Die Brüder Lovely und Monty unterhalten nicht nur Fahrgäste mit “Dollywood“-Songs. Die Inder erobern auch die Charts.
Hamburg. Es war ein langer, anstrengender Tag. Auf ins Kino! Draußen regnet es Hunde und Katzen, also muss ein Taxi her. Der gestresste Fahrgast steigt ein, die Tür hat sich kaum geschlossen, als über ihn eine Frischzellenkur der besonderen Art hereinbricht. Der Taxifahrer - Turban, ausländischer Akzent - stellt sich vor: "Ich bin Monty." Und dass er Musik mache, ob man da einmal hereinhören ... Das unentschiedene Grummeln geht im Beginn der indischen Melodie unter, der Klang von "Bollywood", gemixt mit einem Hauch HipHop. Und dann singt Monty.
"Wenn du jemand von Herzen liebst dann genieß das alles, was er gibt ..."
In Schlangen beschwörender Trance ringelt sich die Melodie um einen Grundton. Zum Rhythmus der Trommel aus der discoreifen Anlage lässt sich gut entspannen. Bei dieser Lautstärke kann man sich noch unterhalten. Und erfährt: Bhangra-Rhythmus sei das, "Berta, Heinrich, Anton, Nordpol ...", Nordindisch und gern genommen in Bollywood-Filmen. Den deutschen Text habe sein Bruder Lovely gereimt, die Musik liefert ein Freund in Indien. Eine CD sei schon fertig, ein Remix auch, sagt Monty, der vor ansteckender Begeisterung flinkfingrig auf dem Lenkrad mittrommelt. Und von Talkshow-Auftritten erzählt und dass noch kein Fahrgast sein Taxi verlassen habe, ohne fröhlich zu sein. Dann dreht er die Lautstärke voll auf, der letzte Rest mieser Laune wird weichgehämmert.
"Gib das alles, was du geben kannst /Liebe ist eine einmalige Chance."
Monty, der eigentlich Jang-Bahadur Singh-Bhangu heißt, gibt alles, hat sich am Ende mit der Kinopartnerin verbündet, irgendwann ist man wehrlos gegen so viel gute Laune - welch ein Beginn für einen wundervollen Abend! Der Song hat Ohrwurmqualitäten, kann bei iTunes heruntergeladen werden, ein Zettel mit der Handynummer von Monty erinnert daran und dass man die Brüder auch für Auftritte auf Feiern buchen kann. Song ab, der Gute-Laune-Faktor funktioniert immer sofort wieder. Faszinierend.
"Diese Welt ist wie eine Wand / such mal 'n Loch, wo du durchkommen kannst."
In Lurup ist die Welt der Familie Bhangu in Ordnung. Vater, Ehefrauen und die drei Töchter von Lovely wohnen hier. Auf etlichen Fotos der Goldene Tempel von Amritsar, eine Erinnerung an die nordindische Heimat der Brüder, aus der sie vor 27 Jahren ihrem Vater nach Hamburg gefolgt sind. Der hat Personal für Seeschiffe vermittelt, war Koch bei Mövenpick. Monty wurde auch Koch. Machte dann mit Bruder Lovely eine Handelsfirma auf, man fiel auf die Nase. Jetzt fahren die beiden Taxi. "Von unserer Kaste her sind wir 'Bauern', wir müssen selbstständig sein und wollen keine Chefs."
"Lovely sagt euch nur ein Wort / Liebe ist gleich, ob West oder Nord."
Kunst muss im Blut liegen, der Vater hat schon gedichtet, Romane geschrieben und die Geschichten aus "1001 Nacht" vom Urdu ins Punjabi übersetzt. Auch Lovely, zwei Jahre älter als Monty, dichtet - an die 160 Songtexte sind es schon. Die Lieder spielte man deutschen Freunden vor und Fahrgästen - "alle fanden es toll, konnten aber nichts verstehen." So stürzte sich Lovely 2009 in das Abenteuer "Dichten auf Deutsch".
Das fängt schon mal damit an, dass man auf Punjabi Dinge bedichtet, die in Deutschland nicht ganz so angesagt sind: den Respekt vor den Eltern, die schöne Kleidung von Frauen. "Aber über Jeans kannst du einfach kein Lied schreiben", berichtet Lovely. Irgendwann fuhr er ein Paar, aus dessen Unterhaltung ihm der Fetzen "Ich lieb dich, aber ..." im Ohr blieb.
Dieses "Aber" läuft quer zu seiner Mentalität. Es arbeitet in dem Autodidakten der deutschen Sprache. Sieben Monate feilt er an den Reimen, dann ist sein erster deutscher Text fertig: "Wenn du jemand von Herzen liebst ..." Bruder Monty wird zum Vertonenlassen nach Indien geschickt und zum Singen verdonnert. "Meine Töchter, hab ich später gehört, fanden das total peinlich, was der Vater da macht." Heute sind sie stolz auf ihn. Im Taxi lernt man Leute kennen, das Lied geht seinen Weg, nach jedem Fernsehauftritt schnellen die Download-Zahlen nach oben, es stand schon mal unter den Top 100 der heruntergeladenen Songs. Andere deutsche Lieder folgen.
"Jeder hat eigene Normen, soll es auch genießen/aber die Regeln von diesem Land soll man auch wissen."
Sie haben es das "Integrationslied" genannt, Refrain: "Wir sind Deutschland." Und sagen von sich: "Wir sind Cheeseburger ohne Käse, also Hamburger." Das Taxifahrerlied besingt den Beruf, den beide inzwischen mit Leidenschaft ausüben:
"Wenn 'Bauer' den Gang einlegt, vergisst er die Welt/er liebt sein Auto über alles, damit verdient er Geld."
Lovely und Monty machen das Gespräch zu einem Privatkonzert, das immer wieder von ihrem unglaublichen Lachen unterbrochen wird. Ihr Traum: "Dass alle Leute mit uns Spaß haben." Auch das liegt irgendwie im Blut. "Unser Vater lebt seit 1977 in Deutschland und hat nicht ein einziges Mal Scheiße gesagt. Seine Devise ist: 'Was machst du Gedanken - irgendwas wird schon passieren ...'"
"Schaff mal durch und dann genieß."
Die nächste CD ist fertig, acht deutsche Songs, drei auf Punjabi; sie könnte zum Beispiel "Dollywood" heißen, sagt Lovely, zusammengesetzt aus "Deutschland" und "Bollywood". Ein Label gibt es noch nicht, aber eine kleine Tour ist schon geplant.
Bis dahin fahren die beiden Taxi, "das ist gar nicht langweilig", sagt Monty. Von philosophischen Diskussionen bis zur Plattenpromotion geht da eine Menge - Hauptsache, in ihren Taxis wird jeder fröhlich.
Eine Kostprobe gibt es bei YouTube im Internet: http://www.youtube.com/watch?v=DR0s9JKByh4