Hamburg. Wie Staatsoper, Thalia Theater, Schauspielhaus, Elbphilharmonie und Laeiszhalle den aktuellen Kultur-Shutdown überstehen.

Es sind dramatische Zeiten für die Kulturschaffenden. Vor allem für die unzähligen Selbstständigen, die durch die fehlenden Aufführungen zerrieben werden. Die akut Not leiden – finanziell und emotional. In der Krise aber stecken auch die nun bereits seit einem halben Jahr durchgängig geschlossenen Theater und Konzerthäuser: Aus dem Shutdown, der als „Wellenbrecher“ für eine schnelle Senkung der Inzidenzwerte gedacht war, ist eine Dauerlösung geworden. Das hat nicht nur vielfältige gesellschaftliche Auswirkungen, es kostet die staatlich subventionierten Häuser auch Geld. Sehr viel Geld sogar.

Keinerlei Einnahmen durch Ticketverkäufe, keine Gastspiele, nur ein wenig Streaming, Merchandising und Spenden: Tom Till, kaufmännischer Geschäftsführer des Thalia Theaters, beziffert den monatlichen Einnahmeausfall auf durchschnittlich 400.000 Euro für das Große Haus am Alstertor und die Zweitspielstätte in der Gaußstraße. Dass das Loch in der Kasse nicht noch größer wird, liegt vor allem an der seit Pandemiebeginn vom Thalia Theater angemeldeten Kurzarbeit.

Thalia Theater zieht Sanierungsarbeiten vor

Hier schwankt die Quote von Monat zu Monat – zwischendurch konnte ja mit Einschränkungen geöffnet werden –, derzeit sind etwa zwei Drittel der Belegschaft betroffen. „Es wird weiter geprobt und wir streamen ja auch“, sagt Till, „aber da wir abends keine Vorstellungen haben, nutzen wir die Zeit, um Sanierungsarbeiten, darunter eine lange fällige Scheinwerfer-Revision, vorzuziehen.“

Mit 500.000 Euro beziffert Schauspielhaus-Geschäftsführer Peter Raddatz den monatlichen Umsatz-Ausfall in seinem Theater. An der Kirchenallee sind derzeit etwa 65 Prozent der Belegschaft in Kurzarbeit. „Es gibt aber einige Abteilungen im Haus, die weiter regelmäßig im Einsatz sein müssen. Dazu gehören die Personalabteilung, die Finanzbuchhaltung, die Hausbetriebstechnik und die Pforte“, sagt Raddatz.

Staatsoper Hamburg büßt 750.000 Euro Umsatz ein

Einen enormen finanziellen Ausfall hat auch die Staatsoper Hamburg. Rund 750.000 Euro Umsatz fehlt dem Haus durch den aktuellen Shutdown, rechnet der geschäftsführende Direktor Ralf Klöter vor. Im März dieses Jahres waren 47 Prozent der Mitarbeiter in Kurzarbeit, der Proben- und Produktionsbetrieb laufe aber weiter. Hauptgrund sei „die Notwendigkeit, nach Ende des Shutdowns schnell wieder spielfähig zu sein und den Besucherinnen und Besuchern ein attraktives Programm anbieten zu können“.

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Anders, so Klöter, sei die politische Vorgabe, bei einem günstigeren Pandemieverlauf den Spielbetrieb rasch wieder aufzunehmen, nicht zu erfüllen. Die für die Spielzeit 2020/21 geplanten Produktionen fertig zu proben, zu bauen und zu schneidern, sei aber auch erforderlich, „um Lücken im Spielplan in der Spielzeit 2021/22 sowie den Folgejahren zu vermeiden, die insbesondere in Bezug auf unseren erheblichen Abo-Anteil problematisch geworden wären“.

Streams in der Elbphilharmonie

Einen mit Theater und Oper vergleichbaren Probenbetrieb gibt es in der Elbphilharmonie nicht, auch wenn dort derzeit immer wieder Streams produziert werden. Die Beurteilung der finanziellen Ausfälle ist etwas komplizierter, da der Konzertveranstalter HamburgMusik und die Elbphilharmonie und Laeiszhalle Betriebsgesellschaft (ELBG) getrennt betrachtet werden müssen.

Für HamburgMusik rechnet der kaufmännische Geschäftsführer Jochen Margedant mit einem Umsatzausfall für die gesamte Saison von 1,2 Millionen Euro, also etwa 100.000 Euro pro Monat. Bei der ELBG dürfte der Ausfall bei etwa 11,6 Millionen für die Saison, also nicht weit unter einer Million Euro pro Monat liegen. Das Gros des Verlustes entsteht durch die fehlende Vermietung der Konzertsäle, zudem gehen die Einnahmen durch den Verkauf von Konzertkarten gegen null.

Schließung würde Kontakt zu Publikum abreißen lassen

Ein weiteres finanzielles Loch reißt der Umstand, dass große Sponsoren ihre Beträge reduziert haben. Zwar finden keine Publikumsveranstaltungen statt, auch keine Führungen oder Bildungsprogramme, doch viele Bereiche, von der künstlerischen Planung bis zum Aboverkauf laufen mit entsprechenden Kosten weiter.

Wie seine Kollegen hat auch Jochen Margedant schon die Frage gehört, ob es denn nicht günstiger wäre, die Häuser einfach für die Zeit der Pandemie zu schließen. Eine wenig durchdachte Idee, findet er. „Wenn wir den Kontakt zu unserem Publikum für ein Jahr oder länger abreißen lassen, dann haben wir hinterher keines mehr.“ Das sei auch unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht sinnvoll. Von der Bedeutung, die Kultur darüber hinaus für die Gesellschaft hat, einmal ganz abgesehen.

Schließungen würden Neuproduktionen verhindern

Dem schließt sich Tom Till vom Thalia Theater an und ergänzt, es gehe auch darum, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler in Übung bleiben, dass sie spielen können und mit möglichst kurzem Vorlauf der Betrieb wieder hochgefahren werden kann, sobald der Shutdown gelockert oder aufgehoben wird.

Ralf Klöter von der Staatsoper konkretisiert, an die Häuser sei seitens der Kulturbehörde die Erwartung gerichtet, innerhalb relativ kurzer Frist bei positiverem Pandemieverlauf den Spielbetrieb wieder aufzunehmen. Nach einer (vorübergehenden) Schließung wäre das nicht möglich. „Bei einer Schließung würden zudem dann auch die Neuproduktionen für das Repertoire fehlen und müssten entweder in den Folgejahren mit einem entsprechenden erheblichen Mehraufwand zusätzlich zu den für diese Spielzeiten jeweils geplanten Premieren produziert oder durch teure Gastspiele, Koproduktionen oder sonstwie eingekaufte Produktionen ersetzt werden.“

Keine Alternative für Hamburgs Kultur während Pandemie

Ohne Neuproduktionen drohten Lücken im Spielplan und damit ein Attraktivitätsverlust des Hauses, „was sich in rückläufigen Zuschauerzahlen und Einnahmen ausdrücken würde“. Zudem, so seine Einschätzung, würde die Staatsoper bei Absage von Neuproduktionen und Aufkündigung entsprechender Verträge als unzuverlässiger Partner wahrgenommen werden, was „die Chancen, für die Zukunft große Künstlerinnen und Künstler nach Hamburg zu holen, massiv untergraben und damit die Reputation des Hauses sowie die künstlerische Qualität seines Angebots ebenso massiv beschädigen würde“.

Am Ende gibt es weder für Thalia Theater und Schauspielhaus noch für Staatsoper, Elbphilharmonie und Laeisz­halle eine Alternative zum Weitermachen trotz Pandemie. Alles andere käme Hamburg teuer zu stehen – auch in rein finanzieller Hinsicht.