Hamburg. In vielen Familien hat der Weihnachtskrach leider Tradition. Drei Expertinnen aus Hamburg geben Tipps für harmonische Festtage.

Wer kennt es nicht, das Dilemma mit den Geschenken – solchen, die nicht direkt den Geschmack treffen. Ein Beispiel könnte so gehen: Da schenkt die Oma jahrein, jahraus eine Schachtel alkoholgefüllter Pralinen. Der Beschenkte, er liebt jedoch die Nougat-Knusperkugeln, gleicher Hersteller, ähnliche Verpackung.

Jedes Weihnachten, jeden Geburtstag deshalb das gleiche Schauspiel aus angespanntem Grinsen und Danksagung. Oma erfuhr nie, dass ein Griff wenige Zentimeter versetzt im Supermarktregal echte Freude hervorgerufen hätte, denn der Beschenkte hatte versäumt, ihr das zugewandt zu sagen. Um sie nicht zu verletzen.

Geschenke: Ansprechen, wenn etwas nicht gefällt

Das hätte nicht sein müssen, weiß Sophie von Seydlitz. Die Hamburger Knigge-Trainerin rät dieser Tage viel zum Thema Schenken. „Man sollte ehrlich und freundlich ansprechen, wenn einem etwas nicht gefällt“, sagt sie. „Dabei kommt es aber darauf an, wie nah einem die schenkende Person steht, das muss man abwägen. Wichtig ist, dass sie keinesfalls blamiert wird, weil das Geschenk nicht gut ankommt.“

Deshalb wäre es am besten, nicht sofort in der Situation, sondern mit zeitlichem Abstand unter dem Jahr das Gespräch zu suchen. „Ich kann dann fragen: ,Wie kommst du darauf, dass ich das mag?‘ oder ,Welche Gedanken hattest du dir dazu gemacht?‘ und drücke dadurch schon einmal Wertschätzung aus“, so Seydlitz.

Unbedingt auf Verlegenheitsgeschenke verzichten

Grundsätzlich gebe es einige Grundregeln in puncto Geschenke: „Man sollte immer von Herzen schenken und keine Verlegenheitsgeschenke machen“, sagt die Fachfrau, die auch als Business-Coach arbeitet. „In Unternehmen gibt es ja deshalb die sogenannten Compliance-Regeln, die festlegen, welchen Wert Aufmerksamkeiten haben dürfen, was angenommen werden darf.

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Im Privaten haben wir das nicht, aber es ist so, dass klar sein muss, dass es dem Empfänger angepasst sein sollte.“ Ganz deutlich: Bitte keine Unterwäsche für die Schwiegermutter oder Schmuckstücke für die Haushaltshilfe, das überschreite Grenzen und bereite den Beschenkten oft unbehagliche Gefühle.

Geschenke nicht zu Weihnachten, aber unter dem Jahr

Auch meint von Seydlitz, es sei besser, man verzichte komplett aufs Schenken, als dass es ein austauschbares Produkt sei: die Kerze vom Weihnachtsmarkt, weil einem nichts anderes eingefallen ist.

Privat hat von Seydlitz deshalb mit ihren Schwestern die Verabredung, sich nichts am Heiligen Abend zu überreichen, jedoch unter dem Jahr. „Genau dann, wenn ich etwas sehe, wovon ich weiß, dass es meiner Schwester gefällt, beispielsweise bei einem gemeinsamen Einkaufsbummel, dann kaufe ich ihr das, und die Freude ist ehrlich und groß.“

Bei vielen Familien ist der Weihnachtskrach Tradition

Um Glücklichsein soll es Weihnachten ja eigentlich grundsätzlich gehen, erklärt Tatiana Schildt. Die Familientherapeutin sagt: „Der tiefe Wunsch aller Menschen ist es, in Liebe und Verbundenheit zu leben, gesehen zu werden. Wir sind soziale Wesen.“

Dennoch, gerade zu Weihnachten kracht es in vielen Familien. Warum? Oftmals kämen an den Feiertagen eben Themen hoch, die unter dem Jahr unbearbeitet geblieben sind. Verbunden mit einer hochen inneren Anspannung. „In jeder Familie gibt es Trigger, die unbewusst etwas anstoßen“, sagt Schildt. „Man reagiert schneller, als man denken kann, und die Emotionen kommen dann unweigerlich hoch.“

Wie eine Liste Weihnachten entstressen kann

Ihr Expertentipp für mehr Entspannung hat mit ein wenig Vorbereitung zu tun. „Die kritischen Punkte kann ich mir vorher aufschreiben. Was sind alte Wunden, was sind Ungerechtigkeiten und damit meine unerfüllten Bedürfnisse? Durch das Niederschreiben lagere ich diese aus. Dann entscheide ich mich dafür, diese bewusst ruhen zu lassen. Ich drücke für diesen Tag auf ,Pause‘, nehme mir sozusagen Urlaub von dem Problem und gehe es danach strukturiert an.“

Sicher klinge das einfacher, als es dann sei, doch das Nachdenken darüber, wo denn die Trigger seien, wo unerfüllte Bedürfnisse und Erwartungen lauerten, helfe bereits. „Auch Spielregeln für den Abend selbst können helfen, wenn alle Beteiligten bereit dafür sind: Ausreden lassen. Wenn Trigger hochkommen, diese aussprechen, dann aber vertagen. Beispielsweise geht das auch mit einem Codewort, wenn alle einverstanden sind. Und Humor, der hilft tatsächlich immer“, so Schildt.

Wie schnell Stress unterm Weihnachtsbaum entstehen kann

Dem Einzelnen rät sie, in sich zu gehen und sich zu fragen: „Wie will ich mich an Weihnachten fühlen? Was will ich erleben? Wofür werde ich im Nachhinein dankbar sein? Dabei sollte man nicht vergessen: Jeder kann seine Emotionen steuern, jeder ist Chef seiner eigenen inneren Anteile.“

In Bezug auf harmonische Weihnachten mit Kindern plädiert Nikola Weiland für eine Struktur, die gut kommuniziert und besprochen wird. Die systemische Familientherapeutin und Geschäftsführerin der Familienberatung Perlentaucher weiß, wie schnell Stress am Weihnachtstag entstehen kann.

Weihnachten: Eltern müssen den Rahmen vorgeben

Deshalb: „Die Eltern müssen der Rahmengeber sein, sie geben vor, wie der Tag ablaufen wird“, sagt Weiland. „In einer Familienkonferenz am Frühstückstisch kann man fragen: ,Wie stellt ihr euch heute den Tag vor?‘; ,Was wünscht ihr euch von heute?‘“ Häufig könnten Ideen der Kinder gut eingearbeitet werden, beispielsweise ein Gesellschaftsspiel, bevor es in die Kirche oder zu Verwandten geht. Meinst wünschten sich Kinder eine spaßigere Form des Tages, was durch Spiele oder Aktivitäten im Freien erfüllt werden könne.

Unter dem Weihnachtsbaum dann helfe es, wenn mit Struktur ausgepackt werde, statt sich einer wilden Geschenkeschlacht auszusetzen. „Einer zurzeit packt ein Päckchen aus. Die anderen schauen zu und sehen sich das Geschenk genau an. So wird Wertschätzung vermittelt. Und es dauert seine Zeit je nach Familiengröße. Dabei lernen die Kinder einiges, wenn sie bewusst sehen, was beispielsweise Papa Mama schenkt.“

Sich Loyalitätskonflikt der Generationen bewusst machen

Oft entstehe der Stress an den Feiertagen auch deshalb, weil die arbeitende Generation in einem Loyalitätskonflikt stecke, sie fühle sich den älteren, dann zumeist Oma und Opa, also den eigenen Eltern, verpflichtet. „Beispielsweise ist die junge Mutter in diesen Tagen noch viel zu sehr damit beschäftigt, ihrer Mutter ein gutes Gefühl zu geben, wie sie es ihr gesamtes Leben getan hat, da sie sich noch nicht richtig von ihr gelöst hat. Dadurch kann sie sich nicht auf die Bedürfnisse ihrer Kinder und Partner konzentrieren, und dann fühlen alle den Druck und es entsteht Stress“, erklärt Weiland. Deshalb: „Fünfe gerade sein lassen! Und sich fragen, was ist für meine Familie wirklich wichtig?“

Als Königsdisziplin darauf aufbauend Kompromisse finden, die die Bedürfnisse aller befriedigen: „Den Ausflug ins Niendorfer Gehege zum Rehefüttern gerade dann einplanen, wenn der gehbehinderte Opa Mittagsschlaf macht. Dazu ankündigen, wann man wieder da ist.“

Nicht, dass jemand noch Weihnachten verschläft.