Hamburg. Isabel Bogdan war Übersetzerin und konnte mit „Der Pfau“ einen Erfolg feiern, den sie nicht erwartet hatte. Über ihre Karriere.

Es ist kein schlechtes Wort, dieses „unwahrscheinlich“. Unwahrscheinlich heißt nicht, dass etwas nicht passieren könnte; aber wenn diese Sache dann passiert, dann konnte man damit nicht unbedingt rechnen. Wenn etwas unwahrscheinlich ist, ist es nicht unmöglich. Das ist das Schöne am Unwahrscheinlichen: Es lässt Spielräume.

Die Hamburger Übersetzerin, Anglistin, Japanologin, Bloggerin und Literaturveranstalterin Isabel Bogdan war anerkannt in dem, was sie tat. Sie hatte Miranda July übersetzt und Jonathan Safran Foer. In der Hamburger Literaturszene kannte man sie. Bogdan ging gerne ins Literaturhaus. Einmal erzählte sie dort, dass bald ein Roman von ihr erscheine. Ganz aufgeregt sei sie. Durchaus gespannt ließ einen das zurück: Ein Landsitz in Schottland, Investmentbanker, irgendein Tier, das waren die Stichworte. Es dauerte dann noch ein wenig, bis der Roman erschien.

Aber als er dann erschien, ging’s ab. 2016 kam „Der Pfau“ heraus und verkaufte sich bis heute an die 400.000-mal. Das glänzende und sagenhaft erfolgreiche Debüt Isabel Bogdans ist, so sagt sie es heute selbst, „ein Wunder“. Isabel Bogdan ist die, die von dem, was aus der Idee wurde, vom Übersetzen zum Selberschreiben zu wechseln, immer noch am meisten überrascht ist.

Darum geht es an einem frisch aufwindenden Herbsttag an der Alster. Darum und um die Schreibanfänge einer Frau, die heute 53 Jahre alt ist und sagt: „Meine Methode war das Anschleichen.“ Geboren wurde Isabel Bogdan in Köln, nach dem Abi war sie nach eigenen Worten „erst einmal aufgeschmissen“. Was sollte sie mit ihrem Leben anfangen?

Isabel Bogdan fing mit dem Übersetzen an

Ihr fiel nichts Besseres ein – und es gibt ja tatsächlich keine viel bessere Fächerkombination, wenn man nicht das Übliche studieren will! – als Anglistik und Japanologie, wobei das letztere Orchideenfach hier den Ausschlag gibt: für das Aufmerken bei jedem Zuhörer. Wobei Bogdan nicht den Eindruck erweckt, sich mit überhaupt irgendetwas interessant machen zu wollen. Die Japanologie brachte sie tatsächlich zu Ende, „aber mit der Aushändigung der Magisterurkunde hatte ich dann auch alles schon wieder vergessen“.

Als sie mit dem Übersetzen anfing, wusste sie aber, womit sie ihr Leben künftig bestreiten würde. Sie machte sich den Namen, den man im Betrieb braucht. Und sie lernte auch schnell, wie es um die Reputation ihres ehrenwerten Berufs bestellt ist: Sie traf auf das Frage-Mantra des „Willst du nicht mal was Eigenes schreiben?“, also das typische Urteil, mit dem Übersetzerinnen und Übersetzer konfrontiert sind. „Übersetzen wird als Schreiben zweiter Klasse angesehen“, findet Bogdan, die dem Vorwurf, Übersetzerinnen seien nicht originell, gar nichts abgewinnen kann, „das Übertragen in eine andere Sprache ist ebenfalls ein kreativer Prozess“.

Bogdan zweifelt an eigenen Fähigkeiten

Nicht jeder, der toll schreiben kann, kann auch gut übersetzen, sagt Isabel Bogdan, und nicht jeder, der toll übersetzt, schreibt gut. Sie glaube übrigens immer noch, sie, die übers Übersetzen zur Literatur Gekommene, dass sie nicht schreiben könne.

Eine Bestsellerautorin, eine „Schleicherin“, die sich ihrem literarischen Debüt behutsam näherte, die erst übersetzte, dann einen Blog ins Leben rief, dann ein Sachbuch veröffentlichte, um dann einen sofort vom Publikum viel gelesenen und geliebten Roman zu schreiben – na ja, so eine kann halt aber doch schreiben, und irgendwo in der Humanregion, die sich Selbstbewusstsein nennt, wird sie das wissen. Bogdan lacht übrigens, als sie über ihre angeblich mangelnden Fähigkeiten spricht. Literatur, das war früher für Isabel Bogdan „etwas Großes, für andere Leute als mich“.

„Laufen“ kommt ins Fernsehen

Seit diesem ersten Buch ist Bogdan nun jemand, der Autogrammkarten unterschreiben muss. Nicht alle Geschichten, die sie diesbezüglich erzählen kann, sind erhebend; es gibt auch seltsame Autogrammjäger. Auch das Touren mit Büchern darf man wohl nicht zu sehr romantisieren, Bogdan spricht von der typischen „Lesereiseneinsamkeit“. Sie spricht vor allem aber, und das ist jetzt viel wichtiger, von den Glücksmomenten, die sie derzeit hat. Um zu ermessen, in welcher Karrierephase sich Bogdan befindet, muss man von ihren Büchern weg- und zum Bildschirm beziehungsweise zur Leinwand kommen. Das ZDF dreht gerade die TV-Adaption von Bogdans zweitem Roman „Laufen“, und „Der Pfau“ könnte irgendwann ins Kino kommen.

Was aber am allerbesten daran ist, und man kann gar nicht anders, als sich über die Freude, die sie darüber empfindet, gleichermaßen zu freuen: Die so überraschend zur beliebten Erzählerin avancierte Isabel Bogdan wird im Film „Laufen“ einen Kurzauftritt haben, als Eisverkäuferin. Das ist doch mal was!

Isabel Bogdan weinte bei den Dreharbeiten

Überhaupt, die Dreharbeiten. Die Dreharbeiten waren emotional. Es gibt eine Szene in diesem Roman, der so ganz anders als sein Vorgänger ist, in der die Heldin, deren Lebenspartner sich suizidierte, endgültig auftaucht aus ihrer Lebenskrise. Sie rennt beim großen Stadtlauf um die Alster, und sie kommt auch ins Ziel. Ein beglückender Moment im Leben dieser Frau, die sich das Trauma wegläuft.

Isabel Bogdan war einige Male beim Dreh. Und einmal hat sie’s da gerissen. Bei genau dieser Einlaufszene. „Ich dachte“, sagt Bogdan, „was für ein Riesenaufwand mit so vielen Menschen, die an einem Film beteiligt sind, und das alles, weil ich ein Buch geschrieben habe.“ Sie habe dann tatsächlich geheult.

Bogdan schrieb ein Buch über die Trauer

Die Rührung einer Schriftstellerin, die mit ihrem Werk und dessen Resonanz auf neue Weise konfrontiert ist. „Laufen“ war ein dolles Ding, so rein karrieremäßig gesehen. Niemals wäre es Bogdan („Ich hatte keinen Bock darauf, noch einmal dasselbe zu machen“) in den Sinn gekommen, auf Nummer sicher zu gehen und „Der Pfau II“ zu schreiben. Also schrieb sie, wenn man das so sagen kann, das glatte Gegenteil: ein Buch über die Trauer. Nicht ohne komische Passagen, aber eben doch eine ernsthafte Sache. Mancher Kritiker, dem Bogdans Debüt noch zu unterhaltsam (in der deutschen Literaturkritik ist das oft ein Makel) daherkam, nahm die Hamburgerin dann anders wahr.

Die Sache mit der Wahrnehmung: So aufs Ganze gesehen änderte sich nach Bogdans Entscheidung, neben dem Übersetzen künftig auch selbst zu schreiben, der Blick der Peergroup. Der Literaturbetrieb begegnet einer Erfolgsautorin etwas anders als einer Übersetzerin. Manche Kolleginnen und Kollegen gestanden ihr, ein wenig neidisch zu sein. „Aber zum Glück waren sie nicht missgünstig“, sagt Bogdan.

"Ich war ja auch mit dem Übersetzen immer glücklich“

Wer nach fünf, sechs Romanen ein vergleichsweise überschaubares (oder zumindest kleineres) Publikum hat, der muss vielleicht schlucken, wenn andere gleich beim ersten Versuch den Jackpot knacken. Bogdan sagt: „Ich weiß nicht, ob ich weitergemacht hätte, wenn ‚Der Pfau‘ durchgefallen wäre. Vermutlich hätte ich gedacht, ich hab’s versucht, und es hat halt nicht geklappt. Ich war ja auch mit dem Übersetzen immer glücklich.“

Heute schließt sie sich mit Kolleginnen und Kollegen auf gemeinsamen Klausuren ein, um über Sachen wie Umgang mit Erfolg und Angst vor dem Scheitern zu sprechen. Es gebe Autoren außerhalb dieser Gruppe, die sprächen von ihren aktuellen Texten oft nach dem Motto, das sei das Beste, was sie jemals geschrieben hätten. Da würde sie auch mal gerne hinkommen, sagt Bogdan trocken.

Bogdan bei Kiepenheuer & Witsch unter Vertrag

Das Schöne bei solch wundersamen Entwicklungen wie derjenigen Bogdans ist, dass man sich ordentlich Kredit bei seinem Verlag holt. Ihrer heißt Kiepenheuer & Witsch, sitzt in ihrer Heimatstadt Köln („Manchmal vermisse ich Karneval. In Hamburg stieß ich aber nie auf die angebliche Unterkühltheit“) und dürfte mit Bogdans Arbeit ganz zufrieden sein. Dennoch spürt sie derzeit, wo dann vielleicht doch mal nachgefragt wird, wie es denn mit einem dritten Roman aussieht, die Erwartungshaltung.

Ihr Lektor hat Bogdan vor ein paar Jahren gesagt, als ihr Debüt sich anschickte, die Leserschaft zu erobern, es sei genau jetzt die Zeit, sich ein paar Allüren zuzulegen. Es fallen einem nun ein paar Dinge ein, die man sich als Starautorin so ausbedingen könnte. Sich kapriziös zu gerieren, das geht leicht. Wobei man den Besuch von feinen Restaurants nach der Veranstaltung, Anreise-Diktate („Nur erste Klasse“) und Ansagen, was die Lesungen angeht („Keine Fragen aus dem Publikum“) automatisch – schrecklich, dieses Klischeedenken – viel eher den männlichen Schriftsteller-Genies zutraut. Bogdan hat dann aber auch was für sich gefunden: Sie schläft allein im Hoteldoppelzimmer.

Bogdan: ein Multitalent unter Hamburgs Autoren

Einzelzimmer sind deprimierend. Silberhochzeiten aber nicht. Im Gegenteil, die verdienen allen Respekt. Bogdan ist mit ihrem Mann, einem Lehrer, schon ein halbes Leben verheiratet, „das ist absurd, das machen doch sonst nur Eltern“. Ebenso absurd, darf man anfügen, ist eine Frage, die ihr in Interviews tatsächlich schon gestellt wurde: Wie ihr Mann damit umgehe, dass sie jetzt erfolgreicher als er sei.

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Zuletzt hat Bogdan einen im Übrigen sehr lesenswerten Insel-Führer („Mein Helgoland“) geschrieben. Sie kann auch das, einladend über norddeutsche Urlaubsgegenden schreiben. Bogdan ist fraglos das Multitalent unter den Hamburger Autorinnen und Autoren, eine Frau ohne Berührungs- und längst auch ohne Schwellenängste. Es ist gut, dass es diese Schriftstellerin gibt, deren erste Übersetzung den Titel „Gärten auf kleinstem Raum. Ideen für die Fensterbank, Balkon, Hof und Hauseingang“ trug.

Wie gut, dass durchs Beet irgendwann ein Pfau lief.