Hamburg. Vitali schickt sie Hörproben in die Ukraine. Lieder schreibt sie, wenn die Kinder im Bett sind. Natalia Klitschko debütiert mit Soul-Album.

Als Natalia Klitschko einem Fachpublikum die Songs ihres ersten Albums „Naked Soul“ präsentierte, hatten nur die wenigsten Kritiker eine Vorstellung davon, was sie erwarten würde: „Es war als Überraschung für das Publikum gedacht, sie wussten nicht, wie oder was ich singen werde – es war ein großes Fragezeichen: Was wird sie machen?“, sagt die 41 Jahre alte Ehefrau des Ex-Boxweltmeisters Vitali Klitschko in Hamburg.

Begleitet von Flügel und Cello, sang sie an jenem Abend zu einer Mischung aus Jazz, Soul und Blues – gewürzt mit einem kräftigen osteuropäischen Einschlag. Wie der Albumtitel tragen die Songs englische Namen, die Texte werden jedoch auf Russisch und Ukrainisch vorgetragen, Klitschkos Muttersprachen. „Meine Vision, mein Statement ist, dass Sprache nicht als eine Wand zwischen Künstler und Zuhörer stehen muss. Es kommt darauf an, dass Musik berührt – die Sprache spielt nur eine untergeordnete Rolle.“

Klitschkos Vater spielt Schlagzeug, ihre Mutter singt

Diese Einstellung wird der gebürtigen Ukrainerin schon von Kindesbeinen an vorgelebt. In ihrem Elternhaus nahe Kiew wuchs Natalia mit einem internationalen Sound auf – ihre Eltern hörten italienischen Pop, französische Chansons und indische Musik. Beide sind leidenschaftliche Hobby-Musiker: Der Vater spielt Jazz-Schlagzeug, ihre Mutter singt ebenfalls.

„Von Beginn an war ich von dieser positiven Energie umgeben, die von Musikern ausgeht: Freiheit, Liebe – diese Atmosphäre habe ich schon als kleines Mädchen ganz tief gespeichert.“ Auf Familienfeiern, im Chor und bei Solo-Auftritten in ihrer Schule sammelte sie erste Gesangserfahrungen. Lange Zeit stand für sie fest, dass sie eine Ausbildung zur Sängerin machen wollte. Als am Ende ihrer Schulzeit 1991 die Sowjetunion zusammenbrach, platzte ihr Traum jedoch. In den Zeiten des Umbruchs sei es darum gegangen, wie man Geld verdienen konnte, um zu überleben – mit 17 entschloss sie sich gegen ein Gesangsstudium und begann eine Karriere als Model.

Vitali warb heftig um das Mannequin

Es war eine aufregende Zeit, in der sich ein junger, aufstrebender Boxer namens Vitali mächtig ins Zeug legte, um das Mannequin von sich zu überzeugen. Mit Erfolg – ein Jahr, nachdem sie sich kennengelernt hatten, heirateten sie und zogen nach Hamburg, wo Vitali Klitschko 1996 in der Sporthalle Wandsbek seinen ersten Profikampf bestritt. „Hamburg ist für mich wie eine zweite Heimatstadt. Ich liebe die Stadt. Hier habe ich meine Musik gefunden, und hier hat sich mein Traum vom eigenen Album erfüllt.“ Vor vier Jahren trat sie in Hamburg erstmals öffentlich als Sängerin in einem kleinen Jazzclub auf, damals noch mit Coversongs. Erst zwei Wochen zuvor hatte sie angefangen, in Ottensen Gesangsunterricht zu nehmen.

Große TV-Bühne kam vor der kleinen Bühne in Ottensen

Ihr erster offizieller Auftritt als Sängerin war ebenfalls in Hamburg: 2014 im Ottenser Club „The Box“. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Talent schon einem TV-Millionenpublikum bekannt: Vor Vitalis Titelverteidigung 2012 sang sie in Moskau vor 18.000 Zuschauern „The Power Of Love“ von Jennifer Rush. Die ersten eigenen Songs für ihr Album entstanden 2015 in den Capellmeister-Studios des Produzenten Peter Hoffmann vor den Toren Hamburgs. Aus dem niedersächsischen Vögelsen schickte sie ihrem Mann regelmäßig Hörproben. „Er liebt es, wie ich singe. Für ihn war es keine Überraschung, dass ich ein Album aufnehmen möchte, sondern eher eine logische Entwicklung. Anfangs war vielleicht etwas Skepsis dabei, weil er dachte, dass es ein Hobby bleibt. Er hat aber schnell gemerkt, wie wichtig mir die Musik ist.“

Ehefrau eines Weltstars und des Bürgermeisters von Kiew, Mutter von drei Kindern, dazu noch Engagements für den guten Zweck – wie konnte sie da noch eine Gesangskarriere in ihren Terminkalender integrieren? „Ich habe viel Erfahrung im Organisieren und Planen. Wir reisen seit 1996 in der Welt herum – immer waren unsere Kinder dabei. Es ist alles eine Frage des Zeitmanagements. Meiner Musik widme ich mich häufig nach 22 Uhr, wenn die Kinder im Bett sind.“

Mit ihrer Familie lebt sie abwechselnd in Kiew, Hamburg und Los Angeles, der Nachwuchs besucht internationale Schulen. Im April feiert das Paar Porzellanhochzeit nach 20 Jahren Ehe. Natalia lacht. „Nach so einer langen Zeit schmilzt man eher zu einem festen Metall zusammen. Das ist schon kein Porzellan mehr – das könnte man nach zwei oder drei Jahren sagen, da ist die Liebe noch zerbrechlich.“

Natalia Klitschkos Album „Naked Soul“ erscheint am 12. Februar. Sie tritt am 20. Mai in der Laeiszhalle auf