Hamburg. Andreas Bechtolf betreibt mit seinen Töchtern Sarah und Laetitia Deutschlands größten Onlinehandel für Luxuskosmetik.

Hier, zwischen Feuerwehrwache und Bürokomplex, liegt Hamburgs Schönheitsparadies. Von außen definitiv nicht an der weißen Fassade des Gebäudes in Osdorf ersichtlich, lagern im Inneren wahre Schätze, bei deren Anblick 90 Prozent der Frauenherzen einen Tick schneller schlagen würden: Wimperntuschen, Cremetiegel, Parfümtester, Haaröl-Packungen liegen – fein säuberlich geordnet – in langen Gängen und offenen weißen Schubfächern. Doch nicht irgendwelche. Nein, auch noch solche, die in großen Parfümerieketten oder Drogeriemärkten nirgends zu finden sind.

Denn bei Niche Beauty, dem deutschen Marktführer in Sachen Luxus-Nischen-Kosmetik, werden nur Produkte geführt, die aus kleinen Firmen aus aller Welt kommen, die besonders sind. Im Gebäude duftet es frisch, und die Mitarbeiterinnen sehen so aus, als wären sie gerade erst einem Werbeplakat für das neueste Verjüngungselexier entsprungen. Ob es daran liegen mag, dass es zum täglichen Job gehört, die neuesten Beautyprodukte auszuprobieren? Wahrscheinlich. Auch Laetitia Prinzessin von Hessen, Geschäftsführerin von Niche Beauty, hat den Glow, also das frische Strahlen derjenigen, die ihre Haut seit Langem hegt und pflegt sowie dazu noch ein paar Schönheitsgeheimnisse kennt. Zum Beispiel, welche Foundation den Teint feinporiger erscheinen lässt, welches Fluid das Licht optimal reflektiert, welches Rouge zum Hauttyp passt.

Eau de Parfum
Eau de Parfum © Bohman & Sjöstrand Ab | Niche Beauty

„Matcht“, würde von Hessen sagen, die charmant einen Einblick in die Welt der Schönheitsoptimierung gibt. „Durch uns lernen die Menschen Nischenprodukte kennen, denn wir vertreiben 200 ausgesuchte Marken, haben insgesamt 1000 Artikel im Port­folio“, sagt die 38 Jahre alte Drei­fach­-mutter. Gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Sarah von Doetinchem und Vater Andreas Bechtolf lenkt das Familien-Trio die Geschäfte. Überaus erfolgreich. „Seit 2003 verdoppeln wir uns umsatztechnisch jedes Jahr“, lässt sich Bechtolf, der die Großhandelskunden des Unternehmens betreut, gerade so entlocken. Mehr möchte der hanseatische Kaufmann, der den Töchtern eigentlich nur zu Beginn mit seiner Erfahrung im Vertrieb zur Seite stehen wollte, nicht preisgeben. Wollte, denn heute ist das Wort Rente für ihn ebenso unbekannt wie früher Begriffe wie Concealer, Lip Pumper oder Face Tonic.

Und er wirkt äußerst zufrieden, wie er am langen, hölzernen Konferenztisch sitzt, eingerahmt von seinen Töchtern. „Was Netteres gibt es nicht, das ist meine späte Erfüllung“, sagt er, dessen Bruder der Schauspieler und ehemalige Thalia-Direktor Sven-Eric Bechtolf ist, und dessen Schwester Daniela Bechtolf sich als Modedesignerin einen Namen machte. Eine durchaus kreative Hamburger Familie also. Mit Protagonisten, die etwas wagen.

Und das taten auch die Schwestern. „Ein Onlineportal, das sich ausschließlich luxuriösen Kosmetikmarken aus aller Welt widmet, die als Nischenmarken nur Insidern bekannt und meist nur im Ausland erhältlich waren, gab es in Deutschland nicht“, sagt von Doetinchem. Damals war der Onlinehandel im Aufbau, hohe ­Versandkosten und technische Hürden dominierten.

Doch die Schwestern wollten es ausprobieren: Beide hatten in England und den USA studiert, gelebt und gearbeitet und auf ihren Reisen immer wieder Kosmetikprodukte entdeckt, die sie zwar überzeugten, die sie aber von Deutschland aus nicht erhielten. So wie vor 20 Jahren die original Levi’s-Jeans von Freunden aus dem USA-Urlaub mitgebracht werden musste. Ähnlich erging es den Damen mit dem Schlangenserum für pralle Haut, dem organischen Lippentint, dem einzigartigen Duft, auf den sie von allen angesprochen wurden.

Eine Maske
Eine Maske © Niche Beauty

Sie begannen mit einer ausländischen Marke, die sie exklusiv an Großkunden vertrieben. Daraus wurden in kurzer Zeit 20 Marken; daraufhin weiteten sie ihr Geschäftsmodell auch für den Endverbraucher aus. Alles online. Unter www.niche-beauty.com finden sich seitdem Badezimmerschätze. Grüne Lippenstifte, die sich bei Hautkontakt in Rosé-Töne verfärben. Konturierende und entwässernde Bein-Cremes aus England. Oder ungarisches Gesichtswasser zum Sprühen. Es geht um die Details. Um neue Raffinessen auf dem Beautymarkt. Originellere Inhaltsstoffe, verbesserte Rezepturen, bislang unbekannte Wirkungen von kleinen, dafür sehr ambitionierten Firmen.

Wie drei Weinexperten über den Geschmack können Vater und Töchter über die Produkte – drei- bis viermal pro Woche bekommen sie Testpakete zugeschickt – fachsimpeln. „Wir und unsere Mitarbeiter probieren alles über längere Zeit selbst aus“, sagt von Doetinchem, die ebenfalls Mutter dreier Kinder ist. Sehr genau selektieren sie, mit Leidenschaft. „Wir merken, dass es stetig Bedarf an Neuem gibt“, sagt sie, „wir sehen ja genau, was der Kunde nachfragt.“ Nur drei Prozent der Bestellungen kämen zurück, ein enorm niedriger Wert, wenn man beachtet, dass es nicht einfach ist, einen Lippenstift ohne Testen zu verkaufen. Die ­Niche-Gründerinnen schaffen es durch genaue Beschreibungen, Hintergrundinfos über die Produktentwickler, Fotos und Videos des Angebotenem. Außerdem ist die kostenfreie Hotline ein von Kunden gern genutztes Mittel, um sich von Profis beraten zu lassen.

Die Schönheitsschwestern testen fleißig mit – auch wenn die Badezimmerschränke bereits übervoll sind.