Der Prozess um die Hausbesetzung an der Juliusstraße hat begonnen. Die Initiative “Recht auf Stadt“ verabredete sich zur Party vor dem Gericht.

Hamburg. Aus den Boxen vor dem Amtsgericht-Altona ertönt laute Rockmusik. Zahlreiche in schwarz gekleidete Menschen sitzen auf der Treppe vor dem Eingang und essen Chili-Suppe - Prozess-Party in Hamburg! Die Initiative "Recht auf Stadt" hat sich an der Max-Brauer-Allee verabredet. Rund 40 Teilnehmer sind gekommen. Die Polizei ist mit knapp zwei Dutzend Einsatzkräften vor Ort. Die beiden Parteien beäugen sich. Für 11.30 Uhr ist eine Verhandlung angesetzt - eine Hausbesetzerin ist angeklagt.

Hintergrund der ungewöhnlichen Feier ist die Besetzung des Wohnhauses Nummer 40 an der Juliusstraße im Schanzenviertel, das seit Jahren nahezu leer steht. Bis auf eine einzige Mieterin und einen Imbiss im Erdgeschoss hat sich das auch seit der Sanierung im Jahr 2008 nicht geändert. Ein Zustand, der vor allem in der Schanze auf Widerstand stößt. Deshalb besetzten vier Frauen und drei Männer aus der linken Szene das Haus des Eigentümers Ernst August L. am 16. Oktober 2010 kurzerhand. Noch am selben Tag räumte ein Großaufgebot der Polizei die Immobilie. Die Stahltür wurde mit einem Rammbock aufgebrochen, die Besetzer vorläufig festgenommen.

An diesem Montag - acht Monate später - beginnt vor dem Amtsgericht Altona der Prozess gegen den ersten der sieben Hausbesetzer. Unter dem Motto „Kampf der Repression und der Gentrifizierung“ drücken die "Partygäste" ihre Solidarität mit der Angeklagten aus. „Wir sind hier, damit sie nicht alleine ist“, sagt eine Frau. Sie gehört zu den sieben Hausbesetzern und wartet noch auf ihren Verhandlungstermin. Ein Polizist kommt hinzu und bittet, die Treppe am Eingang des Gerichts zu räumen. Nichts passiert. Die Polizei bleibt ruhig.

Die Hälfte der Teilnehmer macht sich auf den Weg in das kleine Verhandlungszimmer 250. Die Richterin blickt irritiert, als 22 Zuschauer in den Raum treten und verweigert einigen Anwesenden den Zutritt aufgrund zu geringen Zahl von Sitzplätzen. Dann erklärt die Angeklagte ihre politischen Motive. Sie sei Teil einer Kampagne für „selbstorganisierte Räume“. Die Besetzung habe sich gegen die „kapitalistische Urbanisierung“ und die „Vertreibung von Menschen“ gerichtet. Der Spruch, den sie auf ihr Oberteil geklebt hat, ist auch ihr Schlusswort: „Wir bleiben alle“. Applaus und Jubel unter den Zuschauern. „Ihre Äußerungen können Sie sich sparen“, sagt die Richterin in strengem Ton. „Seien Sie mal nicht so unfreundlich“, lautet die Antwort eines Zuschauers. Es geht um einen Strafbefehl von 750 Euro für die von der Polizei zerstörte Haustür. Rechtsanwalt Hendrik Schulze plädiert für die Einstellung des Verfahrens. Der Vermieter sei ein ungewöhnlicher Hauseigentümer. Zudem sei bei der Besetzung nichts kaputt gegangen. Nach zehn Minuten ist die Verhandlung vorerst beendet. Grund: Die Staatsanwältin ist auf den Einstellungsantrag nicht vorbereitet. „Sie hätte vorher Rücksprache halten müssen“, so Schulze.

Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt.