Hamburg. Ein Besuch bei den Aufzeichnungen der Streaming-Show am 12. Mai in der Honigfabrik in Wilhelmsburg. So lief's mit Musikerin Dota Kehr.

„Besser als nichts“, singt die Berlinerin Dota Kehr auf der Bühne der Honigfabrik. Auch wenn das Lied erst am kommenden Freitag, 7. Mai, als Single drei Wochen vor dem neuen Album „Wir rufen dich Galaktika“ erscheint, ist es schon jetzt ein passender Song für den Anlass ihres Auftritts in dem Wilhelmsburger Kulturzentrum. Es ist der letzte Tag der Aufzeichnungen für die Streaming-Benefiz-Gala „Einer kommt, alle machen mit“ am 12. Mai, und natürlich ist alles an dieser Aktion besser als nichts.

600.000 Euro haben die Ideen des Vereins MenscHHamburg in den vergangenen zwölf Monaten für Kulturbeschäftige in Not und Pflegekräfte in Ausbildung gesammelt. „Das ist bei der Geldmenge, die benötigt wird, leider ein sehr kleiner Tropfen. Aber als Kommunikator ist mir eh die Aufmerksamkeit, die wir für die Kultur generieren, wichtiger“, sagte Mitinitiator Lars Meier kürzlich im Abendblatt-Interview. Nach der Show in der Elbphilharmonie im Vorjahr geht es dieses Jahr in der ganzen Stadt auf die Bühnen von Honigfabrik, Ohnsorg-Theater, Molotow, St. Pauli Theater, Markthalle, Zeise Kinos, Allee Theater und Winterhuder Fährhaus.

Bjarne Mädel, Ina Müller und viele weitere Stars machen mit

Immer dabei bei den Aufzeichnungen ist ein Team der Hamburger Produktionsfirma Black Peach Media mit mehreren Kameras. Sie fangen die Beiträge von Bjarne Mädel, Pinar Atalay, Oliver Kalkofe, Rolf Zuckowski und den weiteren Beteiligten ein. Nach dem finalen Drehtag in der Honigfabrik mit Dota, Ina Müller und Torsten Sträter folgen nur noch die Zwischenmoderationen von HSV-Stadionsprecherin Christina Rann und Tonbandgerät-Sänger Ole Specht.

„Wir sind sehr froh, dass wir mit der Honigfabrik dabei sein dürfen“, freut sich Honigfabrik-Mitarbeiter Abe Bozkurt. Denn auch wenn der Kulturverein bislang alle beantragten Hilfsgelder für Miete und Fixkosten sowie Kurzarbeitergeld für zehn Beschäftigte bekommen hat, tut es dem Team weh, wie still das Wilhelmsburger Kulturherz derzeit ist.

Ein Tag Leben in der Wilhelmsburger Honigfabrik

Keine Konzerte und Lesungen, keine Freizeit- und Lehrangebote für Kinder und Erwachsene, stattdessen nur Papierkrieg und Renovierungsarbeiten. „Wir kennen die vielen Schwierigkeiten der Künstlerinnen und Künstler, der Techniker, die sonst hier mitarbeiten würden.

Und die soziale Komponente, die vielen Kinder, die hier nach der Schule spielen, basteln und essen, das ist hart, dass die fehlt.“ Jetzt ist immerhin einen Tag lang Leben in der Honigfabrik. Musik auf der Bühne, Licht und Ton, in der improvisierten Maske wird geschminkt, alle hängen sich rein. Besser als nichts ist das natürlich, viel besser.

Auf die Bühne geht es nur allein, Dota Kehr spielt ohne Band

Ein Team von Sat.1 interviewt Lars Meier, Dota Kehr stimmt ihre Gitarre, Beobachtende zupfen an ihren Masken für einen Schluck Kaffee oder einen Zug an der Zigarette. Alle Anwesenden sind getestet, teilweise sogar schon geimpft. Aber man bleibt auf Distanz in dem eigentlich kleinen, aber für so einen Anlass melancholisch leer wirkenden Saal. Alle müssen aus den Kamerawinkeln hinaus, als Dota Kehr mit „Rennrad“ in ihr kurzes Programm einsteigt.

Zum Konzept von „Einer kommt, alle machen mit“ gehört, dass tatsächlich immer nur eine oder einer auf die Bühne geht. Eigentlich ist Dota eine vierköpfige Band, aber ihre drei Jungs Jan Rohrbach, Patrick Reising und Janis Görlich hat Kehr in Berlin gelassen und nur ihre Gitarre mitgenommen. Für sie ist das bis auf die Bühne – üblicherweise spielt Dota im Mojo Club – keine neue Erfahrung. Vor drei Wochen spielte sie solo bei einer Kundgebung für Umweltschutz und Verkehrswende und das Klimacamp im Dannenröder Wald. Nach der Honigfabrik geht es am Sonntag zu einer Live-YouTube-Benefizgala für das von der Corona-Krise bedrohte Zebrano Theater am Berliner Ostkreuz.

Dota Kehr und ihre Band setzen auf Unabhängigkeit

Solidarität ist Dota Kehr ein wichtiges Anliegen, daher auch ihr Abstecher in die Hansestadt. „Mir liegen die Hamburger Clubs und die Menschen, die die Clubszene lebendig machen, sehr am Herzen. Als Künstlerin habe ich natürlich auch ein Interesse daran, dass es nach der Pandemie noch Clubs gibt, in denen wir auftreten können“, sagt sie. In ihrem Umfeld kennt sie viele Tontechnikerinnen und Tontechniker, die sich bereits beruflich neu orientiert haben.

„Für die Bands gibt es ja noch andere Arbeitsbereiche, wir haben einige Streamingkonzerte gegeben, waren im Studio und haben geprobt. Für uns gab es keinen Stillstand. Aber andere mussten ihre Leidenschaft aufgeben oder sich etwas zur Überbrückung suchen.“ Wenn Dota Angebote für Streamingkonzerte mit Einnahmen hatte, sah sie zu, befreundete Crews daran zu beteiligen.

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„Der Dank gebührt dabei immer dem Publikum, das für Konzerte zahlt, spendet oder auch Tonträger und Fanartikel kauft“, sagt Dota Kehr. Sie ist bislang trotz des stillgelegten Tourneebetriebs noch gut durch die Krise gekommen, auch weil sie ihre Band als die vielleicht unabhängigste in Deutschland bezeichnet. Ohne Management, Booking-Agentur und Plattenfirma im Rücken setzt Dota auf Autarkie und Eigeninitiative, da reichten schon kleine Verkäufe des 2020 im ersten Lockdown erschienenen Albums „Mascha Kaléko“, um für Kehr und ihre drei Kinder den Kühlschrank zu füllen und sogar ein neues
Album zu ermöglichen.

Es geht nicht nur um Geld - auch um Aufmerksamkeit

Jeder Cent ist besser als nichts, für kleine Bands, für Bühnen, für Soloselbstständige. Und es braucht nach Monaten des Stillstands immer wieder Zeichen, um die Öffentlichkeit für die Lage der Kultur sensibilisiert zu halten. „Wir bekommen durch die Interviews und Anzeigen sowie Social-Media-Aktivitäten und T-Shirt-Verkäufe unglaublich viel Sympathien für die Kulturschaffenden. Das Geld ist nicht nebensächlich und könnte natürlich immer mehr sein. Wenn jeder in Hamburg zehn Cent spendet, haben wir 180.000 Euro. das muss dieses Jahr das Ziel sein“, lautet Lars Meiers Devise.

Unweit der Honigfabrik stehen noch die Reste der vor neun Jahren geschlossenen, einsturzgefährdeten Soul-Kitchen-Halle, die 2009 durch Fatih Akins Komödie „Soul Kitchen“ bekannt geworden war – verfallen und menschenleer. Ein Bild wie eine Mahnung.

„Einer kommt, alle machen mit“ Mi 12.5., 20.00, Infos, Programm und Karten zu 22,- unter www.einerkommt.de