Hamburg. Fahrräder werden zum teuren Lifestyleobjekt. Immer mehr Händler exklusiver Marken wie Electra kommen an die Alster.

Als Taco Carlier in diesen Tagen erstmals sein neuestes Vanmoof-Modell in Deutschland präsentiert, ist er überzeugt: „Das nächste Mal fahre ich mit dem Fahrrad“, sagt der 38-Jährige lachend. Acht Stunden habe er von Amsterdam bis Hamburg gebraucht, zahlreiche Staus auf der Autobahn haben den Raddesigner ausgebremst. Mitgebracht hat der Holländer das erste Elektrobike, das die Kultmarke Vanmoof auf den Markt bringt. Äußerlich verrät fast nichts an dem schwarzen Rahmen, das hier ein Motor die Kraft aufs Rad bringt. Kein angebautes Kunststoffpaket stellt das Gefährt äußerlich in die Ecke des „Seniorenmobils“. Keine sichtbaren Akkus stören den Auftritt des Rades. Der Minimalismus kommt offenbar gut an: „Wir haben schon 600 Bikes verkauft, und das innerhalb von zwei Wochen, vor dem offiziellen Marktstart“, freut sich Carlier über den Absatzerfolg der ersten Tage. Dabei ist das E-Bike, das eine Reichweite von 120 Kilometern schafft, mit rund 3000 Euro nicht gerade ein Schnäppchen.

Vanmoof produziert Fahrräder, die in die Zeit passen: Im Trend liegen Modelle – ob herkömmliche Räder oder die immer beliebteren E-Bikes – die mit ihrer Individualität die Blicke auf sich ziehen. Die Bandbreite an Designs wird immer größer. Vom nostalgischen Cruiser für den smarten Manager über das spartanische Single-Speed für den Studenten bis zu Lastenmobilen für Familien. „Heute ist das Fahrrad Teil des persönlichen Lifestyles“, fasst eine Sprecherin der Radhandelskette B.O.C. die Entwicklung zusammen. Dabei gewinne das ungewöhnliche Design zunehmend an Bedeutung, heißt es bei dem Unternehmen, das 1999 in der Hansestadt gegründet wurde. „Diesen Trend beobachten wir besonders in urbanen Regionen wie Hamburg“, heißt es bei B.O.C. Entsprechend wächst das Angebot an Rädern mit eigener Persönlichkeit. Architekturzeitschriften präsentieren Entwürfe von Herstellern wie Thonet, die jetzt auch mit Studien von Zweirädern experimentieren, Modemagazine zeigen ihre Models auf schicken Rennrädern. Die Innovationen der Branche beflügeln den Markt: Wurden in Deutschland 2013 noch 3,8 Millionen Räder verkauft, waren es 2014 schon 4,1 Millionen. Im vergangenen Jahr stieg der Absatz auf 4,35 Millionen.

Hamburg spielt beim Thema Design und Fahrrad – wie bei vielen Trends – bundesweit eine führende Rolle: Vor wenigen Wochen hat die Marke Electra aus Kalifornien ihren ersten europäischen Flagshipstore in Hoheluft eröffnet. Hier stehen die oft knallbunten, mit breiten Lenkern im Harley-Stil ausgestatteten Beachcruiser, für die Electra bekannt geworden ist, neben Vitrinen mit dem passenden Zubehör: Klingel oder Sattel kann sich jeder Kunde individuell aussuchen. „Die Menschen, insbesondere die in Großstädten leben, möchten sich durch ihr Fahrrad ausdrücken“, heißt es von Electra.

Auch Vanmoof plant in der Hansestadt einen eigenen Shop. Bisher sind die Holländer, die ansonsten über das Internet verkaufen, in Amsterdam, Taipei, Bangkok und New York mit Läden vertreten. Eigene Flagshipstores an der Elbe leisten sich auch weitere Hersteller wie Gazelle oder die Singlespeedspezialisten urbike, die hier, wie in der Modebranche üblich, ihre Markenwelt präsentieren wollen. Daneben etablieren sich immer mehr Retro-Anbieter etwa in der Schanze oder im Hanseviertel, die schicke Oldtimer etwa von Peugeot oder Hercules an Hipster verkaufen.

Das Rad wird nicht nur zum Mode-Accessoire – es muss in einer Welt, in der Autos für die jüngere Generation an Reiz verlieren, mehr können: Es wird auch zum Statussymbol, beobachten die Macher des deutschen IF Design Award, die den Lebensstil weltweit beobachten. Selbst in Ländern wie Taiwan oder China – traditionell produzierende Regionen – würde heute eine Radtour auf dem teuren Hightech-Bike als wahrer Luxus begriffen.

In Deutschland steigt entsprechend die Bereitschaft der Kunden, viel Geld für das Bike auszugeben. Auf knapp 600 Euro ist der durchschnittliche Preis für ein Fahrrad aus dem Fachhandel gestiegen. Bei den E-Bikes sind es bereits 2300 Euro.

Die batteriebetriebenen Mobile sind ohnehin das Wachstumsthema der Zukunft. „Das stärkste Absatzplus verzeichneten wir 2015 mit 35 Prozent bei den E-Bikes“, sagt die B.O.C.-Sprecherin. Laut Herstellerverband wurden im vergangenen Jahr gut 530.000 Elektrofahrräder in Deutschland verkauft. Damit sind aktuell rund 2,5 Millionen E-Räder unterwegs. „Wir schätzen, dass deren Anteil von heute etwa zwölf Prozent am Markt bis 2018 auf 15 Prozent wächst“, sagt David Eisenberger, Sprecher des Verbands der Zweiradindustrie ZIV.

Die Auswahl ist groß: Rund 9500 motorisierte Modelle listet allein die E-Rad-Datenbank des Portals „Besser E-Radkaufen“ vom ökologischen Verkehrsclub VCD auf. Insbesondere das Angebot an sportlichen E-Bikes nehme zu, heißt es bei B.O.C.: Ein Pionier sei hier etwa der Schweinfurter Hersteller Winora/Haibike, der mit den X-Duro- und S-Duro-Modellen eine völlig neue Kategorie geschaffen habe. „Diese Produkte sind regelmäßig schnell ausverkauft im Markt“, heißt es bei der Handelskette. Die große Nachfrage zeigt, wie begehrt die Hightech-Geräte sind. Denn auch die Haibike-Renner sind mit 2000 Euro in der preiswertesten Version nicht gerade günstig.