Hamburg. Ein Blick auf die Ausstellungen im Museum für Hamburgische Geschichte, Altonaer Museum, Museum der Arbeit und Jenisch Haus.
Am Elbstrand von Jork liegen abertausende Steine: flache und runde, weiße und bunte, winzig kleine und große. Für die einen ist es lapidarer Bauschutt, der dort schon seit dem Zweiten Weltkrieg angehäuft wurde. Für die Hamburger Künstlerin Dagmar Nettelmann Schuldt sind die Scherben, Fliesenteile und Fassadenbruchstücke kostbares Material für ihre Skulpturen und Bilder.
Die zufällig überlieferten Überreste werden aufgelesen, nach ihrer Geschichte befragt, mit Hilfe von Gips in eine neue Form gebracht oder in Verbindung von Tuschen, Bienenwachs und Öl in großformatige Craquelés verwandelt.
Poetische Geschichtsschreibung
So entsteht ein „Erinnerungsmosaik“: „Jede Zeichnung trägt Erinnerungen und bleibt bruchstückhaft. Altes und Neues, Historie und Fiktion gehen ein Beziehungsgeflecht ein. Die Scherben sind Teil der eigenen Erinnerung und der Geschichte Hamburgs, bilden eine poetische Geschichtsschreibung mit allen Brüchen, eine Zeichnung im Fluss“, sagt Dagmar Nettelmann Schuldt.
Bis zum 14. Juni sind ihre Exponate in der altehrwürdigen Halle des Museums für Hamburgische Geschichte ausgestellt. Bevor die Museen coronabedingt womöglich bald wieder schließen müssen, sollte man die wohltuende Ruhe im Haus unbedingt noch einmal genießen.
Zweite Sonderausstellung am Holstenwall
Vom 7. Mai bis 15. November wird eine zweite Sonderausstellung am Holstenwall gezeigt: „Der Fotograf Max Halberstadt – ,eine künstlerisch begabte Persönlichkeit’“. Halberstadt war einer der bekanntesten Porträtfotografen der 1920er-Jahre; zu seinen berühmtesten Bildern zählen die weltweit publizierten Porträts seines Schwiegervaters Sigmund Freud.
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Er betrieb ein Atelier am Neuen Wall und gehörte nach dem Ersten Weltkrieg zu den Mitbegründern der „Gesellschaft Deutscher Lichtbildner“. Unter den Nationalsozialisten wurde der halbjüdische Fotograf verfolgt und ausgegrenzt; er emigrierte nach Südafrika, wo er in Vergessenheit geriet.
Wie sichtbar darf Religion im Stadtbild sein?
Das Altonaer Museum spürt ebenfalls dem Wirken eines Fotografen nach. Noch bis zum 12. April kann man Zeuge eines genialen Zufalls sein: Der Fotokoffer des Fide Struck wurde nach Jahrzehnten von seinem Sohn auf dem Dachboden entdeckt und ist nun Teil der Ausstellung „Fisch. Gemüse. Wertpapiere“ mit seltenen und beeindruckenden Stadtbildern und Porträts.
Was es mit den Straßen „Kleine Freiheit“ und „Große Freiheit“ eigentlich auf sich hat, erfahren Besucher der Ausstellung „Glaubensfreiheit. Gegeben und gefordert – seit 1601“ (bis 21. Juni), einer facettenreichen Reise durch die Geschichte Altonas und Hamburgs rund um ein wesentliches Grundrecht. Als selbstständige Stadt setzte Altona schon Ende des 16. Jahrhunderts einen Gegenpunkt zum lutherisch geprägten Hamburg. In den oben erwähnten Straßen, die bis 1938 zu Altona gehörten, durften Mennoniten, Reformierte, Juden und Katholiken ihren Glauben leben.
Altonaer Museum wird zum Treffpunkt für Cineasten
Was hat die Stadt aus diesem Erbe gemacht, wie steht es heute um die Glaubensfreiheit? Welche Freiheiten möchte ich leben, welche gestehe ich anderen zu, und wie sichtbar darf Religion im Stadtbild sein? Dazu nehmen 50 Hamburgerinnen und Hamburger in sehr persönlichen Interviews Stellung.
Ab Herbst wird das Altonaer Museum zum Treffpunkt für Cineasten: Unter dem Titel „Close-Up Hamburg. 125 Jahre Film- und Kinogeschichte(n)“ wird untersucht, in welcher Beziehung sich Kino und lokale beziehungsweise gesamtgesellschaftliche Entwicklung befinden.
Das „andere Kino“ machte in Hamburg Geschichte
Im Zentrum soll dabei das „andere Kino“ der 1970er- und 80er-Jahre stehen: experimentelle und dokumentarische Filme, die sich mit den Themen Migration und Migrationsgeschichte befassen. Aber auch Altonas aktuelle Stärke in der Animationsfilmproduktion wird erlebbar sein und sicherlich auch die jüngeren Besucherinnen und Besucher ansprechen.
Neben Filmausschnitten werden Plakate, Kostüme, Drehbücher und Requisiten präsentiert. Besonderer Hingucker: eine Kulisse aus dem Film „Der goldene Handschuh“ von Fatih Akin, die stellvertretend für den Themenbereich St. Pauli stehen wird.
Konflikt und Streit gehen wirklich jeden was an
Die Ausstellung „Grenzenlos. Kolonialismus, Industrie und Widerstand“ konnte vor dem zweiten Lockdown zum Glück noch mit Publikum eröffnen. Bis zum 18. Juli zeigt das Museum der Arbeit darin auf sehr eindrückliche Art, wie koloniale Herrschaftsstrukturen in die heutige globalisierte Ökonomie führten und wie Hamburg mit diesem Erbe umgeht.
Spannend, wie das Haus seine zweite Sonderausstellung dieses Jahres aufbereiten wird: Schon im Vorfeld zu „Bis einer heult“ (ab 27. Oktober) konnte man bei einer digitalen Befragung das eigene Konfliktverhalten testen. Wie wir mit Konflikten, Streit und Veränderung im Berufs-, Beziehungs- und Familienleben umgehen, wie soziale Medien und das Internet unser Konfliktbewusstsein verändert haben, geht nun wirklich jeden etwas an. Eine Ausstellung, die wie schon „Out of Office“ im Jahr 2019 das Zeug zum Blockbuster hat.
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Für eine geplante Ausstellungseröffnung heißt es mit Blick auf steigende Inzidenzen Daumendrücken: Am 22. März soll der in Altona lebende Radierer Wolfgang Werkmeister im Jenisch Haus zu seinem 80. Geburtstag gefeiert werden. Der Künstler, der große Bilderzyklen zu Hamburg, der Westküste und Fehmarn schuf, ist darüber hinaus auch ein leidenschaftlicher Sammler.
In seinem Besitz sind Gemälde und Grafiken vom 17. Jahrhundert bis heute, die durch große gestalterische Präzision auffallen. Vertreten in „Werkmeisters Welt“ (bis 18. Oktober) sind unter anderem der Landschaftsmaler Ascan Lutteroth, der Grafiker Walter Zeising sowie Werkmeisters Zeitgenosse Paul Wunderlich.