Hamburg. Mit der Miniaturen-Reihe soll der Kontakt zwischen Ensemble und Publikum gehalten werden – bis das Theater wieder starten kann.
Eine Streifenpolizistin patrouilliert über einen trostlosen Parkplatz, Graffiti an den Mauern, „Herr Penis“ und „Frau Vagina“, süß. Ein abgestellter Sportwagen weckt ihre Aufmerksamkeit: Da drin schläft jemand!
Die Polizistin klopft an die Scheibe, der Schlafende lächelt, es ist ein Asiate, womöglich versteht er nicht, was er machen soll. Und die Polizistin? Beginnt einen Monolog. „King Kong ist Sexualität“, doziert sie, „vor der Unterscheidung der Geschlechter, jenseits von Männchen und Weibchen.“ Lächeln.
Das Deutsche Schauspielhaus hat mit „Mono“ eine Videoreihe gestartet, die den Kontakt zwischen Ensemble und Publikum in Zeiten der pandemiebedingten Bühnensperrung halten soll: kurze Filme, in deren Zentrum jeweils ein Monolog steht, wenige Minuten lang.
Ein Monolog im Michel: Pastor predigt in leerer Kirche
Der erste Film „Don’t look back“ mit Sasha Rau und dem koreanisch-deutschen Regisseur Bonn Park (dessen Malersaal-Inszenierung „Die Räuber der Herzen“ wegen des Lockdowns auf nächste Saison verschoben wurde) ist vielleicht eher untypisch: Zwar handelt es sich hier technisch durchaus um einen Monolog, es spricht ausschließlich Rau, aber der kurze Film zieht einen Großteil seines Charmes aus der Spannung zwischen den beiden Akteuren, aggressive Theoriefestigkeit auf der einen Seite, freundlich-verbindliche Verständnislosigkeit auf der anderen.
Lesen Sie auch:
- „Wir haben Jahrgänge, die nie vor Publikum gespielt haben“
- Eva Mattes: „Ich liebe an dem Film, dass er so dreckig ist“
Ein echter Monolog ist hingegen die zweite, im Michel gedrehte Folge „Die Zecke“. Ein Pastor (gespielt von Ensemblemitglied Daniel Hoevels) steigt auf die Kanzel und hebt zur Predigt an: „Versuchen wir, uns die am Baum hängende Zecke an einem schönen Sommertag vorzustellen!“ Nur dass da gar niemand ist, vor dem er predigt. Die Kirche ist leer, und auch als später eine alte Frau (Ilse Haubenreisser) eintritt, spricht der Geistliche weiterhin nur für sich selbst.
Jede Woche soll ein weiterer Mono-Film dazukommen
Das ist unterhaltsam, weil es formal an Pfarrersparodien erinnert, die absurde Predigtthemen mit großer Ernsthaftigkeit verbinden (legendär: Otto Waalkes’ Predigt über das schöne Lied „Theo, vier fahrn nach Łodz“.) Der kurze Film ist aber auch ein melancholisches Nachdenken über ein Theater, das aktuell in den leeren Raum hinaussendet: Hoevels spielt nicht nur einen Pastor, er ist der Pastor, dem die Gläubigen fehlen. Ein Schauspieler im leeren Saal.
Nach den Reihen „Haus der Geister“ und „Im Lockdown um die Welt“ ist das von Ralf Fiedler konzipierte „Mono“ ein weiteres Online-Format, mit dem das Schauspielhaus die theaterfreie Zeit zu überbrücken versucht. Mittlerweile allerdings geht es filmisch durchaus ambitioniert zu, mit ausgesuchten Locations, passender Musik, professioneller Kameraarbeit (Marcel Didolff, Alexander Grasseck, Marek Luckow). Jede Woche soll ein weiterer Mono-Film dazukommen. Bis endlich wieder Theater gespielt wird.