Hamburg. Schon bei der Eröffnung wurde klar: Es wird ein Fest! Die Live-Kultur ist zurück in der Stadt – sie wurde sehnsüchtig vermisst.

Die Sonne lacht über der Stadt, auch an diesem Wochenende. Und Menschen lachen wieder über andere, die sie zum Lachen bringen wollen, weil es ihr Beruf ist. Wieder andere erfreuen sich an jenen, die mit Musik Menschen zum Zuhören, zum Träumen, sogar zum Tanzen bringen – soweit das in diesen Zeiten erlaubt ist. Beim Kultursommer Hamburg hat alles seinen (Sitz-)Platz, im Freien geht einiges. Das zeigte der erste Abend des größten spartenübergreifenden Festivals, das die Freie und Hansestadt bisher erlebt hat. Applaus, Applaus.

Die Live-Kultur, sie hat spürbar gefehlt. Nach Monaten, teils sogar eineinhalb Jahren ohne Auftritte respektive Konzerterlebnisse. Und so geriet die offizielle Eröffnung des Kultursommers am Donnerstag auf dem Spielbudenplatz bei 27 Grad, mit Aperol Spritz, Bier und Apfelschorle für das großteils auf Holzbänken sitzende Publikum sowie für die beteiligten Künstlerinnen und Künstler zu einem wahren Fest. Es herrschte eine erwartungsfrohe Stimmung und spürbare Vorfreude auf die kommenden vier vielfältigen Wochen.

Kultursommer Hamburg beginnt mit Udo Lindenberg als Überraschungsgast

Kultursenator Carsten Brosda (SPD), maßgeblicher Initiator des Groß-Festivals, sonnte sich im Glanz prominenter Unterstützer aus der Kulturszene, dankte den Veranstaltern, dem Kooperationspartner Stadtkultur Hamburg sowie allen beteiligten Künstlerinnen und Künstlern – und die dankten es ihm mitsamt den Gästen. Applaus, Applaus. Und das nicht nur, weil die Kulturbehörde das Festival mit zehn Millionen Euro unterstützt, damit Kunst und Künstler wieder hör- und sichtbar werden nach, vielmehr trotz Corona. „Die Kultur möge in diesem Sommer eine Kraft entfesseln, damit sie in diesem Jahr im Winter umso stärker wird“, sagte Brosda. Das sei „ein langer Weg“.

Überraschungsgast Udo Lindenberg, der mit Schmidt-Chef Corny Littmann neben Moderator Michel Abdollahi die Bühne enterte, sang, besser gesagt: nölte spontan a cappella: „Reeperbahn – alles klar. Du alte Gangsterbraut, jetzt bin ich wieder da!“ Auch Amelie Deuflhard, Chefin der Kulturfabrik Kampnagel, und Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seutter übten – abstandsgerecht – den Schulterschluss. So, wie sie es für diesen Sonnabend mit der Veranstaltung „Himmel über Hamburg“ auf den Dächern der Lenzsiedlung in Lokstedt geplant haben.

Bunte Tüte auf dem Spielbudenplatz: Alphörner, Das Bo und Le Fly

Die beteiligten Alphornbläser der Dresdner Sinfoniker gaben einen Vorgeschmack und nahmen das Kultursommer-Motto „Play out loud“ ebenso wörtlich wie Saxofonistin Stephanie Lottermoser. Sie wird auf dem Vorplatz der Elbphilharmonie die Konzertreihe „Hope ’n’ Air“ eröffnen. Dass ihr Bühnen-Anzug farblich dem des auf der Treppe ausgerollten Teppichs mit dem „Play out loud“-Logo glich, sei Zufall, so die Wahlhamburgerin, nicht aber die Unterstützung Hamburgs: „Das kenne ich so aus anderen Städten nicht“, lobte die gebürtige Bayerin.

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Rapper Das Bo forderte, nach 741 Millionen Euro Hamburgs für die Elbphilharmonie nicht die Unterstützung der Stadt für die Probenräume von Musikern zu vergessen. Er bekannte bei seinem gut 30 Minuten langen Mini-Konzert laut und glücklich: „Ich bin überfordert – so viele Leute habe ich lange nicht mehr auf einem Haufen gesehen.“ Einige Frauen tanzten zwar nicht auf, jedoch direkt neben ihrem Tisch.

Und die St.-Pauli-Tanzkapelle Le Fly gab ähnlich beifallumrauscht wie Das Bo den Rausschmeißer. 500 Gäste, so die aktuelle behördliche Auflage, dürfen derzeit gleichzeitig auf den Spielbudenplatz, 450 hatten sich am Donnerstagabend für die gut einstündige kostenlose Eröffnungsfeier registriert. Gegenüber der großen Open-Air-Bühne auf Höhe Panoptikum steht am anderen Ende noch eine Kleinkunstbühne, überwiegend für Kulturschaffende aus St. Pauli.

Kleinkunst in der Altstadt: (Musik-)Kabarett vor St. Katharinen

Die Kleinkunst, sie fand am Donnerstagabend in der Altstadt gleich eine Fortsetzung. Die beiden (Musik-)Kabarettisten Michael Frowin und Axel Pätz hatten mit „Nimm, 2“ eigens eine Eröffnungsshow für die Open-Air-Bühne auf dem Vorplatz von St. Katharinen konzipiert. Dort werden als Kooperation der Hauptkirche mit dem Theaterschiff aus dem nahen Nikolaifleet bis Mitte August täglich Kabarett, Konzerte, Impro- und Kindertheater geboten. All das soll auch der Altstadt-Belebung an der Grenze zur historischen Speicherstadt dienen.

Frowin, künstlerischer Leiter des Theaterschiffs, und der vielfach ausgezeichnete Tastenkabarettist Pätz reizten mit ihrem erfrischend aktuellen und anregenden Duo-Programm zwei Stunden lang die Lachmuskeln. Das ging mit einer ironischen Wortparade der „Maske“ los: Ob nun „Snutenpulli“ (norddeutsch), „Seuchen-Segel“ (berlinerisch), „Maultäuschle“ (schwäbisch) oder „Merkel-Burka“ (kabarettistisch) – die Bezeichnungen variieren je nach Region und politischer Ansicht.

Frowin servierte dazu verbal den „Quarantini“, einen zu Lockdown-Zeiten aus heimischen Alkoholresten gemixten schwer verdaulichen Cocktail; Pätz erzählte vom „Trikini“, einem aus drei ausrangierten Stoffmasken gebastelten neuen Badeanzug für seine Frau.

Corona spielt weiter eine Rolle – im Zweifelsfall als Pointe

Stereotype Corona-Aussagen („Wir sind so froh, dass wir einen Garten haben“) hatte der Neu-Niedersachse ebenfalls parat. Und als der bald als „Kanzlerchauffeur“ arbeitslose Frowin einen 13-Milliarden-Gewinn von Amazon-Chef Jeff Bezos in Corona-Zeiten anprangerte, schlug die Kirchenuhr von St. Katharinen wie auf Kommando - ein Wink von oben, ein göttliches Timing.

Es stimmte meist zwischen den beiden Satirikern, und Pätz’ Kleinkunst-Hits wie „Ü80-Party“ oder „Chill mal!“ bekamen im Duett noch mal neues Gewicht. Satirisch besonders würzig besang Pätz am E-Piano den „Weber-Grill“ und „Die Chinesen“.

Die Kirche war auf alles vorbereitet - die Kabarettisten auch

Da störte es kaum, dass es in der Pause des zweistündigen Programms nichts zu essen gab. Die Kirche war auf fast alles vorbereitet, hatte für den Regen-Notfall sogar den Innenraum bestuhlt – auch wenn die leider nur knapp 40 zahlenden Gäste dann einen Impf- oder aktuellen Testnachweis hätten dabeihaben müssen.

Den manchmal störenden Lärm vorbeifahrender Autos oder Motorroller bauten die Künstler mehrmals in die Show ein. Der Kultursommer Hamburg, der inzwischen schon mehr als 1200 Veranstaltungen in 39 Stadtteilen und in allen sieben Hamburger Bezirken umfasst, soll ja eben überwiegend draußen mit gebührendem Abstand stattfinden. Sicher ist sicher.

Alles zum Kultursommer auf der offiziellen Webseite