Hamburg. Jenobi, The Day und Bünger zeigen sich mal sanft, mal eigensinnig, mal melancholisch und dann wieder voll unbändiger Energie. Sehr hörenswert.
Sie lotet Unregelmäßigkeiten aus. In sich, in der Gesellschaft. Und es scheint, als möchte sie mit ihren Songs dazu animieren, all diese Abweichungen und Absurditäten einzufordern und auch zu feiern. Mit ihrem zweiten Album „Irregularity‟ (Popup Records) legt die Hamburger Musikerin, Songschreiberin und Produzentin Jenobi alias Jenny Apelmo Mattsson ein vielschichtiges Werk vor. Zwischen Electro und Pop. Die Stimme intensiv, stoisch, berührend. Sanft singend, mal auch im Sprechgesang. Der Sound verschachtelt und zugleich eingängig. In Songs wie „Little Sweet‟ verdichtet sie poetisch das Gefühl, sich als eigensinnige Frau in patriarchalen Strukturen stets irregulär zu fühlen.
Noch in ihrer Heimat Göteborg fing sie an, Bass zu spielen. „Dass es gestört hat, dass ich der traditionellen Frauenrolle nicht entsprach, wurde noch deutlicher‟, erzählt die Multiinstrumentalistin. Jenobis emanzipatorische Kraft ist ihr Sound, ihre pointierten Lyrics, auch ihr Humor. Wenn sie etwa in „Makeup‟ all die beiläufig bewertenden Sprüche aufzählt, die sich vor allem Frauen zu ihrem Äußeren anhören müssen. Zum Beispiel, wenn sie ungeschminkt aus dem Haus gehen. Zu blaß, zu traurig. „I‘m not tired/I‘m just busy‟, singt Jenobi. Beschäftigt, nicht müde. So ist das. Sehr gut.
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„The Kids Are Alright‟ – dieser Titel lässt zunächst an den tollen Songs von The Who denken. Dass nun das Indie-Duo The Day sein neues Album (Sinnbus) ebenso benannt hat, verweist jedoch nicht unbedingt auf musikalische Nähe zu der britischen Rockband. Vielmehr erkunden die beiden wesentlich poppiger und zudem ganz wunderbar, wie es sich heutzutage anfühlen kann, dieses „Alright‟.
Ein träumerisch voranpreschender Song wie „Sidelines‟ etwa macht Mut, sich in einer haltlosen Phase doch wiederzufinden. Sängerin Laura Loeters aus Antwerpen und Gitarrist Gregor Sonnenberg aus Hamburg verhandeln in ihren intimen wie eindringlichen Songs, wie es sich positionieren lässt im Privaten, im Politischen, vor allem aber in deren Wechselwirkung. Soft driftend singt Loeters von Isolation, von einer grundlegenden Anspannung, initial befeuert durch die Pandemie. Sie verhandelt aber auch Gefühle der Machtlosigkeit, etwa in „Empty‟, wenn das Getöse der Welt jedes Verstehen zu übertönen scheint. „The Kids Are Alright‟ ist eine sanft klingende Revolution, die gerade dadurch eine starke Energie entfaltet.
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Düster und melancholisch empfängt der Hamburger Singer-Songwriter und Produzent Bünger die Zuhörenden auf seinem neuen Album „Schatten‟ (Chefrecords Ratekau). In seinen bildhaften Songs klingt seine dunkle und warme Stimme diesmal besonders nah und erzählerisch. Mal intim, mal nahezu trunken taumelnd. Sparsam wie spannungsreich emporgehoben wird sein Gesang vornehmlich von Piano und Gitarre. Mal fein gepickt, mal theatral intoniert. Liebe und Sehnsucht, Frieden schließen und einsam sein – davon handeln seine Songs. Aber Bünger entwirft mit Liedern wie „Gesine‟ auch quasi filmische Szenen, die die zwielichtigen Seiten des urbanen Lebens offenbaren. Ob in Hamburg oder in Lissabon, wie er auf seiner Webseite angedeutet, das bleibt der Fantasie überlassen. Und das ist das Schöne.