Hamburg. Die Geschäftsführerin von Designxport ist eigentlich Kunsthistorikerin. Neugierde trieb sie in die Kreativwirtschaft.

Die Elbarkaden am Magdeburger Hafen sind mittlerweile eine Designmeile. Peter Schmidt, Belliero & Zandée, IF Design, gegenüber punct.object – Designxport hat etliche namhafte Nachbarn. Touristen und Interessierte werfen durch die Fenster neugierige Blicke in die große Halle. Viele kommen auch herein, essen zum Kaffee hausgemachten Kuchen und sehen sich satt, zum Beispiel an Florian Borkenhagens aktueller Installation „Prater unser, 2011“: ein Karussell mit ausrangiertem Dreirad, Gehwagen und Sackkarre. Oder sie kuscheln sich auf der Empore in einen der aufblasbaren Plüsch-Delfine der Hamburger Designerin Silvia Knüppel, blättern in Zeitschriften oder stöbern in der Material-Bibliothek, wo man sich über diverse Materialien wie Elasthan, Kupfer, Papier oder Gewebe informieren und sie gleich anfassen kann.

Babette Peters zeigt ihr 800-Qua­dratmeter-Reich stolz und gerne. Viel Arbeit und Hirnschmalz sind in das Konzept für Designxport geflossen. „Wir wollen kein Flagshipstore, kein Museum und keine Kunstgalerie sein. Hier soll man Dinge anfassen und erleben können“, sagt sie. „Was wir auch nicht wollten, war ein Ort, wo immer nur Designer sind. Sondern wir wollen für alle Menschen einen Zugang zum Thema Design und die assoziierten Szenen schaffen.“ Positiv ausgedrückt: Was ist Designxport? „Das Schaufenster der Gestaltungsleistungen in dieser Stadt. Dafür ist natürlich der Hafen ideal – als Umschlagplatz für Waren und Güter, aber auch für Projekte und Ideen.“

Einige Beispiele von Hamburger Design kann man hier im Shop gleich kaufen. Zum Beispiel edle Ledermappen von Papermoles, Sitzmöbel der Eimsbütteler Agentur Pliet, Porzellan von Milia Seyppel, Beistelltische von Tobias Grau, Bücher von Gudberg Nerger und das Goldeimer-Toilettenpapier der Wasserinitiative Viva con Agua auf St. Pauli. In vielen anderen deutschen Designzentren spielen solche profanen Alltagsdinge kaum eine Rolle. Bei Designxport schon, hier gehören sie zur Philosophie.

Niemand muss angesichts eines voll­endet designten Geschirrs in Ehrfurcht erstarren. „Für uns sind solche Gegenstände ein Teil von Design als Gebrauchs- und Alltagsforschung“, sagt Peters. „Wir sind ja von morgens bis abends von Gestaltung umgeben. Der Wecker, die Saftflasche, der Kugelschreiber, die Brille, die U-Bahn, das Auto, die Kaffeemaschine und das Interface von der App – alles ist gestaltet.“ Manchmal gut, benutzerfreundlich und ressourceneffizient, manchmal auch nicht. Aber: Design gestaltet die Welt, im wahrsten Sinn des Wortes.

Da ist es eigentlich erstaunlich, dass die Geschäftsführung von Designxport in den Händen einer Nicht-Designerin liegt. Babette Peters ist von Haus aus Kunsthistorikerin. Geboren und aufgewachsen in Hamburg bei Eltern, die sich als Texter und Gebrauchsgrafikerin bei der Werbeagentur Lintas kennen- und lieben gelernt hatten. Mit zwei Brüdern wurde sie „in einem Haushalt mit vielen Büchern und Jazz-Platten“ groß. Vor allem zwei prägende Kulturerlebnisse ihrer Jugend sind ihr im Gedächtnis geblieben: ein John-Cage-Konzert beim NDR und Peter Zadeks Inszenierung von Shakespeares „Wintermärchen“ (1978), bei der literweise grüner Slime und zwei echte Schafe die Unwägbarkeiten des böhmischen Königreichs symbolisieren sollten. „Zadek hat viele scheinbar unverrückbare Theaterregeln über den Haufen geworfen“, sagt Peters. „Das war eine ganz neue Form von Lebendigkeit und auch Respektlosigkeit, ein Theater mitten im Leben. Das fand ich toll.“

Ronald Schill startete Kampagne gegen Peters

Wir sitzen auf Schlagzeughockern an den meterlangen roten Tisch mit dem Muster einer Van-Halen-Gitarre, Prunkstück und Mittelpunkt von Designxport. Kunst mitten im Leben hat Peters immer fasziniert. Deshalb sollte es an der Uni dann auch Kunstgeschichte sein: „Ich wollte wissen, was Künstler einem erzählt haben über die Welt, wie die Symbole zu interpretieren sind, die sie genutzt haben, was für ein Leben dahinterstand.“ Ihre Doktorarbeit schrieb sie in Edinburgh über die Verwerfungen im britisch-schottischen Kunstbetrieb. Danach arbeitete sie für verschiedene Hamburger Medien – Radio, Zeitungen, Fachblätter, „ein fröhlicher Bauchladen“. Im Gestaltungsbüro Hamburg des Trendforschers Peter Wippermann baute sie für eine Zukunftskampagne eine Abteilung für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit auf. „So etwas hatte das Büro Hamburg noch nicht gemacht. Ich auch nicht. Wir kannten uns aber und haben es zusammen versucht.“ Es kamen weitere Kunden dazu und im Herbst 1993 auch die Aidshilfe, die ein Projekt für ein Hospiz starten wollte. Babette Peters stand sofort dahinter. In den Weihnachtsferien trommelte sie das Schirmherren-Team zusammen, Anfang 1994 gehörte sie zur Gründungsmannschaft von Hamburg Leuchtfeuer und steuerte eine Kampagne – „mit Schauspielhaus, Deichtorhallen, Versteigerung, das ganze Programm“.

In den 90ern entdeckte auch die Hansestadt die Kreativwirtschaft als wichtiges Standbein. Nicht zuletzt deshalb, weil Unternehmen wie Beiersdorf oder Unilever ständig Produkte entwickeln, die verpackt und designt werden müssen. „Hamburg war zu einer Metropole des Verpackungsdesigns geworden“, sagt Peters. Auch in den fünf großen Medienverlagen gibt es Gestaltungsbedarf, und Hochschulen wie die HFBK (Hochschule für bildende Künste) und das heutige Department für Design an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften haben eine lange Tradition. Zur Förderung des Designstandortes hatte die Wirtschaftsbehörde 1995 die Initiative Hamburgunddesign gegründet, und als der Senat 1999 eine Beauftragte suchte, fiel die Wahl auf Peters, die viele der Beteiligten durch Hamburg Leuchtfeuer schon kannte. Zwar wollte sie der damalige Zweite Bürgermeister Ronald Schill – nicht eben die Speerspitze der Kreativwirtschaft – am liebsten „abschießen“. Er startete eine regelrechte Kampagne gegen Peters, bis Bürgermeister Ole von Beust Schill zurückpfiff. „Der Vorfall war für mich und den Beirat von Hamburgunddesign die Initialzündung zu sagen: jetzt erst recht.“ Die Initiative wollte ein „House of Design“ auch in Hamburg.

2014 wurde Designxport in der HafenCity feierlich eröffnet. Seither entwickelt Peters unentwegt Ideen, wie Designer, andere Kreative und Unternehmen zusammengeführt werden können. „Dafür muss man Formate finden, die beiden Seiten Spaß machen“, sagt sie. Zum Beispiel „Design/short/cuts“: Ein Gestalter stellt sein Projekt drei Minuten lang dem Publikum vor, dann klingelt der Küchenwecker. „Diese Kurzpräsentationen leben davon, dass der Protagonist mit großer Überzeugung in knappen Worten seine Idee darlegt.“ Es kam schon vor, dass jemand in drei Minuten einen kompletten neuartigen Stuhl zusammensetzte oder dass ein 17-jähriger Gymnasiast ein ganz kleines Plastikteil vorstellte, mit dem man einen Stecker viel leichter in die Steckdose stecken kann.

Joachim Speicher,
Chef des
Paritätischen Wohlfahrtsverbandes,
übernimmt den
roten Faden
Joachim Speicher, Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, übernimmt den roten Faden © HA | Klaus Bodig

Oder der „Design Pressure Cooker“: eine Reihe gemeinsam mit dem House of Design im holländischen Groningen, bei der Unternehmen, die zu ihrem Produkt Fragen haben, auf unterschiedlichste Kreative treffen und mit ihnen ein paar Stunden lang – wie im Dampfkochtopf – Lösungen finden. „Das Ganze funktioniert wie ein Blind Date“, sagt Peters. „Es kann sein, dass ein Motorhersteller dann mit einer Schmuckdesignerin am Tisch sitzt.“

Babette Peters ist eine Vernetzungskünstlerin, die in Meetings, Medien und Veranstaltungen ständig andere Aktive trifft. Privat freut sie sich deshalb über Auszeiten. Zu Hause in Ottensen oder auch auf Reisen – „ich finde Großbritannien toll, liebe Schottland und Irland, die Normandie und die Bretagne, war jobbedingt auch in Asien unterwegs“. Als überzeugte Norddeutsche mag sie auch Urlaub in der sanften Moränenlandschaft von Ostholstein. Dann liest sie, mit Vorliebe Belletristik, zuletzt „Die Unschuld“ von Jonathan Franzen oder „Der Susan-Effekt“ von Peter Høeg oder „Old Filth“ von Jane Gardam.

Zu Hause in der Küche hat sie ein Designstück, das sie sehr liebt: ihren Shaker-Tisch. „Die amerikanische Glaubensgemeinschaft der Shaker hat im 18. Jahrhundert aus einfachem Holz sehr schöne, langlebige, zeitlos gestaltete Möbel gemacht.“ Gute Ideen entstehen oft in Küchen. Und ein schöner Tisch ist schon mal eine Basis.