmen besitzen 7169 Gebäude, wobei das städtische Wohnungsunternehmen Saga mit seinen 5972 Immobilien mit Abstand den größten Teil beisteuert, es folgt mit großem Abstand die Sprinkenhof GmbH mit 339 Gebäuden.
Besonders schlecht sieht es mit Photovoltaik (PV) laut der Auswertung bei der Saga aus. Das städtische Wohnungsunternehmen besitzt laut der Senatsantwort 5972 Gebäude. Aber nur auf 31 davon gibt es PV-Anlagen. Und nur auf 320 weiteren wurde laut CDU-Auswertung eine sogenannte Potenzialanalyse durchgeführt, also überprüft, ob und wie hier PV installiert werden könnte.
Gründächer Hamburg: Nicht mal 0,3 Prozent der Gebäude städtischer Firmen haben eins
Etwas besser sieht es bei den Gebäuden aus, die der Stadt selbst gehören. Hier sind mittlerweile 160 der 3441 Immobilien mit PV ausgestattet, also rund 4,7 Prozent. Allerdings wurde auch hier bisher erst bei einem sehr kleinen Teil der Gebäude eine Potenzialanalyse durchgeführt, nämlich bei 181. Somit weiß die Stadt bis heute beim allergrößten Teil ihrer Gebäude nicht einmal, ob und in welchem Umfang dort zum Klimaschutz PV-Anlagen installiert werden könnten.
Noch schlechter ist die Situation bei den Gründächern. Aktuell gibt der Senat für die 3441 direkt städtischen Immobilien 116 Dächer mit Grünbedachung an, was gerade einmal 3,4 Prozent entspricht. Bei den öffentlichen Unternehmen gibt es praktisch so gut wie keine Gründächer: Nur 21 der 7169 Gebäude sind damit ausgestattet, das sind mickrige 0,29 Prozent.
CDU-Kritik: Senatoren, die besonders viel über Klimaschutz reden, versagen hier
„Gerade die Senatoren, die sich vermehrt in der Öffentlichkeit präsentieren, um ihr Engagement für den Klimaschutz zu betonen, tragen die Verantwortung für diese Missstände“, sagte der CDU-Abgeordnete Sandro Kappe, der seit Jahren detailliert beim Senat nachfragt und derartige Versäumnisse damit immer wieder offenlegt. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sei für die Verwaltung der Gebäude zuständig, Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) für die Umweltauflagen, so Kappe.
„Auch im aktuellen Entwurf des Klimastärkungsgesetzes betont der Senat weiterhin die Bedeutung der Stadt und ihre Rolle als Vorreiter im Bereich des Klimaschutzes. Beide Senatoren sollten weniger Zeit für öffentliche Auftritte aufwenden und stattdessen endlich ihre Bemühungen darauf konzentrieren, die städtischen Gebäude für den Klimaschutz besser auszurüsten und als Vorbilder für Nachhaltigkeit zu dienen.“
Immobilien Hamburg: Lange wusste die Stadt nicht, wie viele Gebäude sie besitzt
Dabei moniert der CDU-Politiker auch, dass der Senat lange gar keine Daten zum Zustand der eigenen Immobilien systematisch erhoben habe. „Es ist äußerst besorgniserregend, dass der Senat über einen längeren Zeitraum hinweg widersprüchliche Angaben sogar zu der Anzahl der städtischen Gebäude gemacht hat“, so Kappe. „Dies geschah, weil er keine genaue Kenntnis über seinen eigenen Immobilienbestand hatte und sogar grundlegende Informationen über den Energieverbrauch und die Ausstattung dieser Gebäude fehlten. In jedem vernünftig geführten Haushalt und in jeder verantwortungsbewussten Organisation sollten solche Informationen eine Grundvoraussetzung sein. Es ist unerlässlich, dass diese Daten verfügbar sind.“
Erst aufgrund seiner immer neuen Anfragen und dem „damit einhergehenden Druck seitens der Medien wurde Hamburg Energie Service (HES) gegründet, ein eigenes Unternehmen zur Installation von Photovoltaikanlagen“, so Kappe. „Zudem wurden endlich Maßnahmen ergriffen, um den Energieverbrauch in den städtischen Gebäuden zu ermitteln.“
Solar aufs Dach: Finanzsenator Dressel räumt Probleme ein und nennt Ursachen
Der für die Gebäude zuständige SPD-Finanzsenator Dressel räumt die Probleme indirekt ein – und verweist als Entschuldigung auf die Vielzahl von Krisen, etwas Corona, Ukraine-Krieg und Energiekrise. „Die energetische Sanierung und Ausstattung öffentlicher Gebäude mit PV-Anlagen und Gründächern ist ein Marathon, kein Sprint“, sagte Dressel dem Abendblatt. „Das haben wir immer wieder sehr deutlich gemacht. Es wäre vermessen zu erwarten, dass diese Aufgabe angesichts des schieren Umfangs, des heterogenen Gebäudebestandes und auch angesichts der Situation in der Bauwirtschaft mit Materialengpässen und vielem mehr innerhalb weniger Jahre umzusetzen ist.“
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„Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und die damit einhergehende Energiekrise haben den Start zahlreicher Maßnahmen erschwert, vieles aber hat in diesem Jahr wieder Fahrt aufgenommen“, so der Finanzsenator. „Wichtig, aber gleichzeitig sehr herausfordernd, ist auch eine gute Steuerung durch einheitliche Kennzahlen und gezieltes Monitoring. Fakt ist: Wir gehen an diese Aufgabe sehr systematisch und mit einem klaren Plan heran.“
Photovoltaik Hamburg: Dressel sieht Stadt auf gutem Weg, vor allem bei Schulen
So würden nun etwa „alle Schulneubauten im nachhaltigen EG-40-Standard realisiert, sie verbrauchen damit nur 40 Prozent so viel Energie wie normale Gebäude“. Um dies zu erreichen, werde „vorrangig ein Anschluss an das Fernwärmenetz angestrebt“, so Dressel. „Alternativ erfolgt eine Beheizung mit Wärmepumpe, die ihren Strom aus Photovoltaik bezieht.“
Dafür „nimmt die 2022 gestartete Partnerschaft mit Hamburg Energie Solar Fahrt auf“, sagte Dressel. „Waren bis 2022 insgesamt lediglich 9000 Quadratmeter Dachflächen für Photovoltaikanlagen vorgerüstet, sollen bis Ende des Jahres 2023 weitere 20.000 Quadratmeter hinzukommen. Und auch für den sonstigen öffentlichen Gebäudebestand werden die Erfolge bei der energetischen Sanierung in den kommenden Jahren immer mehr sicht- und messbar.“