Hamburg. Ina Müller, Bjarne Mädel und viele weitere Stars engagierten sich bei der Streamingshow „Einer kommt, alle machen mit“ für die Kultur.

Das Logo. Die Kammerspiele. Der Mojo Club. Das Operettenhaus. Die Thai Oase. Gruenspan und Indra. Geschlossen. Und alle anderen Clubs auch. Seit mehr als einem Jahr. „Das ist der absolute Horror für alle Kulturschaffenden“, sagt Moderator und Tonbandgerät-Sänger Ole Specht nach der melancholischen filmischen Eröffnung der dritten Benefiz-Aktion „Einer kommt, alle machen mit“ am Mittwoch. Das Licht am Ende des Tunnels scheint immer noch wie ein weiter Stern.

Da ist ein vier Stunden langer Benefiz-Abend mit 22 Künstlerinnen und Künstlern auf acht Hamburger Bühnen zugunsten von Kulturmenschen in Not so selten wie wichtig. Auch wenn die Auftritte der Beteiligten in den Vortagen aufgezeichnet wurden, ist doch mal das Licht angegangen im Kiezclub Molotow, wo Rolf Zuckowski mit „Pflege ist mehr als Rollstühle schieben“ einsteigt. Seit seinem Gig als Teil der Beathovens 1967 im Star-Club ist er nicht mehr auf St. Pauli aufgetreten, und ebenso lang hat er wohl auch nicht mehr Paul Ankas „Diana“ gesungen. Aber das sitzt noch ebenso gut wie die Lederjacke.

Der Kultursenator trifft auf die Kiez-Krimiautorin

Rüber geht es ins Winterhuder Fährhaus, wo sich Oliver Kalkofe den Applaus selber denkt. Auch hier sind die Reihen in seinem Rücken leer. Wo ist das Leben, „das mal früher mal Leben nannte“, im Theater, im Fahrstuhl, in der gemischten Sauna? Man hat keine Orientierung mehr über die Uhrzeit, den Inzidenzwert. Aber die Bühnen erkennt man noch, auch wenn die Stühle unbelegt sind oder von Pappkameradinnen und Papierfreunden gefüllt. Peter Urban gibt aus dem Off etwas ESC-Feeling bei der Vorstellung der Auftretenden und der bespielten Clubs und Theater.

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Frank Spilker lässt mit „Universal Tellerwäscher“, „Das Herz schlägt aus“ und „Die Interessanten“ die „Sterne“ im St. Pauli Theater aufgehen, der krisenfeste Werder-Stadionsprecher Arnd Zeigler liest im Ohnsorg-Theater aus seinem Buch „Traumfußball“, sein ehemaliges HSV-Pendant Marek Erhardt rezitiert Erich Kästners „Ein reizender Abend“ und Schauspieler Hans-Werner Meyer („Der Baader Meinhof Komplex“) hält im Altonaer Allee Theater ein Plädoyer der Kultur als Synonym, uns selbst und unser Leben zu begreifen.

Vier Stunden wird gesungen, gedichtet, gelesen und rezitiert

Am Ende des Abends, nach virtuellen Begegnungen mit Dota, Christine Westermann, Sebastian Krumbiegel, Martin Tingvall, Eckart von Hirschhausen, Tim Mälzer, Pina Atalay, Heinz Rudolf Kunze, Rhea Harder-Vennevald, Torsten Sträter, Ina Müller, Bjarne Mädel und Jo Schück schalten sich auch Kultursenator Carsten Brosda und Kiez-Krimiautorin Simone Bucholz mit einem gemeinsamen Gedicht dazu.

Ina Müller bei der Solidaritäts-Show „Einer kommt, alle machen mit“
Ina Müller bei der Solidaritäts-Show „Einer kommt, alle machen mit“ © Gute Leude Fabrik | Gute Leude Fabrik

„Wenn bald, ganz bald endlich wieder Zufälle möglich sind, und wir anderen Menschen nicht nur in Kacheln begegnen können“, dann freuen sie sich auf die Staatsoper und den Nochtspeicher oder einfach nur ein Flaschenbier an der Landungsbrücke 10. „Dann hat alles wieder einen Sinn: die Kneipen, die Bars, die Cafés, die Kunst und der Exzess.“

Spenden sind weiterhin willkommen

So bunt und vielseitig der Abend ist, den der Verein MenscHHamburg mit der Gute Leude Fabrik und Black Peach Media organisierte, so hoffen doch alle Beteiligten, dass es der letzte ist, der gebraucht wird. HSV-Stadionsprecherin Christina Rann, die mit Ole Specht durch die Show führt, weist noch mal drauf hin, wie wichtig jeder Euro ist. Niemand weiß, wie lang die Kultur noch eingeschränkt wird und die Menschen dazu, die mit und von ihr leben.

Tim Mälzer war auch mit von der Partie.
Tim Mälzer war auch mit von der Partie. © Gute Leude Fabrik | Gute Leude Fabrik

Wer die „Einer kommt, alle machen mit“-Show verpasst hat oder anderweitig seinen Teil beitragen möchte: Spenden und der Erwerb von Fanartikeln sind weiterhin möglich. Alle Informationen dazu gibt es auf www.einerkommt.de. Viele machen mit. Oder wie „Aspekte“-Moderator Jo Schück es am Klavier in der Elbphilharmonie mit Die Ärzte sagte: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.“

Das Gedicht von Carsten Brosda und Simone Bucholz:

Zehn Gründe für Hoffnung

auf einen Sommer mit kulturellem Leben

  1. die Kirschen blühen, und unter den fallenden Blüten kann man vielleicht einfach schonmal tanzen

und dabei liegen wir uns in den Armen und atmen fremde Aerosole – ganz ohne Angst und voller Lust auf die anderen.

2. dass bald Zufälle wieder möglich sein werden

und dass wir endlich Menschen nicht mehr bloß in Kacheln sehen

3. dieser erste besondere Abend, an dem wir wieder zu fünft draußen auf der Straße sitzen und von Angesicht zu Angesicht darüber reden können, was gut läuft in unserer Gesellschaft, und was nicht so gut, und dass wir dann was machen, aus diesen Gesprächen

und dass wir dann, wenn die Sonne untergangen ist, beieinander bleiben und der Sonne des nächsten Morgens entgegen trinken – und dabei mit der Seele baumeln.

4. das Schauspielhaus

und die Staatsoper

5. das Thalia Theater

und Kampnagel

6. das Grünspan

und die Elbphilharmonie

7. der Mojo

und der Nochtspeicher

8. irgendwann wird an den Landungsbrücken die Maskenpflicht fallen, und dann können wir wieder  Fischbrötchen essen und dazu ein Flaschenbier trinken, an der Brücke 10

und dann träumen wir nicht mehr bloß von der Ferne, sondern fahren einfach hin, raus auf die Elbe, raus aufs Meer, irgendwo hin, wo wir unsere Neugier befriedigen können, in all die Länder, von denen wir dann nicht mehr nur bloß träumen können.

9. dem Himmel sei Dank haben wir einen Kultursenator!

und so hat alles wieder Sinn

10. die KNEIPEN

die Kunst und der Exzess!

„Einer kommt, alle machen mit“ www.einerkommt.de