Hamburg. Der Cellist David Geringas plauderte zu einem frühen Geburtstagskonzert auch mit dem Vorsitzenden der Kammermusikfreunde.
In einem Konzert der Hamburgischen Vereinigung von Freunden der Kammermusik e.V. erwartet man ja eher kleinere Instrumentalbesetzungen als ein Orchester mit mehr als zwanzig Musikern und Musikerinnen. Beim Porträtkonzert für den litauischen Cellisten und Dirigenten David Geringas am Montag in der Elbphilharmonie aber machte man da mal eine Ausnahme.
Schließlich galt es doch, dem Meister und einstigen Schüler des legendären Mstislaw Rostropowitsch ein besonderes Geschenk zu seinem bevorstehenden 75. Geburtstag am 29. Juli zu machen. Anstelle eines begleitenden Pianisten hatte der ehemalige Solo-Cellist des NDR Sinfonieorchesters und langjährige Hochschulprofessor in Hamburg und Berlin sein eigenes Ensemble, das Geringas Chamber Orchestra, mitgebracht und orchestrierte Kammermusik aus seinem Lieblingsrepertoire vorgestellt.
Geringas in der Elbphilharmonie: „Was wir Musik nennen, ist unsere Erinnerung“
Im Gespräch mit dem NDR-Redakteur und Vorsitzenden der Kammermusikfreunde, Ludwig Hartmann, erzählte er von der „goldenen Ära“ seiner Ausbildungszeit am Moskauer Konservatorium von 1963 bis 1973. Das politische Umfeld habe für die dort lehrenden und lernenden Menschen damals eine untergeordnete Rolle gespielt. Zwischen dem realen Leben und der flüchtigen Kunst der Musik zieht der Cellist sowieso eine klare Trennlinie. „Was wir Musik nennen“, sagte er, „ist unsere Erinnerung. Wir Interpreten müssen lernen, diese Erinnerung immer wieder so zu gestalten, dass sie länger in unseren Köpfen bleibt.“
In seinem eigenen Kopf befinden sich ganze Serien von Partituren, was er schon allein damit bewies, dass er Franz Schuberts „Arpeggione“-Sonate D 821 und Peter Tschaikowskys Andante cantabile aus dem Streichquartett Nr. 11 in Orchesterarrangements mit Solo-Cello auswendig spielte. Wie schön klangen die Sprünge ins hohe Flageolett bei Schubert, die Kantilene des Adagios voller Seele und Intensität und die Eindringlichkeit von Geringas Ton selbst im zerbrechlichsten Pianissimo.
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„Lebende Legende“ Geringas brilliert am Cello und als Dirigent
Ja, vielleicht ist es auch die bewundernswerte Ruhe und Sicherheit des fast 75-jährigen, die den kurzen Satz „Fancy on an Bach air“ für Cello solo des amerikanischen Zeitgenossen John Corigliano so ergreifend kraftvoll und unaufgesetzt klingen ließen. Geringas ließ sein Cello singen, zögerte aber auch nicht, ein Präludium aus Bachs G-Dur-Suite für Solo-Cello in ein mitreißendes Drama zu verwandeln.
Was die „lebende Legende“ Geringas, wie ihn Hartmann bezeichnete, am Cello kann, kann er als Dirigent schon lange. Voluminös blühte die Händels Passacaglia auf, die Geringas zu Beginn in einem eher romantischen Duktus leitete und packend gestaltete er am Ende Rudolf Barschais berühmte Kammersymphonie op 110a nach Dmitri Schostakowitschs den Opfern des Faschismus und des Krieges gewidmetem 8. Streichquartett.