Hamburg. Die Sängerin und Songschreiberin singt in ihrem Debütalbum „Alle diese Jahre“ über Depressionen – und den Weg aus dem Schattendasein.

„Crazy schönes Life“, das klingt zuerst nach einer Bildunterschrift unter Strand- oder Partyfotos von Selbstdarstellerinnen auf Instagram oder TikTok. Auch das gleichnamige Lied der Hamburger Sängerin und Songschreiberin Kate Louisa ist bei oberflächlicher Betrachtung eine bestens gelaunte akustische Replik auf Alice Mertons Hit „No Roots“. Aber wer dann Kate Louisas Debütalbum „Alle diese Jahre“ weiter anhört, wird bei „Wenn sie kommt“ oder „Einmal im Jahr“ merken, dass die in Eppendorf lebende Künstlerin das durchlebt, was als mentales Schattendasein beschrieben werden kann.

Depressionen, Angststörungen und andere Krankheiten mit extremen Auswirkungen auf Körper, Seele, Persönlichkeit, Familie und Umfeld beginnen erst seit einigen Jahren, lyrisch präsenter in der Popmusik zu werden. Billie Eilish dürfte das prominenteste Beispiel sein, oder aus Hamburg die gefeierte Newcomerin Zoe Wees. Aber in der Hochglanzwelt mit ihrer zur Schau gestellten Perfektion sind sie immer noch Ausnahmen.

Hamburger Sängerin: Kate Louisa singt über Depressionen

Auch Kate Louisa ist einen weiten Weg gegangen. Nach Jahren in verschiedenen musikalischen Projekten und als Stimme für Werbesongs findet sie nach ihren ersten EPs „Schwerer Rucksack“ (2019) und „Fühlt sich gut an“ (2021) die Inspiration und auch den Mut, auf ihrem Debütalbum „Alle diese Jahre“ im Song „Einmal im Jahr“ offen etwa über ihre Depressionen zu singen.

„Als Kind hatte ich oft das Gefühl, so wie ich bin, bin ich nicht gut genug. Deshalb habe ich mich viele Jahre verbogen und versteckt, auch in der Musik. Doch das hat mich sehr lange, sehr krank gemacht“, erzählt Kate Louisa im Gespräch. „Mein damaliger Manager sagte mal zu mir, dass man merkt, dass mir immer die Sonne aus dem Hintern geschienen hat und ich Everybody‘s Darling bin. Und das bei meiner Lebensgeschichte. Dann war ich wohl das traurigste Every­body‘s Darling“.

Kate war Teil eines Schlagerprojekts

Auch in den Songs auf „Alle diese Jahre“ herrscht in den Kompositionen und Arrangements luftige Leichtigkeit, Aufgewecktheit und ein Schwelgen. Selbst in dunklen Zeilen und Tönen schwingen immer Mut, Zuversicht und Aufbruch mit. Das geht manchmal trotz der zeitgemäßen Produktion zwischen Post-NDW und Elektro-Pop tatsächlich in Richtung moderner Schlager-Pop.

Kate sieht das anders. Am Anfang ihrer Karriere sei sie tatsächlich Teil eines Schlagerprojekts gewesen und sang, was man ihr vorgab. Ferngesteuertes Funktionieren, davon musste sie sich lösen. Ihr lang erträumtes Album-Debüt erscheint jetzt auf ihrem eigenen Label Großstadtmusik mit entsprechenden Verpflichtungen, aber in großer Unabhängigkeit.

Kate Louisa schreibt Lieder aus dem Bauch heraus

Dabei klingt in den Liedern die Erkenntnis durch, „dass die Vergangenheit nicht die Verlängerung unserer Zukunft ist und wir jederzeit die Chance haben, unser Leben neu zu gestalten. Wir brauchen uns nicht dafür zu schämen, wenn es uns mal nicht gut geht, sondern sollten uns an unsere Stärke erinnern. Es darf viel mehr Aufmerksamkeit für die Volkskrankheit Depression geben. Durch Bücher und Podcasts, aber auch durch Lieder kann man so Ideen gewinnen, wie es einem besser gehen kann.“

Das Album: Kate Louisas „Alle diese Jahre“.
Das Album: Kate Louisas „Alle diese Jahre“. © Unbekannt | Grossstadtmusik

Allerdings sieht Kate Louisa Lieder wie „Wenn sie kommt“ oder „Kannst du mich lieben?“ nicht als therapeutische Selbstreflektion: „Es geht nicht darum zu erzählen, wie schlecht es mir ging. Sondern anderen zu zeigen, dass man damit nicht allein ist.“ Trotzdem sind die autobiografischen Texte absolut authentisch. Sie schreibt ihre Lieder nicht technisch nach den Regeln von Songwriter-Camps und bewährten Textkonzepten. Wenn sie nachts hochschreckt und Zeilen im Kopf hat, werden diese direkt ins Handy diktiert.

Hamburger Sängerin: „Ich fange gerade erst an“

Und als sie die Lieder zunächst als Demoversionen allein in ihrem Büro in einer schallisolierten Gesangsbox einsang, kamen ihr stellenweise die Tränen. Später, bei der Aufnahme unter professionellen Studiobedingungen und entsprechender Beobachtung, konnte sie diese Emotionen nicht mehr in ihre Stimme legen. Also wurde auf die ursprünglichen Demospuren zurückge­griffen.

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Jetzt interessiert Kate Louisa, wie ihre Erfahrungen und die Lieder sich auf der Bühne entwickeln. Schließlich sind derart persönliche Einblicke vor einem Publikum alles andere als beliebig. Aber nach den ersten zwei Auftritten sei sie „fein mit dem, was war und wie es ist. Und ich bin froh, dass ich nicht das Gefühl habe, mich zu verstecken, das macht es auch einfach, damit aufzutreten“. Denn wie es in einem ihrer neuen Songs so passend heißt: „Ich fange gerade erst an“.