Hamburg. Neben den Ultra-Rechten gibt es mindestens 14 weitere Vereine, denen die Gemeinnützigkeit vom Finanzamt entzogen werden könnte.
Am Donnerstagmorgen konnte ein Abendblatt-Leser zunächst gar nicht glauben, was er da auf Seite 12 zu lesen bekam. Oder besser: was er da zu sehen bekam. Denn über der Titelzeile „SWG – Die Rechtsextremisten von nebenan“ war das Foto eines weißen Hauses abgebildet – seines weißen Hauses.
Für den Abendblatt-Leser war das ein Schock. Denn der Verein war fälschlicherweise im Internet unter seiner Adresse gelistet. Auch die ultra-rechte Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft (SWG) meldete sich kurz darauf beim Abendblatt und beanstandete ebenfalls den fälschlich behaupteten Vereinssitz.
Von der SWG unwidersprochen blieb dagegen, dass sie geschichtsrevisionistische Positionen vertritt, wiederholt Begriffe aus dem antisemitischen Spektrum verwendet und nun auch ganz offiziell durch den Hamburger Verfassungsschutz als das eingeordnet wurde, was sie eben auch ist: ein rechtsextremistischer Verein.
SWG Hamburg: Finanzamt will Rechtem-Verein Gemeinnützigkeit aberkennen
An dieser Feststellung wird sich auch vorerst nichts ändern – im Gegensatz zu dem Zusatz, dass der Verein gemeinnützig ist. Denn an dieser Stelle muss es heißen: noch. Nach Abendblatt-Informationen soll der SWG diese Gemeinnützigkeit schon in Kürze aberkannt werden. Der Hintergrund: Wenn ein Hamburger Verein im Verfassungsschutzbericht auftaucht, prüft das Finanzamt in jedem Fall, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit weiterhin bestehen oder nicht. Diese Prüfung läuft – und soll nach Abendblatt-Informationen kurz vor der Entscheidung stehen. Gegen diese könnte man allerdings noch Rechtsmittel einlegen. Ob das geplant ist, wollte der Rechten-Verein auf Nachfrage nicht beantworten. Die rechtsextremistische SWG ist aber nicht der einzige Hamburger Verein, dem aufgrund einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz zeitnah die Gemeinnützigkeit aberkannt werden soll.
Im 184 Seiten starken Verfassungsschutzbericht, der im Sommer von Innensenator Andy Grote und Amtsleiter Torsten Voß vorgestellt wurde, finden sich – quasi im Kleingedruckten – ganz zum Schluss noch sämtliche Gruppierungen, die laut aktuellem Bericht verfassungsfeindliche Ziele verfolgen, darunter auch 14 eingetragene Vereine.
Finanzamt Hamburg: Auch fünf Islamistenvereine unter Beobachtung
Die stärkste Gruppe der Vereine, bei denen das Finanzamt die Gemeinnützigkeit überprüft, kommt aus dem islamistischen Spektrum. Inklusive Trägervereinen sind gleich fünf mutmaßlich islamistische Vereine aufgelistet – darunter auch eingetragene Vereine mit so harmlos klingenden Namen wie Menschen für Menschen e.V.
Ähnlich sieht die Sachlage bei den linksextremistischen Vereinen aus, von denen immerhin vier im aktuellen Verfassungsschutzbericht aufgelistet sind: Junges Hamburg e. V., Klassenkultur e. V., Kunst und Kultur St. Pauli e. V. und das Libertäre Zentrum e. V.
Scientology Kirche Hamburg und verschwörungsideologische Gruppen im Visier
Bei den Organisationen mit auslandsbezogenem Extremismus findet die Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V. Erwähnung. Des Weiteren werden auch die Scientology Kirche Hamburg e. V. und die Scientology Kirche Deutschland e. V. genannt – genauso wie zwei verschwörungsideologische Gruppierungen: Die United Movement for Equal Human Rights („UMEHR e .V.) und der Verein staatenlos.info e .V.. „Unter diesen Phänomenbereich fallen die ,Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierer des Staates‘ sowie ,Reichsbürger und Selbstverwalter‘“, sagt Amstleiter Voß im neuen „Behörden Spiegel“ über die neue Beobachtungskategorie „Verschwörungsideologischer Extremismus“.
Erstaunlich: Obwohl Grote bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes betonte, dass die größte Gefahr von rechts ausgehe, ist im aktuellen Bericht kein rechtsextremistischer Verein gelistet. Die SWG wurde erst nach der Veröffentlichung des Berichts als Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes erklärt. Sie selbst hat sich zu der Entscheidung des Verfassungsschutzes nun auch selbst geäußert und bezeichnet die Beobachtung durch den Verfassungsschutz als „haltlose Vorwürfe eines linksideologisch eingefärbten Inlandsgeheimdienstes“. Sich und seine Mitstreiter nennt Vorstand Stephan Ehmke „unbescholtene Bürger, die sich nur eines haben zu Schulden kommen lassen: Sie sind Patrioten und vertreten eine andere Meinung, als die momentan in Deutschland Herrschenden und die ihnen hörige Presse.“
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Nun denn. Diese „Patrioten“ haben nun auch dazu geführt, dass sich die Finanzbehörde einen noch genaueren Überblick über gemeinnützige Vereine machen will, die möglicherweise Steuervorteile genießen, welche ihnen aber schon aufgrund der Erwähnung im Verfassungsschutzbericht gar nicht mehr zustehen. Nach mehreren Medienberichten über die Rechtsextremisten bestätigt eine Sprecherin des Finanzamtes dem Abendblatt: „Wir prüfen, ob eine statistische Erfassung und Veröffentlichung der Aberkennungen der Gemeinnützigkeit aufgrund von Verfassungswidrigkeit rechtlich möglich ist.“ Oder in einfachen Worten: Wir kümmern uns.
Darauf setzten auch die Linksfraktion und das Hamburger Bündnis gegen Rechts, die bereits seit Jahren auf die ultrarechten Positionen der SWG aufmerksam machen. „Der Entzug der Gemeinnützigkeit für eine Einrichtung, die demokratiefeindlich ist, ist folgerichtig und längst überfällig“, sagt Felix Krebs vom Hamburger Bündnis gegen Rechts. „Das zeigt, dass antifaschistische Aufklärung nötig ist und auch Effekte hat.“