Hamburg. Uni Hamburg & Co. wollen mehr Dauerstellen schaffen und Karrieren attraktiver machen – aber ohne Quoten. Die Reaktionen sind gemischt.
Sie wollen mit ihrem Vorstoß eine bundesweite Vorreiterrolle einnehmen, ernten dafür neben Lob aber auch Kritik und Mahnungen: Hamburgs staatliche Hochschulen setzen sich in einer „Hamburger Erklärung“ nun gemeinsam das Ziel, die Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft „nachhaltig hervorragend auszugestalten“. Es gehe darum, „im nationalen wie internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe weiterhin zu bestehen“, heißt es in dem von der Landeshochschulkonferenz (LHK) vorgelegten Papier.
Beabsichtigt ist demnach etwa, den Anteil unbefristeter Stellen in der Wissenschaft auch unterhalb der Professur zu erhöhen, allerdings „im gegebenen Rahmen“ und „wenn möglich und finanzierbar“. Es sollen Modelle eingeführt werden, „die persönliche Karrieren in Hamburg attraktiver machen“. Außerdem geplant sei eine „qualitative Verbesserung der Betreuungs-, Begleitungs-, Rekrutierungs- und Evaluationsprozesse“, heißt es in einer begleitenden Pressemitteilung der Universität Hamburg – deren Chef Hauke Heekeren ist LHK-Sprecher. Der LHK zufolge entstand das Papier in „enger Abstimmung“ mit der von Katharina Fegebank (Grüne) geführten Wissenschaftsbehörde. Fegebank sagte, es sei ein „starkes Zeichen, dass die Hamburger Hochschulen gemeinsam vorangehen“.
Uni Hamburg-Chef Hauke Heekeren ist gegen Quoten für unbefristete Stellen
Vor drei Jahren war die #IchBinHanna“-Bewegung gegründet worden, die sich gegen Dauerbefristungen und prekäre Arbeitsbedingungen junger Wissenschaftler wendet. Die Stimmen dieser Initiative und weiterer Akteure seien ein „wichtiger Ansporn“ für die LHK, sagte Heekeren in einem Interview mit dem Berliner Autor Jan-Martin Wiarda. Darauf angesprochen, dass allerdings in der Hamburger Erklärung konkrete Quoten etwa für zusätzliche unbefristete Stellen fehlen, sagte Heekeren, er sei „kein Fan fester Quoten“.
Denn: „Die werden der Sache nicht gerecht, weil jede Veränderung wissenschaftsgeleitet sein und damit zu den Umständen in den einzelnen Disziplinen passen muss“, sagte der Uni-Chef. „Wir fragen unsere Fakultäten in Gesprächen immer: Wie sieht euer Personalstrukturentwicklungskonzept aus? Wie und nach welchen Kriterien wollt ihr den Anteil an Dauerstellen erhöhen? Wenn wir uns dann kleinteilig über Quoten streiten, wird das die Bereitschaft zur Veränderung nicht erhöhen.“
Uni Hamburg will sich an Versprechen messen lassen
Die Umsetzung werde an jeder Hamburger Hochschule unterschiedlich ablaufen müssen, auch mit verschiedenen Zielgrößen, sagte Heekeren. „Aber wir verpflichten uns zum Handeln. Und als Präsident der Universität Hamburg sage ich für unsere Hochschule: Wir werden uns an diesem Versprechen messen lassen.“ Ziel der Uni sei es, „in den nächsten zwölf Monaten viele Dinge umzusetzen“.
Die Resonanz fällt gemischt aus. „Ich finde es einen großen Erfolg, dass man endlich wenigstens den Anspruch formuliert, ‚hervorragende Beschäftigungsbedingungen‘ zu liefern“, sagte Sebastian Kubon, Mitinitiator der #IchBinHanna“-Bewegung. „Angesicht der im Text beschriebenen teils vagen und wenig verbindlichen Maßnahmen bleibe ich vorerst eher gespannt, was dabei Zählbares herauskommen mag. Der formulierte Anspruch erzeugt schon eine riesige potenzielle Fallhöhe“, sagte der promovierter Mediävist, der früher an der Uni Hamburg arbeitete.
Opposition spricht von „Lippenbekenntnissen“ und „vagen Ankündigungen“
Die „Hamburger Erklärung“ enthalte „nichts, was auch nicht vorher schon einmal an Lippenbekenntnissen abgelegt wurde“, sagte die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Anke Frieling. „Echte Perspektiven bietet das Papier nicht.“ Seltsam sei der Zeitpunkt der Veröffentlichung: In dem Papier heißt es, die aufgeführten Beschäftigungsmodelle ergänzten die nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz vorgesehenen Möglichkeiten „optional“ – allerdings ist die Reform des besagten Gesetzes durch den Bund noch gar nicht abgeschlossen.
Ähnlich äußerte sich die Linken-Abgeordnete Insa Tietjen: Es sei zwar erfreulich, dass sich Wissenschaftsenatorin Katharina Fegebank „endlich den prekären Arbeitsverhältnissen im Hamburger Wissenschaftsbetrieb widmen“ wolle. „Dennoch frage ich mich, warum wir uns mit den gleichen Fragen wie zu Beginn der Legislaturperiode beschäftigen müssen“, sagte Tietjen. „Der Hamburger Erklärung fehlen verbindliche Entfristungsvorgaben und die Verbesserungsvorschläge bleiben hinter den tatsächlichen Bedarfen der Beschäftigten zurück. Es handele sich um „vage Ankündigungen“.
Gewerkschaft: „Schöne Worte helfen niemandem, dessen Vertrag nicht verlängert wird“
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Hamburg begrüßte die Erklärung zwar als „Grundlage für konkrete Maßnahmen“. Aber: „Schöne Worte helfen niemandem, dessen Vertrag nicht verlängert wird“, sagte der Hamburger GEW-Vorsitzende Sven Quiring. „Hier bräuchte es dringend hochschulspezifische Kriterien und auch die nötigen zusätzlichen finanziellen Ressourcen.“
Ausdrücklich erst „vorläufig“ bewerten wollte die Mittelbau Initiative Hamburg das Papier. Dieses sei zwar ein „positives Signal“ der Hamburger Hochschulen, dass sie „die prekäre Arbeitssituation des Mittelbaus an den deutschen Hochschulen erkennen und gewillt sind, diese zu verbessern“. Aber: „Erst an der Umsetzung an den verschiedenen Hochschulen wird man die Wirksamkeit der Hamburger Erklärung am Ende bewerten können.“ Wie etwa die in der Erklärung erwähnten „forschungsorientierten Postdoc-Stellen auf Dauer“ in personell weniger gut ausgestatteten Fachbereichen umgesetzt werden könnten, müsse noch geklärt werden.
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Hochschulpräsidenten haben sich zusammengeschlossen
In der Landeshochschulkonferenz (LHK) sind als Vertreter der staatlichen Hamburger Hochschulen die Präsidentinnen und Präsidenten der Universität Hamburg, der HAW Hamburg, der Technischen Universität Hamburg in Harburg, der HafenCity Universität, der Hochschule für Musik und Theater und der Hochschule für bildende Künste zusammengeschlossen. Das Gremium will „gemeinsame Anliegen zur Geltung“ bringen.