Hamburg. Vor allem Schulen in sozial benachteiligten Vierteln Hamburgs finden immer schwerer Nachwuchs. 540 Stellen nur temporär besetzt.
Die staatlichen Schulen in Hamburg benötigen jährlich 900 neue Lehrkräfte – unter anderem aufgrund der hohen Rate von Pensionierungen. Die Schulbehörde geht davon aus, dass der vorgesehene Unterricht laut Stundenplan im laufenden Schuljahr an allen Schulen mit den vorhandenen Lehrkräften gesichert ist. Doch die Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Birgit Stöver zeigt, dass es immer schwieriger wird, den Bedarf an Nachwuchslehrern zu decken.
Zum Stichtag 29. August waren demnach 116 Stellen von den Schulleitungen ausgeschrieben – in Hamburg wählen die Schulen in der Regel in eigener Verantwortung ihr Personal aus. Auf die Ausschreibungen gingen allerdings insgesamt nur 71 Bewerbungen ein. Und: Auf 78 der 116 Stellen bewarb sich nicht eine einzige Nachwuchslehrkraft. Im Höchstfall gab es sechs Bewerbungen auf eine Stelle. „Während sich Schulleiterinnen und Schulleiter in früheren Jahren über eine große Auswahl an qualifizierten Bewerbungen freuen konnten, berichten auch uns inzwischen immer mehr Schulleitungen, dass sie überhaupt keine Bewerbungen mehr bekommen“, sagt CDU-Bildungspolitikerin Stöver.
Schule Hamburg: Mehr als die Hälfte der freien Stellen in sozial benachteiligter Lage
Zudem zeigt sich ein gewisses soziales Ungleichgewicht: Mit 67 Ausschreibungen entfällt mehr als die Hälfte der freien Stellen auf Schulen, die in sozial benachteiligten Stadtteilen liegen. Den größten Anteil mit 42 Stellenanzeigen machen Schulen mit dem Sozialindex 1 aus, dem niedrigsten der sechsstufigen Skala, nach der fast alle Schulen in Hamburg eingeteilt sind. Standorte mit dem Sozialindex 2 sind mit 17 Ausschreibungen vertreten. Schulen mit dem höchsten Sozialindex 6 suchen nur in fünf Fällen neue Lehrkräfte. Das lässt den Schluss zu, dass es für Schulen in sozial benachteiligten Gebieten schwieriger ist, pädagogischen Nachwuchs zu finden.
„Der Mangel an Lehrkräften stellt schon jetzt ein gravierendes Problem dar und wird sich in den kommenden Jahren noch verschärfen. Aus der Zahl der ausgeschriebenen Stellen und den wenigen Bewerbungen wird deutlich, wie leer gefegt der Markt an Lehrkräften ist“, sagt die schulpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Zudem bestätigten die Zahlen ihre Befürchtung, dass Schulen in sozialen Brennpunkten besonders betroffen seien.
Schule Hamburg: Rund 540 Lehrerstellen sind nur befristet besetzt
Die Schulbehörde macht eine andere Rechnung auf. Wie berichtet, schätzen deren Experten, dass es im Hamburger Schulsystem eine strukturelle Lücke von 540 Lehrerstellen gibt. Diese Posten sind zwar nicht dauerhaft, aber immerhin temporär besetzt. Zu zeitlich befristeten Einsätzen in diesen Fällen kommen laut Senatsantwort Pensionärinnen und Pensionäre, Masterstudierende und andere pädagogisch und fachlich erfahrene Personen. „Der insgesamt geringe Umfang von 116 Ausschreibungen zeigt, dass die Schulen die offenen Stellen befristet besetzen konnten und gut ins neue Schuljahr gestartet sind“, heißt es in der Antwort auf die CDU-Anfrage.
Wie hoch der Anteil der befristet beschäftigten Pensionäre, Studierenden und Seiteneinsteiger jedoch ist, kann der Senat derzeit noch nicht beantworten. „Der Einstellungsprozess an den Schulen zum neuen Schuljahr ist noch nicht abgeschlossen, sodass die für Bildung zuständige Behörde aus den einschlägigen Personalmanagementsystemen noch keine anschließenden Daten gewinnen kann“, heißt es in der Senatsantwort. Das werde erst nach Abschluss der Schuljahreserhebung nach Ende der Herbstferien möglich sein.
Schule Hamburg: Gesamtzahl der Lehrerstellen wurde zum um 573 erhöht
Aufgrund der deutlich steigenden Schülerzahlen wächst auch die Gesamtzahl der Lehrerinnen und Lehrer, da die rot-grüne Koalition an den Ausstattungsstandards der Schulen festhält und zum Beispiel darauf verzichtet, die Klassenfrequenzen zu erhöhen. Die Zahl der Lehrerstellen in Hamburg wurde um 573 auf 15.773 zu Schuljahresbeginn erhöht. Davon entfielen auf die Grundschulen 5390 Stellen (plus 234), 795 Stellen auf die Sonderschulen (plus eins), 5639 Stellen auf die Stadtteilschulen (plus 224) und 3949 Stellen auf die Gymnasien (plus 84).
Darüber hinaus stehen den allgemeinbildenden Schulen 2211 Stellen (plus 88) für Sozialpädagogen und therapeutisches Fachpersonal zur Verfügung. Eine Besonderheit der Selbstverwaltung erlaubt es den Schulen, nicht direkt für den Unterricht benötigte Lehrerstellen in sozialpädagogische und nicht-pädagogische Stellen umzuwandeln. Davon haben Schulen laut Senatsantwort im Umfang von mehr als 400 Stellen Gebrauch gemacht.
„Die CDU-Fraktion hat verschiedene Vorschläge gemacht, um dem Problem Lehrermangel zu begegnen. Dazu gehörte ein duales Lehramtsstudium, die Weiterbeschäftigung von Lehrkräften im Ruhestand und eine Initiative zur Verbesserung der Rahmenbedingungen im Lehrerberuf. Leider wurde trotz des zunehmenden Drucks und der Dringlichkeit nichts davon angenommen“, sagt Stöver.