Hamburg. Warum sich der Star-Koch auf St. Pauli auskennt und Kiezianisch spricht. Und wie Ewald Lienen beinahe zu Real Madrid wechselte.
Steffen Henssler ein alter Kiezianer? Einer, der den Code auf St. Pauli versteht, kennt und weiß, wie man mit Leuten wie Kalle Schwensen und Karate-Tommy umgeht? Kaum zu glauben, was der Hamburger Star-Koch, Fan des HSV und neue Sonnabendabend-Showmaster (Prosieben, „Schlag den Henssler“) bei Markus Lanz im ZDF so alles ausplauderte. Dabei geriet fast in Vergessenheit, dass ein weiterer in Hamburg erfolgreicher „Promi“ in derselben Sendung mit Privatem überraschte: der ehemalige Trainer des FC St. Pauli Ewald Lienen. Doch zu ihm später.
Henssler, der deutlich schneller, aber genauso schnoddrig-sympathisch dahersabbelt wie Tim Mälzer, sprach von der Romantik des Boxens, die heute verloren gegangen sei. Er schwelgte von den Tagen, da Dariusz Michalczewski und Markus Bott in der „Ritze“ an der Reeperbahn trainierten. Wo im Keller das „Rocky“-Feeling herrschte. Der Koch drillte damals seinen Körper sechsmal die Woche hin auf eine Profikarriere. Bis zur „Kotzgrenze“, wie er sagte. „Dann hast du in den Eimer hineingeguckt…“
Reeperbahn: Die "Ritze" war Hensslers Gym
Die "Ritze" unter dem inzwischen verstorbenen Wirt Hanne Kleine sei ein mythischer Ort gewesen. Die Plakate von Muhammad Ali und seinem früheren Hamburger Gegner Jürgen Blin übereinandergeklebt, der stickig-beißende Geruch von Schweiß in der Luft, und das „Klo wollte man auch nicht sehen“. Eine Zeit, die er als Sohn eines Kochs auch so erlebte: Die „Alt-Luden“ hätten ihr Geld ausgegeben und im Restaurant (auf der Speisekarte) „nach rechts bestellt“. Egal was, Hauptsache teuer.
Nein, als Kiez-Spezialist wolle er sich nicht aufspielen, das weiß der smarte Henssler: So eine Ranschmeiße kommt überhaupt nicht an. Aber die Begriffe hat er drauf. Geld besitzen, Kohle auf der Tasche haben? Auf Kiezianisch: Haste 'nen Hügel? So hießen die Bündel Geldscheine. So redeten Karate-Tommy, Karlheinz Schwensen und Co. Und ja: Das Hamburger Berufsinformationszentrum hatte nach einem Test zwei Berufsempfehlungen für Henssler: Tankwart und Forstgehilfe. Henssler: „Ich, der Asi vom Förster? Nee!“
Ewald Lienen und Jupp Heynckes
Nicht ganz so spritzig, dafür tiefsinnig kam der frühere St.-Pauli-Trainer und ehemalige Bundesliga-Profi (Arminia Bielefeld, Borussia Mönchengladbach) Ewald Lienen daher. Der auch bei Sky als Experte arbeitende Technische Direktor des FCSP erzählte von den Traumata seines Vaters aus dem Zweiten Weltkrieg, dem frühen Tod der Mutter (Lienen war elf) und seinem politischen Engagement. Lienen selbst war Kriegsdienstverweigerer („unwürdiges Verfahren“) und wurde von Lanz in inquisitorischer Manier immer wieder in die linke Ecke gedrängt.
Und das passte dem Talkshow-Gast nicht. Als Lanz fahrig und flapsig die Zusammenarbeit mit Jupp Heynckes erwähnte, sagte Lienen: „Sie sind zu jung, um das alles verstehen zu können.“ Dann klärte Lienen auf, dass er mit Heynckes noch gespielt habe, auf Teneriffa sein Co-Trainer war und fast zu Real Madrid mitgegangen wäre, hätte er nicht ein Angebot von Hansa Rostock als Cheftrainer in der Bundesliga gehabt.
Wie Geld aus Katar den Fußball kaputtmacht
Lanz versuchte seine Recherche zu retten: „Weshalb erzählen Sie mir das alles, ich weiß das.“ Lienen klärte über Trainer-Opa Heynckes auf („ein wahrhaftiger und integrer Mensch“) und wiederlegte das Klischee, dass sich Fußballspieler nicht für Politik interessieren. Und er verteidigte die Verdienste von Dietmar Hopp bei 1899 Hoffenheim. Aber: Investoren würden heute den Fußball dominieren. Die Wirtschaftskraft von Vereinen, hinter denen Firmen stünden, die niemand kenne, sei beängstigend. Lienen sagte, diese hätten „den Fußball kaputtgemacht“, und er nannte Paris St. Germain und Manchester City. „Die erhalten Gelder aus Katar, die können machen, was sie wollen.“
Wie er seine Frau kennenlernte, verriet er auch. Als Gladbacher Spieler hat er mal geistig behinderte Jugendliche in ihre Wohngruppe zurückgefahren, die häufig das Training besuchten. Weil es schon spät war, musste er die Leiterin der Wohngruppe beruhigen. Er blieb länger. „Ein Jahr später haben wir geheiratet.“
Video: So sah es in der "Ritze" aus