Hamburg. Im Kunsthaus sind in der Schau „Dance Dance Revolution“ Arbeiten zu sehen, die auch die queere Underground- und Technoszene porträtieren.
Um 2015 war Anna Nowak in Tel Aviv und Beirut. Und stellte dort fest, dass trotz der Krisenhaftigkeit der jeweiligen Gesellschaften eine Szene florierte: die Clubs. Die Geschäftsführerin des Hamburger Kunsthauses recherchierte weiter, sah, dass es vergleichbare Entwicklungen in Georgien gab, entdeckte den brasilianischen Kampftanz Capoeira, den Karneval, der die Gesellschaften in Ekstase und Tanz nivelliert, Totentanzdarstellungen aus dem 14. Jahrhundert, auf denen Kaiser und Bettler im Sterben gleich sind. Der Tanz ist ein Katalysator, der Tanz schafft Solidarität.
Kunsthaus-Ausstellung: Wie die ukrainische Clubszene mit dem Krieg umgeht
Nowak stieß auf den Fotografen Tobias Zielony, der 2016 und 2017 die queere Underground- und Technoszene in der Ukraine mit seiner Serie „Maskirovka“ porträtierte. „Maskirovka“ ist jetzt die zentrale Arbeit der Ausstellung „Dance, Dance, Revolution“ im Kunsthaus: junge Menschen, für die Krieg und Gewalt immer präsent sind und die dennoch Fluchtmöglichkeiten aus dem bedrückenden Alltag gefunden haben. Zielonys Fotos zeigen Feiern, Sex, Drogen, Rhythmus, zwischendurch aber auch Langweile, die Schlangen vor den Clubs, nächtliche Stadtansichten – Gegenmodelle zu Nationalismus und Krieg, die gleichzeitig auch Teil des Krieges sind. Bis heute ist die ukrainische queere Szene eine Alternative zur LGBTIQ-Feindlichkeit der russischen Kriegsgegner, aber weil Zielony nicht verheimlicht, dass es diese Szene auch in der Ukraine schwer hat, bekommen seine Fotos und Videos eine interessante Vieldeutigkeit.
Vieldeutigkeit auch bei Mykola Ridnyi. Der zeigt in seiner Videoinstallation „The Battle over Mazepa“ einen Rap-Wettstreit mit Teilnehmern aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten. Nur dass die keine eigenen Raps aufführen, sondern literarische Texte, von Lord Byron und Alexander Puschkin, die den ukrainischen Unabhängigkeitskämpfer Iwan Masepa ganz unterschiedlich beleuchten: als Nationalhelden der eine, als Verräter der andere.
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„Dance, Dance, Revolution“ aber lässt sich auch ästhetisch nicht festlegen. Die Ausstellung beinhaltet neben Fotos und Videos auch eine Soundinstallation vom ukrainischen Óstov Collective, wuchtige, schwere Stahlinstallationen von Iza Tarasewicz, eine Archivarbeit von Anna Potyomkina. Dass der Tanz Solidarität in der Krise wecken kann, die Krise aber nicht spurlos am Tanz vorübergeht, zeigen die beiden Videos „Youth of the World“ von Roman Khimei und Yarema Malashchuk. Porträtiert wird die ukrainische Cxema-Raveszene, einmal 2019, einmal als Reeanctment des ersten Videos 2023. Zwischen den beiden Videos liegt der Angriff der russischen Armee – und man sieht die Veränderung den jungen Menschen an, trotz Tanz.
Dance, Dance, Revolution bis 13. Oktober, Kunsthaus Hamburg, Klosterwall 15, Dienstag bis Sonntag, 11 bis 18 Uhr, www.kunsthaushamburg.de