Hamburg. Mehr als 230 neue Kosmetiksalons haben in den vergangenen sieben Jahren in Hamburg eröffnet. Derzeit besonders im Blick: Wimpern.
Das große Foto hinter dem Tresen ist mehr als ein Blickfang, es ist eine Mission: die Augen einer Frau, umrahmt von langen, dichten Wimpern. Für den perfekten Augen-Blick. „Frauen definieren sich stark über die Augen“, sagt Irina Gerlez. In ihrem Kosmetikstudio Zauberblick im Hamburger Stadtteil Hohenfelde dreht sich alles um das feine Augenhaar. „Wer lange Wimpern hat, guckt anders in die Welt“, lautet das Credo der 32-Jährigen. Als sie sich vor knapp fünf Jahren in dem kosmetischen Spezialbereich selbstständig gemacht hat, war sie noch eine der Ersten in der Stadt. Inzwischen sind Wimpern eines der großen Beauty-Themen, und ihr Terminkalender ist Wochen im Voraus ausgebucht. „Für ihre Wimpern würden Frauen fast alles machen“, sagt die Zauberblick-Chefin mit – natürlich – sorgsam designtem Augenaufschlag.
Und nicht nur dafür. Ähnlich wie in außereuropäischen Ländern, etwa Brasilien oder in den USA, sind auch hierzulande immer mehr Frauen auf der Suche nach dem perfekten Gesicht – und bereit bei der Selbstoptimierung ordentlich nachzuhelfen. Eine Folge: Kosmetiksalons boomen. In Hamburg stieg die Zahl nach Angaben der Handwerkskammer zwischen 2008 und 2015 um 233 auf 826.
Wimpern und Augenbrauen sind aktuelle Beauty-Themen
Bis Ende Juni dieses Jahres eröffneten laut Statistik neun weitere Betriebe. Wahrscheinlich sind es sogar noch mehr. Allein rund um die Osterstraße in Eimsbüttel siedelten sich zuletzt vier neue Salons an. Dabei nimmt die Spezialisierung zu. Nach Nagelstudios und Waxing-Shops (Haarentfernung) gibt es immer mehr, die sich nur mit Wimpern oder Augenbrauen beschäftigen, sich Beauty-Coach nennen oder auf Spa und Wellness setzen.
Auch in der LuxusLashes Lounge, einer stark expandierenden Franchise-Kette aus Österreich, werden ausschließlich Wimpern verlängert und verdichtet. „Das ist Präzisionsarbeit, die hochwertige Produkte, erstklassiges Handwerk und ständige Übung erfordert, um ein Ergebnis in höchster Qualität zu erzielen“, zählt Geschäftsführer Holger Fischbuch Gründe für die Spezialisierung auf. Dabei werden die feinen Härchen einzeln auf die Wimpern der Kundinnen geklebt. Die Kosten für eine zweieinhalbstündige Erstbehandlung beginnen bei 179 Euro. Der Preis richtet sich nach Anzahl und Qualität der Wimpern. Alle drei bis vier Wochen ist ein Auffülltermin fällig. Das Geschäft läuft, inzwischen arbeiten sechs Mitarbeiterinnen in der Hamburger Filiale am Grindelhof. „Unsere Kundinnen sind zwischen 18 und 75 Jahre alt, Kleinverdienerinnen sind darunter genauso wie Businessfrauen und Millionärinnen“, sagt Fischbuch.
Ganz ähnlich die Entwicklung bei einem zweiten aktuellen Beauty-Trend: den Augenbrauen, gern als „Rahmen für das Gesicht“ geadelt. Allein das Unternehmen Benefit Cosmetics, das zum französischen Luxuskonzern LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton gehört, hat in den vergangenen fünf Jahren fünf sogenannte BrowBars in Hamburg eröffnet, im Alsterhaus, in Karstadt-Filialen und in Geschäften der Parfümerie-Kette Douglas.
Wartezeiten sind der Normalfall
Weltweit sind es inzwischen 1600. In einer knappen halben Stunde werden dort die Augenbrauen mit Heizwachs in Form gebracht und auf Wunsch auch gefärbt. Das Basis-Augenbrauen-Styling „to go“ gibt es ab 22 Euro. „Die Nachfrage ist groß“, sagt Unternehmenssprecherin Pia Haneklau. Wartezeiten sind der Normalfall. Jede Frau gibt nach einer internationalen Studie des Elektronikkonzerns Philips aus dem vergangenen Jahr monatlich etwa neun Prozent ihres Nettoeinkommens für Haar- und Schönheitspflegeprodukte aus.
Deutschlandweit liegt der Umsatz in Kosmetikstudios bei mehr als 1,34 Milliarden Euro (Ende 2014) – Tendenz steigend. Auch Hautärzte profitieren von der Sehnsucht nach Anti-Aging und dem perfekten Aussehen. „Oft setzen Prominente die Trends“, sagt Brancheninsiderin Brigitte Ratzke, die sich seit Jahren in der Kosmetik-Ausbildung unter anderem bei der Handwerkskammer engagiert. Sie nennt es „Heidi-Klum-Effekt“ und hat beobachtet, dass längst nicht mehr nur junge Frauen Trends aus Shows wie „Germanys Next Topmodel“ nachahmen.
Bei den Augenbrauen war es das britische Model Cara Delevingne, die mit ihren ausdrucksvollen Brauen den Boom einleitete. Und es gibt immer wieder neue Entwicklungen. Zum Beispiel Microblading, das ist eine Art Permanent-Make-up für die Augenbrauen, nur weniger schmerzhaft. Oder, ziemlich abgefahren, Bleachen (Hautaufhellung und -färbung) im Intimbereich. „In Australien ist das gerade total angesagt, genau wie in Schweden und Großbritannien“, sagt Brigitte Ratzke. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das hier ist.“
Kosmetikerin ist keine geschützte Berufsbezeichnung
In der Handwerkskammer sieht man die Gründungswelle im Bereich Kosmetik auch mit Besorgnis. „Kosmetikerin ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Im Prinzip kann sich jeder so nennen“, sagt Brigitte Ratzke. Nicht selten würden Existenzgründerinnen sich schon nach einer Kurzausbildung selbstständig machen, gerade in hoch spezialisierten Themen. „Das reicht aber nicht, um erfolgreich einen Betrieb zu führen“, so die 65-Jährige, die gemeinsam mit ihrem Ehemann die „hair & makeup company“ in Hammerbrook betreibt und auch für die Vorbereitungskurse für die in diesem Jahr erstmals startende Meisterqualifikation in dem Bereich zuständig ist. „Eine Qualifikation bedeutet ja auch, dass die Kunden sich auf die Qualität der Leistung verlassen können“, sagt Ratzke.
Das ist auch Zauberblick-Gründerin Irina Gerlez sehr wichtig. „Man braucht zwei Jahre, um die Technik perfekt zu beherrschen“, sagt die Fachfrau für Wimpernverlängerung, die über eine Mascara-Allergie zu der Gründeridee gekommen war. Gemeinsam mit einem Mitarbeiter und einer Teilzeitkraft betreut sie inzwischen etwa 170 Stammkundinnen, dazu kommen Spezialaufträge wie etwa vor Hochzeiten – und immer wieder auch Notfälle.
„Gutes Handwerk spricht sich rum“, sagt sie. „Aber es gehört viel Fleiß dazu.“ Inzwischen hat Gerlez auch eine eigene Linie mit Pflegeprodukten entwickelt. Ihr nächstes Ziel: Im Laufe des Jahres sollen sie auch über ihren eigenen Online-Shop erhältlich sein. Inzwischen hat sie ihren Salon über die ersten Hürden gebracht. „Es gehört viel Fleiß dazu“, sagt die Unternehmerin. Der perfekte Augenaufschlag reicht nicht – aber er hilft.