Hamburg. Wie sich Zeiten gleichen: Schon 2000 versuchte man, die Lage am Hauptbahnhof in Griff zu kriegen – mit genau den Konzepten von heute.
„Die Hamburger Polizei verstärkt in gemeinsamer Arbeit mit der Bundespolizei und mit modifiziertem Konzept den Kampf gegen die offene Drogenszene.“ „Im zweiten Quartal zeichnete sich eine Zunahme der Crack-Konsumenten in Hamburg ab. Es sind intelligente Strategien gefragt, die sich an den Realitäten orientieren.“ Und: „Das Drogenproblem ist nicht allein Aufgabe der Polizei.“ Was wie eine hochaktuelle Strategie für Hamburgs Hauptbahnhof und seine Umgebung klingt, ist alt. Genau 23 Jahre alt. Damals war nicht nur die Situation im Bereich St. Georg vergleichbar mit heute. Auch die Lösungsansätze weisen auffallende Parallelen auf.
Es sind viele Ähnlichkeiten, die sich aufdrängen. So wurde damals eine Drogeneinsatzgruppe, kurz DEG, aufgestellt, um mehr Polizei vor Ort zu haben, die „sichtbare“ und „aktive polizeiliche Präsenz an den Brennpunkten in St. Georg und der Sternschanze“ gewährleisten soll. Auch aktuell wurde die Polizei jetzt wieder im Bereich St. Georg genau mit diesem Ziel verstärkt.
Hauptbahnhof Hamburg: Wie sich Konzepte im Kampf gegen Drogen gleichen
Es sollte eine „intensive Einbindung“ der Bundespolizei erfolgen, die damals noch Bundesgrenzschutz hieß. Auch das ist wieder Thema. In der in diesem Frühjahr aufgelegten „Allianz sicherer Hauptbahnhof“ spielt die Verzahnung mit der Bundespolizei eine wichtige Rolle. Mit dabei sind diesmal auch die Hochbahnwache und die DB Sicherheit. Und auch damals war es der Innensenator, der ganz vorn im Kampf gegen die Drogenszene stand. Damals hieß er Hartmuth Wrocklage (SPD), aktuell Andy Grote (SPD).
Die Ziele von damals, „Rückbildung der Drogenszene“, „Verhinderung von neuen Ansammlungsorten der Szene“, „Stärkung der subjektiven Sicherheit“ und „konsequente Strafverfolgung gegenüber Dealern“, kann man ebenfalls nahtlos in die Gegenwart übertragen.
Seit 2000 mischt Crack in Hamburg die Drogenszene auf
Dabei war das ganze Konzept selbst vor 23 Jahren nicht neu. Bereits seit 1995 lief das „Handlungskonzept St. Georg“, das ebenfalls eine Reaktion auf die ausufernde Drogenszene in dem Stadtteil war.
Neu war im Jahr 2000 aber das Crack. Diese Form des Kokains, das in der Szene wegen seiner Konsistenz „Steine“ genannt wird und den Namen Crack wegen des Knisterns beim Rauchen erhielt, war Mitte der 1990er-Jahre peu à peu in Hamburg aufgetaucht. Schon damals hatte man den geringen Preis für eine Dosis und den Umstand, dass Crack geraucht wird, als Grund für dessen steigende Verbreitung ausgemacht. Im Juli 1999 hatte die Hamburger Polizei wegen der ständig steigenden Relevanz dieser Droge die Abteilung „Crack“, angesiedelt beim Rauschgiftdezernat, eingerichtet. Die sollte auch gezielt den Dealern nachstellen.
Drogenszene sorgt am Hamburger Hauptbahnhof für sichtbare Probleme
Crack besteht aus Kokain, das nach der Zugabe einer chemischen Substanz aufgekocht wird. Die Besonderheit: Es ist nicht sehr lange haltbar. Crack muss nahe den Verkaufsorten hergestellt werden. Doch die sogenannten Crack-Küchen findet die Polizei sehr selten.
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Dass die Szene damals wie heute für sichtbare Probleme sorgt und das Gebiet um den Hauptbahnhof an einen Kipppunkt bringt, ist ebenfalls nicht neu. Bereits 2004 hatten drei Wissenschaftler im Wissenschaftsmagazin der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt zum Thema Crack geschrieben: „Die Konsumenten geraten in einen ständigen Erregungszustand, leiden an Schlafmangel, haben kein Hungergefühl mehr, magern ab und verlieren jeden Sinn für Körperpflege.“
Die Polizei verhindere, dass das Szeneleben „in eine gewalttätige Anarchie“ übergehe, obwohl sie schon damals Konsumenten harter Drogen als die „sicherlich zu den am besten durch Sozialarbeit umsorgten Bevölkerungsgruppen in unserer Gesellschaft“ einstuften. Auch das ist geblieben. Das Drob Inn zieht Crack-Konsumenten an. „Alt-Junkies“, so heißt es aus der Polizei, würden angesichts der Gewalt in andere Einrichtungen wie das Abrigado in Harburg oder das Stay Alive in Altona abwandern.
Hamburger Hauptbahnhof – Polizeigewerkschafter: „In so langer Zeit keine Lösung gefunden“
„Es ist ja ein bisschen wie Mode. Es kommt alles wieder“, sagt Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) lakonisch. „Das zeigt mir aber, dass man in so langer Zeit nicht in der Lage war, eine nachhaltige Lösung zu finden. Hier wären vor allem andere beteiligte Behörden und die Politik in der Pflicht gewesen, da die Polizei ja erst auf den Plan tritt, wenn schon grundlegend etwas schiefgelaufen ist.“
„SPD-Bürgermeister Tschentscher und der damalige SPD-Bürgermeister Runde haben eines gemeinsam: Sie haben die Kriminalität am Hauptbahnhof viel zu lange unterschätzt und dann viel zu spät mit Aktionismus wenig erreicht“, meint Hamburgs CDU-Fraktionschef Dennis Thering. „Anfang 2000 gab es bereits ein großes Problem mit Drogenkonsum und -kriminalität rund um den Hauptbahnhof und St. Georg. Und täglich grüßt das Murmeltier kommen SPD und Grüne jetzt wieder mit haargenau den gleichen Ansätzen und am Ende bessert sich wenig.“ Allerdings: Zwischen 2001 und 2011 wurde Hamburg von CDU-geführten Senaten regiert.