Hamburg. Viele gute Inhalte, aber wenig Glanz: Bei der Kür der besten Hörfunk-Formate und Sendungen in der Neuen Flora war das Radio der Star.

„Nicht jetzt gehen!“, kreischte Moderatorin Barbara Schöneberger 2014, als im Schuppen 52 der Deutsche Radiopreis verliehen wurde und auf der Bühne Taylor Swift zu „Shake It Off“ ansetzte. Das war der erste von bis heute nur zwei Besuchen des US-Superstars in der Hansestadt und vielleicht der absolute Höhepunkt in der Geschichte der 2010 zum ersten Mal verliehenen Hörfunk-Auszeichnung.

Zehn Jahre später, bei der 15. Verleihung des Deutschen Radiopreises am Donnerstag in der Neuen Flora, gab man sich in vielerlei Hinsicht bescheidener. Vorbei sind die Zeiten, als sich die Gala im nach Pfeffer duftenden Schuppen 52 oder in der Elbphilharmonie im Glanz internationaler und nationaler Pop-Superstars wie Taylor Swift, Sting, Lenny Kravitz, James Blunt, Herbert Grönemeyer und Udo Lindenberg sonnte. Stattdessen stellten zwischen den Preisvergaben Lost Frequencies, Beatrice Egli, Michael Schulte, Samu Haber, ClockClock und badmómzjay Hits und aktuelle Singles vor, und ESC-2024-Kandidat Isaak spielte mit Peter Urbans ESC-Kommentar-Nachfolger Thorsten Schorn Nasenflöte. Nicht schlecht, aber auch keine großen Knaller.

Schlagerstar Beatrice Egli sang in der Neuen Flora ihren Song „Balance“ und überreichte den Deutschen Radiopreis in der Kategorie „bestes Musikformat“.
Schlagerstar Beatrice Egli sang in der Neuen Flora ihren Song „Balance“ und überreichte den Deutschen Radiopreis in der Kategorie „bestes Musikformat“. © DPA Images | Christian Charisius

Deutscher Radiopreis: Große Vielfalt in der deutschen Hörfunklandschaft

„Wir sind heute hier, um das Radio zu feiern“, erkannte Katrin Bauerfeind, seit 2023 Nachfolgerin von Barbara Schöneberger als Moderatorin der Gala, folgerichtig am Beginn vor den Tausend geladenen schwitzenden Damen und Herren (nicht wenige Damen wechselten noch im Foyer von Flip-Flops und Birkis in High Heels), darunter Cathy Hummels und der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher. Denn seine Hauptaufgabe erfüllte der Preis nach wie vor mit Bravour: die sowohl private als auch öffentlich-rechtliche Vielfältigkeit, Kreativität und Informationswerte des vermeintlich regionalen Hintergrundmediums hervorzuheben und zu belohnen.

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412 Beiträge wurden für die von den Hörfunkprogrammen der ARD, Deutschlandradio und den privaten Radiosendern gestifteten und von einer Fachjury des Grimme-Instituts in zehn Kategorien ausgewählten Auszeichnungen eingereicht. Ein sehr breites Themenfeld von Humor und Unterhaltung über politische Hintergrundrecherchen bis zu berührenden Schicksalen aus dem alltäglichen Leben.

Gala in der Neuen Flora: Alles dabei von Morningshows bis Reportagen

Zur „besten Sendung“ wurde „MausLive: Wenn der Tod allgegenwärtig ist, im Kinderhospiz“ von Jana Magdanz und Andreas Blendin (WDR 5) gekürt, „bestes Informationsformat“ wurde „Paula sucht Paula – Vergessene Heldin im Hitlerputsch?“ von Paula Lochte (BR) ,und „beste Morgensendung“ ging an „Der schöne Morgen mit Kerstin Hermes und Julia Menger“ (radioeins).

„Realtalk: Mobbing“ von Pit Kröger und Grit Thümmel (Bremen Next) gewann in der Kategorie „Beste Programmaktion“, als „beste Reportage“ setzte sich „CUT – Das Silvester, das uns verfolgt“ von Jan Koch und Miriam von Przewoski (WDR Cosmo) über die Folgen der Silvesternacht 2015 in Köln durch. Das „beste Musikformat“ war „Ein Song und meine Geschichte“ von Nicole von Wagner und Jochen Trus (105,5 Spreeradio). Moderatorin Filiz de Campos Oliveira (BigFM) freute sich über den Nachwuchspreis und Gianluca Meli (98.8 Kiss FM) über die Trophäe als bester Moderator.

Deutscher Radiopreis: Auch R.SH und NDR 2 wurden ausgezeichnet

Auch der Norden durfte jubeln: „Küsten-Köppe mit Frank Bremser!“ und R.SH. gelang das „beste Interview“ mit einem Neonazi-Aussteiger, und die Radio-Sitcom „Die Kur-Oase“ von NDR 2 und Autor Andreas Altenburg räumte in der Kategorie „bestes Entertainment“ ab. Entertainment war und ist schließlich nie verkehrt, gerade bei einer 130 Minuten langen Preisverleihung mit dem ermüdendem Rhythmus zwischen Laudatio und Danksagung.

„Techno Is Back“: H. P. Baxxter drückte mit seiner Band Scooter am Ende der Gala in der Neuen Flora auf die Pyro-Taste.
„Techno Is Back“: H. P. Baxxter drückte mit seiner Band Scooter am Ende der Gala in der Neuen Flora auf die Pyro-Taste. © DPA Images | Christian Charisius

Dafür gab es zum Finale des Deutschen Radiopreises 2024 tatsächlich noch ein paar Kracher: Hamburgs Böller-Techno-Trio Scooter, das vor wenigen Tagen den überraschenden Tod eines langjährigen Crewmitglieds mitteilen musste, biss die Zähne zusammen und präsentierte ein Medley aus „Hyper Hyper“, „How Much Is The Fish“, „God Save The Rave“ und „Techno Is Back“.

Am Ende bleibt eigentlich nur noch die Frage, warum der schnittige Preispokal noch keinen Namen hat wie zum Beispiel der „Lola“ genannte Deutsche Filmpreis. Angesichts der Wichtigkeit der „MA“ für die Radiosender, der halbjährlichen „Media-Analyse“ von Marktanteilen und Hörverhalten, schlagen wir hier einfach mal „Emma“ vor.

Deutscher Radiopreis 2024 Sa 7.10., 1.00, NDR, bis 4.10. abrufbar in der ARD Mediathek