Hamburg. Die Verantwortung für einen gelungenen Abend liegt nicht allein beim Gastgeber. Wer eingeladen ist, sollte ein paar Regeln beachten.

Auch, wenn der Erfolg des Abends nicht in Ihrer Verantwortung liegt, halten Sie sich an das Guter-Gast-Abc: Aufmerksamkeit, Bescheidenheit und Charme. Das bedeutet nicht mehr, aber vor allem auch nicht weniger, als Ihrer Umgebung die Aufmerksamkeit zu schenken, die Sie sich auch selbst wünschen, Ihre Erwartungshaltung im Zaum zu halten und sowohl dem Gastgeber als auch den übrigen Gästen charmant zu begegnen.

Ob Sie als Gast punkten oder patzen, liegt vor allem an Ihrer Bereitschaft, sich anständig zu benehmen. 10 Fauxpas, die Sie vermeiden sollten:

1. Den Dresscode missachten

Wenn in der Einladung kein Hinweis auf den Dresscode zu finden ist, Sie den oder die Gastgeber aber kennen, werden Sie automatisch ein sicheres Händchen für das passende Outfit haben und es gilt
„Come as you are“ – also die Kleidung, die Sie für gewöhnlich zu einem solchen Anlass in einer solchen Umgebung tragen.

Ist der Gastgeber beim Thema Kleidung genau, nennt einen bestimmten Dresscode oder bittet konkret um festliche Kleidung, dann ist es eine grobe Unhöflichkeit, diese Bitte zu missachten. Nicht nur, dass Sie vielleicht als Einzige im Etuikleid auftauchen, während sich alle anderen in skinny Jeans auf dem Sofa lümmeln – umgekehrt underdressed zu sein ist meist noch unangenehmer, und es ist schlichtweg respektlos. Der Gastgeber denkt sich etwas dabei, wenn er sich einen Dresscode wünscht – die Kleidung ist schließlich auch mit für das Ambiente und die Atmosphäre des Abends verantwortlich.

Tipp: Dresscode ist wichtig, Leggins zum Fest ist unpassend

Übrigens hat Freiherr Knigge auch das schon 1788 in seinem Buch „Über den Umgang mit Menschen“ geschrieben: „Man ist in Gesellschaft verstimmt, sobald man sich bewusst ist, in einer unangemessenen Ausstaffierung aufzutreten.“ Hier meint er nicht, dass es für die anderen unangenehm ist – die haben dann eher etwas zu lachen oder zu lästern. Es ist vor allem für jeden Einzelnen selbst unangenehm, der bunte Vogel des Abends zu sein.

Also: kein Cocktailkleid beim Dresscode Casual, und bitte keine Leggings zum festlichen Anlass.

2. Gastgeber mit eigenen Unverträglich­keiten überraschen

Auf Unverträglichkeiten oder eine besondere Ernährungsform weisen Sie am besten im Vorfeld, und zwar mit Ihrer Antwort auf die Einladung hin. Wenn klar ist, dass es Essen gibt, informieren Sie die Einladenden so früh wie möglich, falls es etwas zu beachten gibt. Machen Sie sich aber nicht unsympathisch, indem Sie das klingen lassen wie eine fordernde Liste à la „Übrigens, Fisch mag ich gar nicht – ich bin da mehr so der Filetsteak-Typ. Und nur kaltes Essen bekommt mir abends auch nicht so gut.“ Die Krönung der Ablehnung wäre „Wenn es wieder Fleisch gibt, komme ich erst nach dem Essen!“

Apropos Einladung: Wenn Sie absagen müssen, dann machen Sie das unbedingt auf dem Weg, den sich der Einladende wünscht. Es ist kein Muss aber höflich, eine Begründung anzugeben. „Keine Lust“ – können Sie sich vorstellen – ist keine akzeptable Begründung. Aber ein „Vielen Dank für die Einladung. Schade, ich bin zu der Zeit verreist“ nimmt Ihnen niemand übel.

3. Unpünktlich sein

Die Uhrzeit, zu der ein Gastgeber einlädt, ist kein grober Richtwert: um 19 Uhr bedeutet: auf die Minute genau. Wobei heutzutage sicherlich drei bis fünf Minuten zu früh oder zu spät verziehen werden. Sind Sie ab 19 Uhr eingeladen, dann haben Sie nach hinten raus eine viertel Stunde Luft. Wenn Sie den Fahrtweg so falsch eingeschätzt haben, dass Sie viel zu früh ankommen, dann drehen Sie noch eine Runde um den Block. Aber klingeln Sie unter keinen Umständen eine halbe Stunde vor Partybeginn – damit bringen Sie nur unnötigen Stress ins Haus.

Sich um mehr als eine halbe Stunde unangekündigt zu verspäten, ist nicht nur für den fertigen Rollbraten ungünstig, auch alle anderen Gäste warten zu lassen, ist unhöflich. Sein Smartphone hat doch heute jeder immer griffbereit, man kann bei absehbarer Verspätung kurz Bescheid geben. Seien Sie nicht dieser eine jemand, den man immer eine halbe Stunde früher als alle anderen einlädt, damit er überhaupt einigermaßen pünktlich klingelt.

4. Ein unpassendes oder gar kein Gastgeschenk

Wann man ein Gastgeschenk mitbringt? Ganz einfach: Immer! Wenn Sie zu einem Geburtstag oder einem Jubiläum oder Ähnlichem eingeladen sind, steht das ohnehin außer Frage. Aber auch dann, wenn der Grund der Einladung einfach nur ein nettes Zusammensein ist, haben Sie als guter Gast stets eine Kleinigkeit als Dank für die Einladung dabei. Außerdem fühlt es sich einfach gut an, nicht mit leeren Händen zu kommen. Das kann eine Flasche des Lieblingsweins der Gastgeber sein oder ein kleiner Präsentkorb, es kann aber auch viel dezenter und ganz unkompliziert sein: Pralinen, ein kleiner Blumenstrauß oder sogar ein paar handgepflückte Blumen aus dem Garten.

Es geht hier nicht um einen hohen monetären Wert, sondern allein um die Geste, um die Wertschätzung dem Menschen gegenüber. Nicht zu üppig – das wirkt anbiedernd und verpflichtend – und nicht zu geizig (bei den selbst gepflückten Blumen punkten Sie aber auf jeden Fall mit der Mühe, die Sie sich gemacht haben), und das Geschenk sollte in erster Linie dem Beschenkten gefallen – nicht unbedingt Ihnen selbst. Es darf persönlich sein, aber nicht intim, denn Gastgeschenke werden in der Regel vor den anderen Gästen geöffnet. Es wäre ungeschickt, hier jemanden in Verlegenheit zu bringen.

5. Sich einmischen

Eine Tischordnung wird auf keinen Fall vom Gast umgeworfen. Auch von Deko, Essen und Getränken lassen Sie als gern gesehener Gast die Finger – solange Sie niemand bittet, zu helfen. Hilfe anbieten ist jederzeit erlaubt – aber auch das genügt ein- bis zweimal am Abend.

6. Sich zum Chef im Ring ernennen

Warten Sie, bis man Ihnen einen Drink anbietet, anstatt sich direkt selbst zu bedienen – und warten Sie auch auf die Startsignale des Gastgebers: Er bestimmt, wann der Abend „eröffnet“ ist, wann Platz genommen wird, und wann das Essen beginnt. Offiziell beginnt das Essen übrigens, wenn die ranghöchste Person am Tisch – privat ist das die Gastgeber­dame – ihr Besteck aufnimmt. Im privaten Rahmen ist aber auch ein „Guten Appetit“ in Ordnung. Wichtig ist: Die Initiative ergreifen nicht Sie als Gast.

7. Buffet-Banause sein

Wenn Sie am Tisch sitzen und essen, sind die Spielregeln klar. Es mag aber auch sein, dass Sie im Stehen essen oder sich von Buffetplatten bedienen. Wichtig ist: immer eine Serviette parat haben und mit der süßsauren Soße keine Spur vom Buffet bis zur Theke ziehen. Nehmen Sie wenig, dafür so oft wie Sie möchten. Allerdings nicht mehr dann, wenn die Platten bereits zugedeckt in der Küche stehen – dann ist das Essen offensichtlich beendet.

8. Geschirr verteilen

Parken Sie Ihren Teller oder benutztes Besteck nicht einfach auf dem alten Biedermeier-Sekretär, sondern halten Sie Ausschau, wo der Gastgeber dafür eine Möglichkeit geschaffen hat. Falls Sie nichts finden, fragen Sie nach. Aber lassen Sie benutztes Equipment auf keinen Fall irgendwo oder da, wo es für Sie gerade am bequemsten ist, liegen.

9. Kompliziert sein

Überhaupt ist über den ganzen Abend Ihre Aufmerksamkeit gefragt. Auch, wenn Sie „nur“ Statist und nicht Regisseur sind, sind Sie ein wichtiger Bestandteil, dass alles reibungslos klappt. Es gilt, von allem das Mittelmaß zu erreichen: nicht zu viel und nicht zu wenig reden, nicht zu laut lachen, aber auch keine Spaßbremse sein, sich nicht vollstopfen, aber wenigstens vom Essen kosten, sich nicht bis zur Bewusstlosigkeit betrinken, aber es dem Gastgeber auch nicht zu schwer machen, indem Sie jedes Getränkeangebot ablehnen. Vielleicht kennen Sie das selbst: Wenn Sie einem Gast alles Mögliche anbieten und er scheinbar mit nichts zufrieden ist. Oder Gäste, die still in der Ecke sitzen und ständig betonen, sie bräuchten nichts. Das macht es dem Gastgeber unnötig schwer. Also seien Sie nicht einer dieser Gäste, bei denen man das Gefühl hat, sie betütern zu müssen und ihnen doch nichts rechtmachen zu können. Halten Sie sich zurück, ohne unsichtbar zu sein, und machen Sie es dem Gastgeber leicht, Sie glücklich zu machen.

10. Den Absprung verpassen

Und wenn Sie ein so wunderbarer Gast sind, dann wissen Sie auch, wann es sich gehört, zu gehen. Nicht erst, wenn der Gastgeber bereits durchlüftet oder mit dem Abwasch beginnt, denn das Signal „Das war ein wirklich schöner Abend“ verstehen Sie sofort.

Nach einem gemeinsamen Abendessen bleiben Sie noch etwa eine Stunde, bei einem gemeinsamen Kaffeetrinken verschwinden Sie vor der Abendbrotzeit, beim gemeinsamen Frühstück verabschieden Sie sich vor dem Mittagessen. Beweisen Sie hier Feingefühl für den richtigen Moment und nehmen Sie die Signale, die das Ende eines gemütlichen Beisammenseins einläuten, wahr.

Der Text von Etikette-Trainerin Birte Steinkamp stammt aus dem neuen Abendblatt-Magazin Knigge, das seit dieser Woche in der Geschäftsstelle (Großer Burstah 18–32), im Buch- und Zeitschriftenhandel sowie auf abendblatt.de/shop erhältlich ist. Auf 108 Seiten erklären darin Experten der Deutsche- Knigge-Gesellschaft alles, was man über zeitgemäße Umgangsformen wissen muss. Preis: 9,50 Euro (Treuepreis: 8 Euro).